26 April 2011

Bildschen

Am Ostersonntag war Der Große Bloguator™ im Botanischen Garten. Der ist sowieso ein Hit, aber insbesondere im Winter und Frühjahr, wenn die Kakteen blühen. Weil das Licht ausreichend war ist die fototechnische Ausbeute ausnahmsweise etwas größer als sonst. Ansehnlichere Bilder hinter den Links:

















Hm. Mit dem weißen Rand sehen die Bilder ziemlich kitschig aus. Ist mir jetzt aber zu viel, das in der Vorlage vom Blog zu ändern.

24 April 2011

Bauen heute

Wer schon eine Weile dabei ist am Bau, der hat vielleicht mitbekommen, dass der durchschnittliche Bauhandwerker heute deutlich weniger verdient als vor zwanzig Jahren. Schätzung: Inflationsbereinigt noch etwa die Hälfte.

Dabei kostet das fertige Gebäude allerdings heute genauso viel wie früher auch, so viel wie immer schon. Aha? Was kann da passiert sein?

I.
Nehmen wir einmal den Bericht über ein Immobilienprojekt in Hohenschönhausen im Jahr 2011:

"Umgesetzt wird das Konzept von einer Reihe von Projektpartnern. Moritz selbst versteht sich als Initiator und Entwickler des Gesamtvorhabens. Als Investoren fungieren die beiden Unternehmer Lutz Lakomski und Arndt Ulrich, die [...] jetzt zum ersten Mal ein Wohnungsbauvorhaben in Angriff nehmen. Dieses realisieren sie jedoch nicht selbst; vielmehr verkaufen sie die einzelnen Baufelder an Bauträger weiter. So errichtet die Firma Ticoncept [...] ein erstes Wohnhaus mit zehn zwischen 80 und 160 Quadratmetern großen Wohnungen, von denen bisher die Hälfte verkauft ist. Für die 15 Townhouses zuständig ist die Firma Concepta Haus [...] Und den Vertrieb der (bereits verkauften) Fabriklofts übernahm die Profi Partner AG. Beim Verkauf arbeiten alle Beteiligten eng zusammen."

Nun muss man wissen, dass diese Firmen nicht alle nebeneinander her arbeiten, das wäre ja so wie Konkurrenz, und damit fast schon so etwas wie richtige Arbeit. Sondern es läuft so, dass der eine den jeweils nächsten als Subunternehmer beauftragt und auf dessen Preis 15% draufschlägt. Oder soviel wie er glaubt, dass der Markt hergibt, in jedem Fall aber mindestens 15%. Die 15% sind so eine Art richterlich anerkannter Bearbeitungsgebühr. Ihre eigene Tätigkeit bezeichnen diese Unternehmen als Marketing, Projektentwicklung, Projektsteuerung, Developping, Makelei, Vertrieb und sie haben noch andere schöne Wörter dafür.

Im Beispiel oben hat man drei bis vier Stufen (es bleibt im Text ein wenig unklar), und kein Mitarbeiter einer dieser Firmen nimmt auch nur einen Stein in die Hand, heißt: Die Arbeit machen auf jeden Fall andere.

Nehmen wir mal an, die Menschen, die wirklich die Arbeit machen, bekommen 100% (auch das wäre ein Glücksfall, bekommen sie nämlich nie - aber wir nehmen es für das Rechenbeispiel zur Vereinfachung hier einmal an). Dann haben wir nicht etwa 100% + (3 x 15%) = 145%, sondern 100% x 1,15 x 1,15 x 1,15  = 152%, wobei jeder mit fadenscheinigen Ausreden versucht, seinem Auftragnehmer nicht die volle Summe auszuzahlen, sie aber seinem jeweils nächsten Auftraggeber voll in Rechnung stellt.

Einfach zu sehen ist aber bei dieser Rechnung: Das Gebäude ist um 52% teurer geworden, ohne dass irgendjemand einen sinnvollen Handschlag daran getan hätte. Die Bauträger, Makler, Investoren und sonstigen Abschöpfer sehen das naturgemäß anders.


II.
Wenn nun der Markt allerdings nur so viel hergibt, wie so ein Haus eben kosten darf, funktioniert die Rechnung umgekehrt: Der letztendliche Käufer bezahlt dem Verkäufer den Marktpreis, und der vergibt den Auftrag an einen "günstigeren" Nachunternehmer unter Abzug der bewussten Summe die er für seine "Arbeit" erwartet. Nein, das sind natürlich keine 15%, sondern nur ca. 13,05%, aber es summiert sich genauso, wenn sich vier Stufen von Abschöpfern bedienen.

Der Große Bloguator hatte um das Jahr 2000 herum einmal mit einem Wohnungsbauprojekt zu tun, wo es eine derartige Nahrungskette mit mindestens  sieben Stufen Nachunternehmertum gab. Der Autor war als Sachverständiger für den Bauträger tätig, der für eine Wohnungsbaugesellschaft eine Reihe von Häusern errichtete.

Der Bauträger hatte als General*über*nehmer die reine Bauarbeit an einen General*unter*nehmer und die Planungstätigkeiten an einen General*planer* vergeben. Der Generalunternehmer wiederum vergab die Aufträge der jeweiligen Gewerke an einzelne Firmen. Diese Firmen fühlten sich ebenfalls noch nicht verpflichtet, selbst Hand anzulegen und vergaben ihre Arbeit weiter an einzelne kleinere Firmen und diese wiederum arbeiteten mit Vertragsarbeitern aus aller Herren Länder. Die noch zu errichtenden Gebäude waren zum Bauzeitpunkt bereits längst vom Bauherren, der Wohnungsbaugesellschaft, an einen Investor verkauft worden.

Welcher Leser glaubt jetzt, dass dieser Investor für das Gebäude mehr als den üblichen Marktpreis bezahlt hat? Na? Ich auch nicht.

Es lief dann wohl andersrum: Jede der beteiligten Stufen zog dem jeweiligen Nachunternehmer die beschriebene Summe ab,  am besten mit allen erbärmlichen Ausreden so viel wie möglich, mindestens aber die erwähnten 13,05%.

Hier eine kleine Grafik dieser Kaskade: Investor - Wohnungsbaugesellschaft - Generalübernehmer - Generalunternehmer - Einzelunternehmer - Subunternehmer - Vertragsarbeiter.

So sieht das noch harmlos aus. Mit Zahlen anders:  Investor 100% - Wohnungsbaugesellschaft 86,95% - Generalübernehmer 75,61% - Generalunternehmer 65,75% - Einzelunternehmer 57,18% - Subunternehmer 49,71% - Vertragsarbeiter (43,22%*).

Die letzte Stufe mit dem Stern kann man deshalb nicht so rechnen, weil der Vertragsarbeiter tatsächlich nur seine Arbeitskraft mitbringt und nicht die Infrastruktur der Baufirma. Aber dennoch kann man erkennen: Unter diesen Umständen darf der Handwerker weniger als halb so viel von dem verdienen, was bei direkter Beauftragung der Fall wäre. Es geht gar nicht anders.

Selbst so viel wie diese 43,22% werden sie den nahezu rechtlosen Vertragsarbeitern nicht bezahlt haben, aber so oder so: Wer glaubt, dass er unter diesen Umständen qualifiziertes Personal bekommt, hat vermutlich ein kindliches Vertrauen in die Welt.

