30 Juli 2007

Die Dialektik des Türschließers

These: Automatische Federtürschließer verhindern² zwischenmenschliche Kommunikation

Was?

Hier geht es um die Greifarme, die oben an Haustüren und anderen zugigen Stellen angebracht sind und dafür sorgen, dass die Tür sich selbst schließt, wenn man sie loslässt. Die Dinger heißen Obertürschließer, Federtürschließer, automatische ~ oder auch Gelenk~ usf. Gibt es auch als Bodentürschließer, integrierte und verdeckte ~. Aber hier geht es um die Funktion, nicht um die Konstruktion.

Warum überhaupt braucht man automatische Türschließer?

"Na, damit sich die Tür schließt?" fragt jetzt vielleicht die naive Landbevölkerung. Ja, schon. Aber irgendwer wird sie doch vorher aufgemacht haben? Der könnte die Tür doch auch wieder zumachen.

Könnte. Möglichkeitsform. Im Deutschen gibt es keine Wahrscheinlichkeitsform. Die gibt es wahrscheinlich deshalb nicht, weil wahrscheinlich doch niemand die Tür zumacht. Obwohl er sie vorher aufgemacht hat.

Was im Deutschen fehlt ist die Unwahrscheinlichkeitsform, eine spezielle Endung für "wahrscheinlich eher nicht", zum Beispiel Türzumachen.

Manchmal vergisst man das Türschließen einfach. Oder man hat beide Hände voll, etwa wenn man aus dem Baumarkt kommt, und zwei Packungen Laminat zu schleppen hat. Oder drei, weil es diesmal besonders billig war. Oder die Tür war schon offen und der nächste denkt, das sollte so sein.

In solchen Fällen ist ein Türschließer durchaus sinnvoll. Wenn man nicht beide Hände voll hat und zufällig grade auf der falschen Seite der Tür steht, der Aufschlagseite, von wo man sie nicht einfach aufdrücken kann, sondern kräftig ziehen muss, gegen die Kraft der Feder.

Außerdem gibt es die Fälle, wo der nächste direkt im Anschluss kommt. Kaufhäuser etwa, Behörden, alle Gebäude mit vielen Besuchern. Dann lässt man die Türklinke eben los und überlässt dem nachfolgenden das Schließen. Spätestens der dritte kann gar nicht wissen, ob die Tür auf oder zu sollte.

Wie hat man sowas früher gelöst? Man hat etwa gefragt: "Soll die Tür zu?"

So viel Zeit hat man heute natürlich nicht mehr. Außerdem ist in Kaufhäusern niemand, der eine Antwort geben würde, zu wenig Mitarbeiter dafür. Es ist aber sehr wohl jemand, der sich lautstark über die offene Tür beschwert - so viele Mitarbeiter haben sie schon. Diesen scheinbaren Widerspruch werden wir ein anderes mal behandeln.

Man hätte früher den Vordermann gefragt: "War die Tür auf?" Heute braucht man das nicht mehr.

Schlimmstenfalls hätte man früher das sinnvollste getan - das ist nicht automatisch auch das bequemste. Wenn man etwa sah, dass es zog und Papiere flogen, oder dass durch den Luftzug die Tür krachend ins Schloss fallen würde, oder wenn man ahnte, dass es kalt werden könnte, kam man von selbst auf die Idee, sie zu schließen. Zu Hause tut man so etwas nahe liegendes heute noch. In der Öffentlichkeit nicht.

Vor allem sind da noch die Leute, die eine Tür aufmachen - aber nicht wieder zu. Bequemlichkeit. Faulheit. Man muss nämlich zum Schließen einen winzigen Schritt zurück gehen. Wer will das schon? Aufmerksam sein, mitdenken, sich so viel Mühe machen? Man möchte doch vorwärts kommen, nicht rückwärts. Von denen scheint es reichlich zu geben.

Für diese Idioten ist ein automatischer Türschließer ideal. Sie wollen nicht fragen, sie wollen nicht gefragt werden und wenn sie gefragt werden, sind sie zu einer verständlichen zusammenhängenden Antwort ohnehin nicht in der Lage.

Der automatische Türschließer fragt nicht und er ist auch nicht beleidigt, wenn er keine Antwort bekommt. Er klappt nur einfach die Tür zu, vor dem nächsten Kunden, die Hände voll mit Laminatpaketen und Plastiktüten.

Das ist die Dialektik¹ des Obertürschließers.


¹ Um die Überwindung dieses Gegensatzes kümmern wir uns ein anderes mal. Gut, dass wir drüber gesprochen haben.

² "verhindern" ist hier nicht das richtige Wort, es macht die These nur griffig. Gemeint ist, dass sie Kommunikation "nicht erforderlich" machen.
Ob man technische Errungenschaften braucht, die Kommunikation erforderlich machen, ist dann wieder eine andere Frage: Will man den technischen Errungenschaften zuliebe kommunizieren - oder eher weil man sich etwas mitzuteilen hat?

 

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