Was tut man da also? Delegieren - kontrollieren!

Jeder muss seinen nächsten Auftragnehmer kontrollieren, weil der natürlich wegen der schlechten Bezahlung oder der mangelnden Qualifikation zur Nachlässigkeit und zur Produktion von Mängeln geneigt ist. Das Kontrollieren halten die jeweils weiter oben stehenden für ihre Arbeit, und die vermeintliche Nachlässigkeit dient ihnen als Begründung, die ursprünglich vereinbarte Bezahlung des Auftrages großzügig abzurunden.

Hier wurden also von schlecht ausgebildeten und miserabel bezahlten Handwerkern mit viel Reibungsverlust Gebäude errichtet, die für den Endabnehmer aber auch nicht billiger waren. Irgendwas läuft da schief - oder bin nur ich zu naiv?

19 April 2011

Unliebsame Erkenntnis

Wenn man Italienisch lernen will genügt es nicht

Italienisch-Bücher zu bestellen.

Man muss sie auch abholen.

Und dann wohl auch

lesen.

Tja.




bei solchen Einträgen sollte ich vielleicht besser ein Erkenntnis-over-Satzzeichen setzen, damit man weiß, wann ...

... na, vielleicht auch nicht.

15 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: Algen und Moose

"Wie sind sie eigentlich drauf gekommen, dass ich wegen der Algen gesünder bin als sie? Gibt es dafür irgendeinen Hinweis?"

"Ja, genau."

"Und warum? Die verhalten sich doch genau so wie eine Bakterieninfektion. Solche Infektionen wollten wir bisher immer vermeiden."

"Aber die treiben Photosynthese! Das ist eine Symbiose!"

"Doch eher Parasiten, oder?"

"Quatsch! Symbiose!"

"Haben sie das getestet?"

"So in der Art, ja."

"Wie: In der Art?"

"Na, es war ja nicht so viel Zeit. Ich habe es gescannt."

"Nur gescannt? Ich habe Anspruch auf eine richtige Untersuchung!"

"Kulturen dauern länger, also habe ich den Bioscanner genommen. Der tastet von außen ab und sagt: Algen. Und er findet dieses und jenes geläufige Stoffwechselprodukt. Und ein paar Sachen, die bei der Photosynthese entstehen. Und noch ein paar andere Sachen, die nicht bei der Photosynthese entstehen. War ja zu erwarten auf diesem Planeten."

"Was für Sachen?"

"Na, anscheinend ernähren sich die Algen unter anderem von Schlacke und Schadstoffen im Blut. In ihrem Blut - in meinem ja nicht. Und die verdauen sie mit Hilfe der Photosynthese und machen daraus irgendwas weniger schädliches."

"Was genau?"

"Kann ich nicht sagen, nur die Schadstoffe sind weniger. Dieses Ergebnis gibt der Scanner sofort aus, ihr Blut kennt er ja. Die Algen kannte er noch nicht. Und da wo sie keine Algenflecke haben, ist der Schadstoffanteil normal. Der Chardonnay-Anteil hingegen erstaunlich hoch."

"So? Normal?"

"Naja, in der zu erwartenden Größe eben."

"Und wann testen sie weiter?"

"Wenn die Kulturen fertig sind. Und wenn ich dafür Zeit habe. Was soll das Gefrage?"

"Die grünen Flecken werden größer."

"Stört sie das? Tut doch nicht weh, oder?"

"Schon."

"Ja oder nein?"

"Nein."

"Ich notiere: 'Hypochondrismus des Patienten lässt nach'. Sehen sie? Ist offensichtlich völlig ungefährlich."

"Bis ich ganz grün bin!"

"Keine Sorge, es bleibt ja unter uns."

"Ich werde aussehen wie das Monster aus der Lagune."

"Wie wer?"

"Ach, nichts. ein reißerischer Filmtitel aus dem vergangenen Jahrtausend."

"Na gut. Kann ich noch was für sie tun? Drückts irgendwo anders?"

"Sie können sich doch an das hübsche Moos erinnern, das wir gefunden haben? Das nachtleuchtende?"

"Ja, das Moos. Schade, dass es so etwas auf der Erde nicht gibt. Werden wir wahrscheinlich ebenfalls nicht importieren dürfen. So romantisch!"

"Nicht importieren..."

"Ja, ziemlich sicher nicht. Auf der Erde setzen sie jeden erdenklichen Abfall aus dem Genlabor frei, von dem man nicht einmal ahnt, was er auf Dauer für Auswirkungen hat. Und das ganze nur, weil er vielleicht zu einer winzigen Gewinnsteigerung des jeweiligen Unternehmens führen könnte. Aber unser Moos werden die Bürokraten nach der Untersuchung auf der Station in der Umlaufbahn einfach zum Verfeuern freigeben. Oder zum Verglühen. Das ist wirklich traurig."

"In der Tat."

"Ist ihnen etwa ein Weg eingefallen, wie wir es doch auf die Erde schmuggeln können? Ich meine, das Moos ist völlig ungefährlich."

"Wirklich? Nein."

"Warum haben sie überhaupt mit dem Moos angefangen? Das ist so traurig."

"Habe ich?"

"Ja, sie haben mit dem Moos angefangen."

"Keine Ahnung. Warum sollte ich? Kann das algenbedingte Amnesie sein?"

"Nein."

"Ah, ich weiß wieder, das ist so furchtbar, dass ich es beinah verdrängt habe: Meine Flecken leuchten im Dunkeln! Wie das Moos!"


"Was? Wirklich?"

"Ja."

"Das ist ja großartig!"

"Was soll daran großartig sein?"

"Sie brauchen nie wieder eine Taschenlampe zum Lesen!"

"Wieso?"

"Sie können unter der Bettdecke lesen und brauchen keine Taschenlampe!"

"Doc?"

"Ja?"

"Ich brauche auch jetzt keine! Ich bin ein großer Junge: Ich lasse beim Lesen einfach das Licht an!"

"Aber trotzdem: Das ist doch wahnsinnig praktisch! Immer Licht dabei zu haben, das einen nichts kostet!"

"Was soll daran praktisch sein? Das ist unheimlich nervig!"

"Wieso das? Juckt es?"

"Ich kann bei Licht nicht schlafen!"

"Dann ziehen sie eben einen langen Schlafanzug an, das deckt die beiden Flecken ab. Den auf dem Rücken sehen sie ja ohnehin nicht so."

"Ich sagte doch, dass sie größer werden."

"Ja und?"

"Ich habe sie vorgestern mal markiert, die Ausbreitung gemessen und gerechnet: In etwa vier Wochen werde ich komplett von den Algen überzogen sein."

"Das ist doch großartig! Ich gehe als Entdecker in die Lehrbücher ein!"

"Das ist großartiger Mist!"

"Keineswegs! Vielleicht bekomme ich einen Nobelpreis!"

"Sind sie noch bei Trost?"

"Keine Sorge Käptn, ich gebe ihnen vom Preisgeld etwas ab."

"Und ich verglühe versehentlich beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, ja?"

"Ach so, das..."

"Ja, das!"

"Vielleicht kann ich für sie bei der Verwaltung eine Ausnahme beantragen."

"Doc! Sie wissen doch, wie das ist: Das Ergebnis werden weder sie noch ich zu Lebzeiten jemals erhalten. Der Antrag wird nicht einmal abgelehnt sondern einfach bis in die Ewigkeit nicht bearbeitet."

"Sie sind ein arger Pessimist."

"Nur wenn wir zuwiderhandeln werden die Bürokraten sofort munter. Weil sie wittern, dass dann eine andere Dienststelle zuständig ist."

"Vielleicht können wir das Moos anders reinschleusen? Und sie gleich mit!"

"Wie denn, wenn ich dann im Dunkeln heller strahle als ein Reaktorkern?"

"Naja?"

"Ich kann doch nicht jedesmal behaupten, dass das Licht einfach ungünstig ist für meinen Teint?"

"Vielleicht mit Puder ...?"

"Ich sehe schon den Bescheid vor mir:

'Ablehnungsgrund: Verwechslungsgefahr.
Wenn das Antragssubjekt an einer Kreuzung steht, könnten alle Teilnehmer gleichzeitig losfahren, weil sie meinen, eine grüne Ampel zu sehen. Wird zum Verglühen beim Wiedereintritt empfohlen.
Subjekt nicht informieren, da mit Widerstand zu rechnen ist!' "

"Gut, vielleicht doch kein Puder."

"Schon wenn ich hier in den Wald gehe werde ich nervös! Und ich habe bisher nur die drei Flecken. Wenn ich in vier Wochen nachts durch den Wald gehe werde ich leuchten wie ein Außerirdischer!"

"Ein ... was? Hier auf Frankensteins Zoo?"

"Na, sie wissen schon. Ich werde eben unnatürlich leuchten."

"Na und? Das ist doch schön. Sicher auch sehr romantisch!"

"Ich werde eine wandelnde Zielscheibe! Das einzige helle Objekt im ganzen Wald. Wahrscheinlich wachen selbst die phlegmatischen hirnlosen Tiere davon auf und kommen auf die Idee, mich zu jagen!"

"Da bin ich gespannt, wenn die in Zeitlupe hinter ihnen her hetzen: Ein Fuß vor - einundzwanzig - zweiundzwanzig - anderer Fuß vor - einundzwanzig - zweiundzwanzig - dritter Fuß vor... Davor müssen sie doch nun wirklich keine Angst haben, Käptn!"

"Sehr lustig!"

"Das wird aussehen wie eine Horde Faultiere bim Tai-Chi."

"Trotzdem! Was ist, wenn die mich einkreisen?"

"In Zeitlupe."

"Wenn mehrere gleichzeitig nach mir schnappen?"

"Extreme Slowmotion."

"Machen sie sich nur lustig!"

"Die Tiere bewegen sich so langsam, dass man hier eigentlich gar keine Kamera braucht. Man könnte locker mitzeichnen. Aber sie wollen unbedingt ein Drama draus machen, Käptn."

"Sehr witzig!"

"Wissen sie was, Käptn? Ich habe eine Idee. Sie müssen nur diszipliniert üben. Ich erstelle ihnen einen Trainingsplan. Und dann: Üben - üben - üben."

"Wofür?"

"Sie müssen einfach lernen, das Licht aus- und einzuschalten."

"Aaaaaaah! Doc! Ich schlage ihnen den Schädel ein! Was sind sie für ein Arzt? Die haben einen Sadisten mit mir auf Raumtour geschickt!"

14 April 2011

Bier im Lido

Der Große Bloguator™ war grade zu einem großartigen Konzert in einem Berliner Veranstaltungsort namens Lido. Und er trinkt gerne Bier. Im Lido haben sie die Marke Astra aus Norddeutschland. Im Norden gilt Astra anscheinend als Kultmarke, eine Art Bionade für den saufenden Mann von der Straße, genauer gesagt: Aus dem Proseminar. Ein Kultgetränk für unreife Akademiker. Naja.

Das Astra im Lido kommt vom Fass und schmeckt scheußlich. Seifig. Gruselig. Wenn man voraussetzt, dass handelsübliches Bier im Durchschnitt eine Haltbarkeit von drei bis sechs Monaten hat¹, dann muss man das Haltbarkeitsdatum etwa um sechs Monate überziehen, um eine so scheußliche Brühe zu erhalten wie das Astra im Lido². Ach was: Jahre! Sechs.

Die Leute trinken es trotzdem.

Man bekommt zwar auch richtiges Bier in der Stadt, aber von Essen und Trinken hat der Berliner traditionell keine Ahnung. Das ist hier der Kult.



¹ Bier wird haltbar gemacht, unterschiedlich, je nach Verfahren
² ich weiß genau, was ich da sage...
³ obwohl mir wahrscheinlich sowieso keiner glaubt, dass Bier in meinem Haushalt so alt werden kann

13 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: Grüne Flecken (2)


"Ich bin erfreut: Das ist jetzt schon das zweite mal, dass sie sich an meine Sprechzeiten halten, Käptn. Das wird vielleicht doch noch zur Gewohnheit?"

"Sie sind ein Pharisäer! Nur weil sie mir außerhalb der Sprechstunde das Ergebnis ihrer Untersuchung nicht mitteilen wollten! Sie werden mich nicht erziehen! Sie nicht!"

"Genau. Aber dennoch sitzen sie hier. Das finde ich schön und ermutigend. Und auch sehr motivierend."

"Das ist Erpressung! Nochmal mache ich das nicht mit! Sie erziehen mich nicht!"

"Sehr gut! Patient zeigt Verhalten im Rahmen des Üblichen. Sehr gut! Und ... wann wollten sie ihr Untersuchungsergebnis erfahren?"

"Jetzt! Sie haben jetzt Sprechstunde! Und sie haben einen Patienten!"

"Sehen sie - es geht doch."

"Sie erziehen mich nicht!"

"Sie erwähnten es bereits. Also: Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für sie. Und vorausschicken möchte ich: Sie haben jedenfalls etwas sehr interessantes."

"Aha?"

"Die gute Nachricht ist: Ihre Krankheit wird nach mir benannt werden. Haaaa-haaa-haaa!"

"Doc! Bitte! Konzentrieren sie sich! Außerdem kannte ich den Witz schon. Wenn sie mich wenigstens nicht mit alten Witzen quälen würden!"

"Nicht? Schade. Also, die gute Nachricht lautet: Sie haben etwas sehr interessantes, sie sind keineswegs krank, sondern eigentlich besonders gesund."

"Und die schlechte?"

"Man wird sie damit nicht zurück auf die Erde lassen."

"Was?"

"Leider.

"Ich dachte ich bin gesund?"

"Im Grunde ja. Da haben sich Algen bei ihnen eingenistet. Die treiben in ihrer Haut Photosynthese, bauen Schadstoffe im Blut ab UND liefern zusätzlich Energie!"

"Ach ja?"

"Kein Wunder: Deshalb sind sie in letzter Zeit auch ständig so in Fahrt. Das ist der Wahnsinn! Ich wünschte ich hätte das auch!"

"Warum soll ich damit nicht zurück zur Erde?"

"Weil es sowas auf der Erde bisher nicht gibt. Und weil niemand sagen kann was passiert, wenn sie es unter ihrer Haut einschleppen. Dann verteilen sie es womöglich auf der Erde weiter. Sogar sehr wahrscheinlich."

"Wieso wahrscheinlich?"

"Wenn diese Exo-Algen hier durch ihre Haut und durch alle Mechanismen des Immunsystems rein gekommen sind, dann werden sie auf der Erde auch wieder raus kommen. Klingt das einleuchtend?"

"Schon, irgendwie."

"Das ist so primitiv einleuchtend, dass es jeder Raumfahrtbürokrat auf der Erde verstehen wird. Und dann werden sie es verhindern wollen."

"Aber ich bin doch mehr als gesund!"

"Sie kennen doch die Geschichten von den Nutztieren und Pflanzen, die auf der Erde von einem Lebensraum in einen fremden anderen bewusst importiert wurden und dort unermesslichen Schaden angerichtet haben?"

"Was meinen sie?"

"Kaninchen, Hunde, Kamele in Australien. Katzen auf Neuseeland und den Südseeinseln. Rhododenron in England. Waschbären in Mitteleuropa, Pazifikkrabben im Nordatlantik. Jeder Kontinent, inzwischen jede Landschaft, hat einige solcher Geschichten. Jede der neuen Arten hat meist ein Dutzend eingesessener Arten verdrängt oder schlicht aufgefressen. Oder die Krankheiten der Europäer bei den amerikanischen Ureinwohnern."

"Na schön."

"Das wollen die Bürokraten gern verhindern, mit aller Gewalt. So viel haben sie inzwischen dazu gelernt."

"Würe mich wundern, wenn die jemals was dazu gelernt hätten. Und nur deshalb darf ich jetzt nie mehr zurück zur Erde? Das ist ja furchtbar!"

"Opfer müssen gebracht werden. Ich glaube, in ihrem Raumfahrer-Vertrag haben sie eine entsprechende Klausel unterschrieben."

"Was? Kann nicht sein!"

"Doch doch, ich kann sie ihnen zeigen."

"Die haben mich betrogen! Das sind über zweitausend Seiten! Die konnte ich unmöglich alle lesen! Die haben mich über den Tisch gezogen! Kalt berechnend! Ich werde sie verklagen! Alle!"

"Dann müssen sie nur ihren Anwalt überreden, dass er hierher kommt, zwölf Lichtjahre und zurück. Das geht höchstens pauschal, aber jedenfalls nicht nach Kilometern: Ich habe wirklich Zweifel, dass ihre Rechtsschutzversicherung das bezahlt..."

"Das kann doch nicht sein!"

"Vielleicht kann man wenigstens die Gerichtsverhandlung in die Umlaufbahn der Erde verlegen. Und wenn sie den Prozess verlieren wird vielleicht eine kleine Kapsel beim Wiedereintritt in die Atmosphäre versehentlich verglühen."

"Das ist doch Wahnsinn!"

"Naja, das wäre für unsere Raumfahrtagentur die kostengünstigste Lösung. Billiger, als ihnen eine Rente zu zahlen. Und die biligste wird immer zuerst versucht. Wenn das schief geht nimmt man die nächst teure."

"Das ist doch der reine Wahnsinn! Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann doch nicht für den Rest meines Lebens hier bleiben!"

"Warum denn nicht? Ist doch sehr schön hier. Und viel interessanter als auf der Erde."

"Ich will aber irgendwann zurück nach Hause! Kann man denn da nichts machen?"

"Doch, doch, sie haben mir nur vorhin nicht zugehört."

"Wieso?"

"Ich sagte: Mit diesen Algen wird sie niemand zurück auf die Erde lassen."

"Und was heißt das?"

"Ohne vielleicht schon."

"Ach so? Das ist alles? "

"Also, meiner unmaßgeblichen Meinung nach müssen sie nur die Algen wieder loswerden."

"Und wie soll das gehen? Das geht doch gar nicht!"

"Ich könnte ihnen ein Herbizid injizieren."

"Sind sie jetzt völlig wahnsinng? Sie wollen mir Unkrautvernichter spritzen? Ins Blut? Sind sie noch bei Trost?"

"Nur die Ruhe, Käptn! War ein Scherz. Kleiner Scherz nur!"

"Machen sie nicht nochmal solche Scherze mit mir! Was soll das?"

"Ich würde das Herbizid selbstverständlich verdünnen."

"Doc!"

"Nur der Neid."

"Was gibts da neidisch zu sein?"

"Ich wünschte, ich hätte diese Algen auch. Ich sage doch: Sie sind mehr als gesund. Nur eben zu exotisch für die Erde."

"Warum haben sie die eigentlich nicht?"

"Die passen genetisch irgendwie nicht zu meinem Blut."

"So groß kann der Unterschied zwischen uns doch nicht sein?"

"Groß genug für diese verdammten Algen! Ich fasse es nicht! Diese Algen befallen hier die hirnlosen Tiere und jeden Ignoranten, der den Planeten betritt - aber ich bin ihnen nicht gut genug! Es ist zum Heulen!"

"Wie sicher ist denn ihre Therapie? Werde ich diese tückischen Algenkeime wirklich wieder los?"

"Das sind keine Keime."

"Und wenn die auf der Erde davon erfahren? Schon dass man so eine Infektion mal gehabt hat reicht ja aus. Unsere Verwaltung ist doch genauso humorfrei wie skrupellos. Am Ende verglüht da doch eine kleine Kapsel beim Wiedereintritt, nur so zur Sicherheit."

"Wir müssen es denen ja nicht sagen."

"Das würden sie für mich tun?"

"Klar. Warum nicht? Sie haben die Exo-Algen ja dann nicht mehr. Dank meiner Therapie!"

"Und wenn ich sie nicht loswerde - würden sie dann auch mit mir hier bleiben?"

"Käptn! Machen sie keine Witze!"

"Würde ich nie machen."

"Es ist so schön wie interessant hier auf Frankensteins Zoo - aber wir alle wollen zurück nach Hause!"

12 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: Grüne Flecken (1)

"Na das ist ja interessant!"

"Für die Flecken auf meinem Unterarm hätte ich mich wirklich nicht ausziehen müssen!"

"Ich wollte auch nur sehen wie sie mit den neuen Schuhen klarkommen."

"Sie haben interessante Hobbies. Warum das?"

"Unser 3D-Erzeuger hat die neuen Schuhe bestimmt nach ihren Körperparametern hergestellt."

"Sicher. Was denn sonst? Schließlich sollten sie mir ja passen."

"Ihre Körperparameter stammen von mir. Nach ihrem letzten Aprilscherz habe ich sie ein wenig modifiziert."

"Was?"

"Ich wollte nur mal wissen, wie sie in knallenger Kleidung aussehen, hoho!"

"Sie waren das?"

"Und? Wie trägt sich viel zu kleine Hightech-Faser? Kneift das ein wenig im Schritt?"

"Ihnen habe ich das zu verdanken? Ich dachte ich hätte so viel zugenommen! Ich bin überall wundgescheuert! Sind sie wahnsinnig?"

"Na, das kann ich mir dann ja auch gleich einmal ansehen, wo ich sie nun schon ausgezogen hier habe."

"Das zahle ich ihnen heim!"

"Ja, danke, gleichfalls. ... aha, das ist ja interessant!"

"Was? Was sehen sie da? Was ist das für ein grüner Fleck auf meinem Arm?"

"Der sieht aus wie der Baikalsee auf der Erde."

"Was?"

"Und der hier auf der Wade hat exakt die Form von Südamerika."

"Doc! Ich bin zu einer medizinischen Untersuchung hierher gekommen, nicht weil ich mit ihnen einen Rorschachtest machen wollte!"

"Aber Käptn, was haben sie denn?"

"Sie sollen feststellen, ob diese Krankheit gefährlich ist und nicht frei assoziieren! Und da sind ganz bestimmt keine Schmetterlinge abgebildet!"

"Können sie doch gar nicht wissen. Sie haben hier auf dem Rücken übrigens auch noch einen."

"Na prima!"

"Besonders groß. Den hätte ich nicht gesehen, wenn sie sich nicht ausgezogen hätten..."

"Na schön, ich gebe es zu, sie haben recht gehabt!"

"... der sieht aus wie ein Mammut im Gegenlicht."

"Doc! Machen sie jetzt gefälligst ihre Arbeit!"

"Ich bin bereits dabei. Sie sind sicher, dass das keine Tätowierungen sind? Menschen lassen sich die abseitigsten Dinge tätowieren."

"Ja! Ja-ja-ja! Was ist das? Bin ich krank?"

"Ich habe nicht die geringste Ahnung. Der hier hinten ist aber nicht nur oberflächlich, sondern geht ein wenig tiefer. Tut das weh wenn ich hier ein wenig kneife?"

"Aua! Ja! Allerdings!"

"Aha. Na gut."

"Ist das ein schlechtes Zeichen? Besondere Schmerzempfindlichkeit? Muss ich auf dieser Reise sterben?"

"Keine Ahnung. Ich habe neben dem Fleck gekniffen."

"Was?"

"Nur so. Soll ich nochmal?"

"Nein! Sind sie verrückt?!? Das hat weh getan!"

"Ich werde doch nicht in so einen Fleck kneifen - womöglich breiten sich die Erreger dann unkontrolliert aus, während sie jetzt noch scharf abgegrenzt sind. Ich wollte nur die taktile Sensibilität vom Rest testen."

"Was für ein Rest?"

"Na der restliche Zellhaufen, der unser Käptn ist."

"Na danke!"

"Nein, ganz ernst: Zusammenarbeit von Haut, Nerven, Gehirn und so, das muss doch funktionieren. Schließlich brauchen wir das vielleicht noch für die Rückreise zur Erde."

"Und was sind das für Flecken?"

"Grüne Flecken."

"Das dachte ich mir. Aber was bedeutet das?"

"Weiß ich noch nicht. Ich nehme eine Probe und muss sie untersuchen. Das wird eine Weile dauern. Sie haben doch Zeit?"


11 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: Neue Schuhe

"So, Flecken auf der Haut? Gut Käptn, dann machen sie sich mal frei."

"Dafür muss ich mich gar nicht freimachen."

"Wer ist hier der Doc, sie oder ich?"

"Aber sehen sie doch: Hier, auf dem Unterarm! Und da auf der Wade habe ich auch noch einen."

"Warum wollen sie sich eigentlich nicht ausziehen? Ich bin ihr Arzt."

"Doc! Man kann das doch ganz einfach sehen! Ich muss nur den Ärmel hochkrempeln! Warum soll ich mich da ausziehen?"

"Ich habe sie schon tausendmal nackt gesehen. Warum sollte ich jetzt nicht mehr? Ist irgendetwas vorgefallen?"

"Nein."

"Vertrauen sie mir nicht mehr?"

"Nein! Nichts!"

"Na also! Freimachen bitte!"

"Ich komme nur so schlecht aus diesen verdammten neuen Schuhen raus..."

"Ach, der Herr hat den 3D-Erzeuger mit neuen Schuhen beschäftigt?"

"Na und?"

"... anstatt mit Wissenschaft ..."

"Und wenn schon! Nur sind sie irgendwie zu klein geworden, da war irgendwas am Gerät verstellt."

"Mal abgesehen vom Energieverbrauch ... haben sie da eigentlich wieder Überschussenergie mit dem Ingenieur getauscht?"

"Ja, wieso?"

"Ich meine: Mit dem Ingenieur, der nicht mit uns redet... wie haben sie das wohl angestellt?"

"Ist doch egal!"

"Und für wen tragen sie hier überhaupt neue modische Schuhe? Hier ist niemand außer ihnen, mir und dem Ingenieur. Und den seltsamen Tieren draußen. Keinen von uns beeindrucken sie mit modischen Schuhen..."

"Ist doch egal!"

"Ich frage ja nur aus rein wissenschaftlichem Interesse..."

"Was für eine Wissenschaft soll das sein? Welche beschäftigt sich denn mit Schuhen?"

"Ethnologie?"

"Behandelt die Ethnologie nicht die Gebräuche ganzer Völker? Ich bin kein ganzes Volk."

"Physiologie? Wirtschaft?"

"Nein. Nein! Die haben mit Schuhen nicht das geringste zu tun!"

"Theologie?"

"Warum nicht gleich Sinologie! Doc, ich bin wegen meiner seltsamen Flecken hierher gekommen!"

"Aber zuerst müssen sie leider die Schuhe ausziehen."

"Doc, ein Verhandlungsvorschlag: Ich lasse die Schuhe an und nur die Hose herunter - sehen sie dann genug?"

"Sind ihnen diese Schuhe so wichtig?"

"Doc, bitte!"

"Na gut - machen sie mal."


10 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: Fleckenbildung


"Nun Käptn, was bringt sie in meine Praxis?"

"So, Doc, gestern haben sie mich nicht untersucht. Dann muss ich sie wieder in ihrer Freizeit stören."

"Das ist nicht meine Freizeit. Ich arbeite jetzt."

"Dann muss ich sie eben bei der Arbeit stören."

"Das tun sie doch sowieso immer! Immer!"

"Arbeiten sie jetzt wirklich? Oder behandeln sie sich selbst..."

"Es ist auch meine Arbeit wenn ich mich selbst behandle! Ich bin hier der Arzt!"

"... oder behandeln sie sich wieder selbst und träumen dabei von einer lebendigen Krankenschwester?"

"Also gut Käptn: Wo fehlt's denn?"

"Ich sehe draußen eine staubgraue Krankenschwester."

"Das ist keine Krankheit, die sehen sie wirklich."

"Sagen sie Doc: Wie kommt es eigentlich, dass der telepathische Schleimpilz immer nur ihre Gedanken liest und nie meine?"

"Weiß ich nicht. Wahrscheinlich sind meine Gedanken einfach interessanter."

"Oha Doc! Finden sie das nicht wirklich ein wenig übertrieben?"

"Nein. Keineswegs. Finden sie diese Überlegung nicht überaus naheliegend?"

"Ich meine etwas ganz anderes."

"So?"

"Ich meine: Nach einer Schwester mit einem solchen Körperbau wie dem da draußen müssten sie auf der Erde lange suchen."

"Käptn! Der Schleimpilz bildet nicht die Realität ab! Er stellt nur dar, was er in unserem Gehirn vorfindet!"

"In ihrem."

"Meinetwegen. Aber es ist Phantasie! Eine Wunschvorstellung! Ein Traumbild! Er weiß es nicht besser!"

"Aber sehen sie doch mal, Doc: Die kippt ja fast vorne über. Selbst unter den hiesigen Schwerkraftverhältnissen - das ist doch nicht gesund!"

"Phantasie! Einbildung! Erfindung!"

"Sollten nicht ausgerechnet sie als Arzt in der Lage sein, sich anatomisch korrekte Menschen vorzustellen?"

"Käptn! Sagen sie es einfach: Warum sind sie hier?"

"Ich habe grüne Flecken."

"Die habe ich auch."

"Nein, sie haben blaue Flecken. Weil sie immer so ungeduldig sind und gegen Gegenstände laufen."

"Gut. Also blaue Flecken. Und?"

"Zugegeben: Ich habe auch blaue Flecken. Aber ich habe auch grüne."

"Ja, sicher, bei ihnen changiert das im Verlauf der Entwicklung immer besonders interessant, sicher doch. Müssen sie selbst hier angeben wie ein Halbstarker? Wie alt sind sie eigentlich?"

"Nein! Meine grünen Flecken sehen anders aus. Richtig sattes Hellgrün, die Farbe liegt direkt an der Oberfläche der Haut, nicht in der Tiefe. Und mit Umrissen wie eine Landkarte."

"Das sind Leberflecken."

"Nein, grün!"

"Das ist, weil sie den hiesigen Salat in Unmengen verschlingen."

"Tu ich gar nicht!"

"Salatinduzierte Pigmentverschiebung durch exzessiven Vegetarismus."

"Das denken sie sich doch aus, oder?"

"Ja."

"Und was sind das wohl für Flecken die ich da habe?"

"Sage ich doch: Pigmentverschiebung - ganz harmlos. Das kommt häufig vor. Auf der Erde gab es einst diesen sowjetischen Staatschef mit der amerikanischen Landkarte auf der Stirn. Das muss man sich mal vorstellen: Das Symbol vom Erzfeind! Die hatten doch damals auch schon Schönheitschirurgen."

"Das war keine amerikanische Landkarte."

"So? Nicht? Habe ich anders in Erinnerung. Jedenfalls ein Muttermal, Leberfleck..."

"Nein, grün!"

"Nein, das war braun, oder so dunkelviolett, irgendwie schon seltsam. Aber auf der Stirn von dem Mann war ja auch so viel Platz. Hätte ich vielleicht auch gemacht. Origineller als so eine triviale Tätowierung allemal."

"Ich meine: Meine Flecken sind grün!"

"Ach? Sind sie auch tätowiert? Wusste ich gar nicht."

"Ich bin nicht tätowiert! Die Flecken sind neu! Und ich habe mich nirgends gestoßen!"

"Sie stoßen sich doch dauernd irgendwo! Ich bin ja nicht der einzige hier der sich dauernd stößt. Ich treibe ja auch keine Risikosportarten."

"Ich! Habe! Mich! Nicht! Gestoßen!"

"Sehr unwahrscheinlich. Haben sie wieder eine Gasfrucht angezündet?"

"Wollen sie es sich jetzt ansehen oder muss ich damit zum Ingenieur gehen? Ich glaube fast, dass der mir noch eher helfen kann als sie!"

"Würde ich nicht tun."

"Oh doch!"

"Der Ingenieur wird sie auf jeden Fall nähen wollen."

"Wieso das denn? Warum sollte er das tun?"

"Er näht gerne. In der Ausbildung war er ganz versessen darauf. Medizinische Nähte sind seine große Leidenschaft. Mich wollte er auch schon mal nähen. Da hatte ich eine Lungenentzündung. Aber er sagte, das müsste man nähen."

"Wann war das? Wie haben sie ihn verstanden? Damals hat er noch gesprochen?"

"Gebärdensprache."

"Das können sie? Wie sagt man denn 'Lungenentzündung' in Gebärdensprache? Ich meine: Dem Mann fehlt nichts! Der ist einfach nur eigensinnig! Der will nur nicht reden!"

"Dann sagt er ihnen eben nichts. Genäht werden sie trotzdem. Egal ob Lungenentzündung oder grüne Flecken."

"Wollen sie sich die jetzt ansehen oder nicht?"

"Na schön, zeigen sie mal her."


08 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: April! April!

Wir befinden uns in nicht allzu ferner Zukunft, auf einem Planeten, den die ersten Besucher von der Erde "Frankensteins Zoo" getauft haben. Das hat mit den Eigenheiten des Planeten zu tun, die nicht in allen Punkten den menschlichen Erwartungen entsprechen. Ein riesiger Schleimpilz liest Gedanken und formt mit seinem flexiblen Fruchtkörper zuweilen die vorgefundenen Phantasiebilder eins zu eins nach. Die ersten Besucher von der Erde sind eine dreiköpfige Raumschiffbesatzung bestehend aus dem Kapitän, dem Arzt und einem Ingenieur, der nicht spricht.

Im Zuge der ersten relativistischen Reise wird den ersten relativistischen Reisenden immer unklarer, ob dieser Planet und sein Sonnensystem nun zwölf oder hundertzwölf Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Oder irgendeine beliebige andere unüberwindliche Entfernung. Sie werden von Heimweh, Sehnsucht und einer gewissen schöpferischen Unruhe heimgesucht. Manchmal ist ihnen langweilig.


"Nun Käptn, was bringt sie in meine Sprechstunde?"

"Ich..."

"... ist immerhin das erste mal seit unserem Start von der Erde, dass sie sich an meine regulären Sprechzeiten halten..."

"Ich..."

"... sonst stören sie mich ja immer absichtlich bei der Arbeit..."

"Ich..."

"... oder sie platzen mit so dramatischen Notfällen herein, dass es auch nicht warten kann..."

"Also Doc, ich..."

"... neulich haben sie mich wegen ihrem Aprilscherz geweckt. Mitten in der Nacht. Nur um ihren dämlichen Aprilscherz an mir auszuprobieren!"

"Das tut mir leid, ich..."

"Ich bitte sie! Wir sind zehn Lichtjahre..."

"Hundertzehn!"

"... lenken sie nicht ab! Sie wissen es doch auch nicht!"

"Schon..."

"Wir sind zig Lichtjahre von der Erde entfernt, dieser Planet taumelt in einem ganz anderen Rythmus als die Erde um die hiesige Sonne und von seiner Eigenrotation wollen wir gar nicht sprechen!"

"Schon, ich..."

"Ich will damit sagen: ES GIBT HIER KEINEN ERSTEN APRIL!"

"Das ist doch noch gar nicht genau erwiesen..."

"Ich will damit sagen: Man muss schon sehr boshaft sein, um die überflüssigen, sinnleeren und nervtötenden Streiche, die man den Kollegen spielt, als Aprilscherz auszugeben. Oder als Tradition von der Erde! Oder überhaupt als irgendetwas!"

"Ich ... Doc ... ich ... inzwischen tut es mir ja auch fast leid ..."

"Tut ihnen leid, tut ihnen leid, fast, tut ihnen leid!"

"Doc, darf ich jetzt sagen was ... ich meine, ich bin ja nicht zufällig in ihre Sprechstunde gekommen..."

"Aha."

"... und ich finde ihre Sprechstunde auch eine ganz sinnvolle Einrichtung..."

"So, so!"

"... auch wenn es im Umkreis von einigen Lichtjahren nur zwei Patienten gibt, von denen zudem einer nicht spricht."

"Drei! Ich werde auch manchmal krank!"

"Behandeln sie sich selbst etwa auch während ihrer Sprechstunden?"

"Ja."

"Warum das denn?"

"Warum nicht? Ich brauche eine geregelte Zeiteinteilung. Das gibt mir Sicherheit."

"Na, da muss ich mich ja über die Wartezeiten nicht wundern."

"SIE HABEN DOCH NOCH NIE GEWARTET!"

"So? Stimmt, kann sein. Darf ich jetzt sagen, was mir fehlt? Wollen sie mich nicht fragen, was mir fehlt?"

"Nein! Die Sprechstunde ist um!"


06 April 2011

Reim dich, sonst!

Heute eine Abhandlung über die Poesie

Da ist jüngst jemand über die folgende Aneinanderreihung von Suchbegriffen auf dieses Blog gestoßen:
blaue augen reime
und dann musste er leider einen Artikel lesen, der damit nicht das geringste zu tun hat, aber von einer anderen, nur noch mittelgroßen Suchmaschine als höchst relevant vorgeschlagen wurde: Blaue Augen.

Das tut mir furchtbar leid.

Damit sowas furchtbares nicht nochmal passiert ... ja, es ist natürlich vollkommen sinnlos auf zurückliegende Anfragen bei Suchmaschinen zu antworten ... na egal ... jedenfalls: blaue-augen-reime.

Gehen wir gemeinsam ins Gebiet der Gedichtkunst,
ins Reich des köstlichen künstlichen Reims:
schlaue laugen keime
(Oberstufe, Chemiekurs, die scharfe Banknachbarin)

fraue saugen feine
(Mittelstufe, LEgastheniekusr¹, leicht pornös)

flaue trauben schleime
(Gärversuch, fehlgeschlagen)

maue laubenbeine
(Das Gebäude ist rechtzeitig vor dem Einsturz zu verlassen!)

haue tauben. weine!
(Tierschutzpoem)

Warum nur gibt jemand irgendjemand ausgerechnet "blaue augen reime" in eine Suchmaschine ein? Gibt es in dieser poesieunfreundlichen Sprache irgendeine beliebige Anhäufung von Wörtern die noch mehr Reimpotential birgt?




¹ so sehen die Postings vor dem ersten Korrekturdurchgang immer aus

05 April 2011

Japan wieder mal

Hier ging es schon eine Weile nicht mehr um Japan: Die verschiedenen ramponierten und teilweise undichten Reaktoren bei Fukushima, die Probleme mit der austretenden Radioaktivität, mit der Evakuierung der Anwohner und um all die Schwierigkeiten, die sich bei so einem GAU ergeben.

Informationen darüber erreichen uns leider nur gefiltert durch die Hände deutscher Journalisten. Das sind nicht unbedingt Leute, die von irgendetwas besondere Ahnung haben. Oft sehen sie ihren größten Ehrgeiz darin, zu schreiben, was das Publikum erwartet: Heilige Empörung beim Spiegelleser, gefälliges Infotainment bei FOCUS und Stern, Stammtischniveau bei BILD und BZ, ein guter Journalist kann sowas, das ist eine Qualifikation. Rechnen oder Sachkenntnis muss man als Journalist nicht können und haben, die stören da nur und lenken vom eigentlichen Thema ab. Beachte: Wenn in Deutschland ein Eisbär stirbt rücken die defekten AKWs in den Hintergrund.

Was man allerdings aus diesen Meldungen herauslesen kann, ist, dass sich das Management der Betreiberfirma TEPCO etwa auf derselben intellektuellen Höhe bewegt. Für sie ist nach wie vor wichtiger, bei aller traurigen Inkompetenz eine gute Figur zu machen. Seit dem Unfall, inzwischen fast drei Wochen, beweisen sie etwa einmal pro Tag, dass sie nicht einmal in der Lage sind, ein Desaster zu verwalten, wenn schon alles zu spät ist. Es gibt Messfehler, Interpretationsfehler, Kommunikationsfehler, Organisationsfehler und jeden Tag ein neues ungeheuerliches Versagen.

Derzeit geht es darum, dass man seit neuestem nicht weiß, wohin mit einer gewissen Menge verstrahlten Wassers. Bis letzte Woche lief es noch ins Meer. Jetzt möchte man es auffangen. Weil man den Platz im Kraftwerk, wo es jetzt steht, braucht, um noch verstrahlteres Wasser ... ja, was? ... zwischenzulagern?

Nach langer und gefährlicher Suche ist man auf einen Ponton verfallen, der bisher als Angelsteg in einem Hafen vor Anker lag. Nun muss man den ehemaligen Angelsteg erst noch ein paar Wochen lang zum Tank umrüsten und dann kann man ihn - vielleicht - irgendwann tatsächlich einsetzen.

Es geht um ca. 11.000m³. Die absolute Menge kann als relativ gesichert gelten. In deutschen Medien werden daraus schnell "11&bnsp;Millionen&bnsp;Liter!" Oh! Mein! Gott!

Elftausend Tonnen (Gewicht) oder Kubikmeter (Raummaß) hört sich zwar auch nach einer ganzen Menge an, aber bei weitem nicht so gruselig wie "11&bnsp;Millionen&bnsp;Liter!&bnsp;Oh!&bnsp;Mein!&bnsp;Gott!"

11.000m³ sind umgerechnet 20m x 40m x 14m, oder etwa das Volumen einer kleineren Werkhalle. Ein Gartenhäuschen im Vergleich zu den Abmessungen der Kraftwerksgebäude. Im Groß-Schiffbau sind 11.000m³ etwas weniger als gar nichts, oder etwas mehr als das durchschnittliche Küstenmotorschiff. Wir erinnern uns (deutsche Journalisten müssen jetzt nicht mitmachen): Die Verdrängung von Schiffen wird in to. gemessen, und eine Tonne Wasser entspricht ziemlich genau einem Kubikmeter. Oder 1.000 Liter. Wer sich ein wenig umhört merkt schnell, dass Schiffe von 11.000to eher nicht so zu den Riesen gehören.

Daher verwundert es sehr, dass die Katastrophenfirma TEPCO angeblich so große Schwierigkeiten hat, einen schwimmenden Behälter zum Auffangen dieses verseuchten Wassers aufzutreiben: In einem Land mit tausenden Kilometern Küste, hunderten Hafenstädten und lebenswichtigem Seehandel kann das kein großes Problem sein. Deutsche Journalisten wundern sich darüber natürlich nicht. "11 Millionen Liter! Oh! Mein! Gott! So viel!"

Auf den Weltmeeren schwimmen hunderte von Schiffen herum, die mehr als das zehnfache transportieren, einige sogar das fünfzigfache, meist geht es da um Öl. Aber so einen zu chartern würde wohl Geld kosten. Und das schöne Geld möchte TEPCO auch nach dem Desaster immer noch lieber woanders ausgeben als zum nutzlosen Auffangen von radioaktivem Wasser, mit dem man dann vielleicht doch wieder nichts anfangen kann.

Es ist keineswegs so, dass die Firma sich gezwungen sieht, mit allen Mitteln gegen die Katastrophe zu kämpfen. Sie kalkuliert immer noch mit ganz spitzem Stift. Dabei geht es hier um eine kleine Summe, sehr viel weniger Geld als den Schaden der Evakuierung der verseuchten Umgebung im Radius von 20km um das Kraftwerk. Wenn hier schon wieder gespart wird - was hat TEPCO dann wohl im großen Rahmen für Pläne? Dieses kleine Detail entgeht aber dem durchschnittlichen deutschen Journalisten, wenn er seiner Pflicht nachkommt, den mündigen Bürger zu informieren.

Stundenlang könnt ich mich aufregen!




die Sache mit den 11.000m³ stammt aus weiteren Quellen, auch wenn im Spiegel-Artikel verschiedene andere Zahlen genannt werden

03 April 2011

Reale Gegenwart

Hier ein Beitrag ohne tieferen Sinn, einfach nur um der Welt, dem Universum und dem ganzen Rest bekannt zu machen, welche Blogs der Große Bloguator™ in letzter Zeit interessant fand.

Da ist zum einen John Kenn aus Dänemark: Er hat eigentlich einen richtigen Beruf, aber zeichnet zum Ausgleich knuffige Monster auf Post-It-Zettelchen:

(warum das ganze Don-Kenn-Gallery heißt habe ich nicht herausfinden können)



Dann ist da das mdolla-blog. Dort geht es um eigentlich alles - so ähnlich wie hier auch. Es kommt Kunst drin vor, fast nur leicht verständliche Bilder und weniger Text als hier.

Als Beispiel den Post mit den traurigen aber auch schönen Bauverfehlungen:

(zur Erläuterung: Wenn da was rot umkringelt ist, haben die Bauleute meist unter der tragenden Stelle eines tragenden Bauteils etwas weggenommen, aber den Rest darüber stehen lassen. Ein Schmankerl für Ingenieure)



Dann noch zwei Blogs mit grafischen Geschichten. Zum einen Menage à Trois. Dort wird sehr charmant aus dem verworrenen Liebesleben verschiedener junger Menschen erzählt. Zum Personal gehören eine 29-jährige männliche Jungfrau, ein in Liebesdingen skrupelloser schwuler Mitbewohner, eine bisexuelle Punkgöre, eine ebenso naive wie liebreizende blonde Göttin, ein verworrenes Manga-Girl und noch andere. Unterhaltsam. Kommt trotzdem ganz ohne die Darstellung von Geschlechtsteilen im Maßstab 5:1 aus.



Und die jugendlichen Leser sehen jetzt mal kurz weg - hier wird nämlich ein Steampunk-Roboter-Porno empfohlen: Chester.

Doch, ja, es kommen Geschlechtsteile in Großaufnahme und allen Details vor, aber es gibt auch eine romantische Geschichte von Verlassensein und Verlassenwerden und allgemein echter Liebe drumherum.

Bei aller Ausführlichkeit (engl.: explicit material) ist die Sache aber genau deshalb nicht pornographisch, weil die Geschichte einen Sinn ergibt. Denn noch aus dem Deutschunterricht wissen wir ja: Pornographie und sinnvolle Geschichte schließen sich gegenseitig aus. ("Warum liegt hier überhaupt Stroh?")




Weil es sich um chronologisch ablaufende Erzählungen handelt sollte bei den beiden letzteren jeweils der Anfang der Geschichte verlinkt sein. Falls das nicht klappt muss die geneigte Leserin und der neugierige Leser jeweils selbst im Archiv nach dem Anfang suchen.

02 April 2011

Antwort ohne Frage


heute: Mongolei

1. Archäologisch: Es handelt sich um Schildkröten aus Stein

2. shar airag ist Bier. Mit Alkohol drin womöglich, und aus Hefe, Hopfen, Malz und dem ganzen Zeug, das da so reinkommt. Die Deutschen waren anscheinend nicht ganz unbeteiligt, aber die erste Brauerei wurde angeblich von der Sowjetunion gesponsort. Wo sie wohl in der Mongolei den Hopfen herkriegen?

3. Das wichtigeste Fest ist "Naadam", das Nationalfest mit geölten Ringkämpfen, Bogenschießen und Pferderennen.

4. Der mongolische Maral ist ein ziemlich großer Hirsch. Gibt noch andere Marale. Aber die sind meistens nicht so groß.

5. Den Gobi-Bär ... gibt es wirklich. Er ist sehr rar. Die Riesenohr-Springmaus ... auch. Wenn auch selten. Aber ein Einhorn-Meerschweinchen gibt es nicht. Jedenfalls ist es bisher anscheinend nicht entdeckt. Wer hätte das gedacht? Aber die Mongolei ist so groß.

6. Hatten wir bereits über den Unterschied zwischen Mogelei und Mongolei gesprochen? Wird langsam Zeit, nicht?



den Rest denkt sich die geneigte Leserin: Beispielsweise die Fragen und den Sinnzusammenhang

01 April 2011

Messezauber

...habe ich doch grade einen Text wiedergefunden, der eine lange lange Weile lang herum lag - nur weil er im falschen Ordner abgelegt war. Es spricht aber fast nichts dagegen, ihn jetzt doch zu verwenden. Und los...


Der Große Bloguator™ war seit Jahrzehnten nicht mehr im katholischen Gottesdienst. Seit dreieinhalb, um genau zu sein. Jahrzehnten. Neulich, an einem nebligen Sonntag in Tschechien, ergab sich wieder einmal die Gelegenheit.

Verschüttete Erinnerungen tauchten wieder auf. Was der Autor an den Katholen immer zu bemäkeln hatte, war die Länge der Shows. Und dass man andauernd mitmachen musste: Aufstehen - hinsetzen - aufstehen - hinsetzen - hinknien - aufstehen - hinknien - aufstehen - stehen. Mitsingen. Laut mitsprechen. Hallelujah!

Der Große Bloguator hingegen ist guter Protestant: Zahlt seine Kirchensteuer und erwartet, dass sie einen dafür in Ruhe lassen. Das funktioniert so weit leidlich gut, die protestantische Zentralorganisation sieht die Sache wohl ganz ähnlich.

Aber man bekommt was geboten bei den Katholen: Musik, Gesang, allein das Bühnenbild ist schon viel besser als in so einem trockenen evangelischen Zweckbau. Zur Beeindruckung des Publikums wurde ja die vergoldete Barockkirche erfunden, und früher schon die Weihrauchkanonen und der Oblatenwerfer (courtesy by Boris Vian). Die katholische Show spricht alle Sinne an, um den Glaubensjunkie in Abhängigkeit zu halten... nein, das ist gemeiner Sarkasmus, sagen wir neutral: ... um den Glauben zu festigen.

Es gibt was für die Augen: Gold, Silber, Bilder, imposanten Raum. Es gibt was für die Ohren: Musik, Gesang. Ein wenig Tanz fehlt leider. Für den groben Tastsinn das Knien. Für die Nase den Weihrauch. Und für den Geschmack ein Stückchen Leib Christi und einen Schluck Wein.

Es gibt sogar noch extra was fürs Gefühl: Ordnung, Gleichklang, Gemeinschaft.

In der kleinen tschechischen Kirche hatten sie eine tolle Orgel, einen Chor auf der Empore und das Pulikum konnte die Liedertexte auswendig. Wir ja nicht, war ja in Tschechisch. Und die Kirche stammt zwar nicht aus dem originalen Barock, war aber dennoch aufwendig ornamentiert. Schick! Leider machte die fehlende Heizung die Angelegenheit zu einem zweifelhaften Vergnügen, drin herrschten dieselben Temperaturen wie draußen, ca. minus 3°.

Dem Autor blieb der Inhalt der ziemlich länglichen Predigt leider völllig verborgen, sie war ja in Tschechisch. Die Predigt schien beim einheimischen Publikum auf Zustimmung zu treffen. Trotzdem nur wenig Applaus. Aber insgesamt bekommt man einiges geboten fürs Geld - da darf man bei der anschließenden Kollekte nicht kleinlich sein.



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