27 November 2007

Yardstick

 
Kommen wir doch wieder mal zu einem Segelthema: Yardstick.

Sowas kennen nicht nur Segler, es handelt sich um ein Handicap-System für Boote. Auf Berliner Gewässern gerade im Kajütboot-Bereich sehr verbreitet.

Der gemeine Leser denkt jetzt vielleicht, nur weil hier Boote erwähnt werden, handelte es sich um einen Wettbewerb im Segeln. Aber das täuscht. Bei genauer Betrachtung handelt es sich um einen Wettbewerb im Bootekaufen.

Es geht darum, dass zwar viele Menschen bei Regatten teilnehmen möchten, aber natürlich nur, wenn sie auch ganz bestimmt gewinnen. Deshalb sind sie aber noch lange nicht bereit, auch ein vergleichbares Boot zu erwerben. Man will im Rallye-Wagen bei Formel-1-Rennen mitmachen und erwartet selbstverständlich ein gerechtes Ergebnis.

Um dieses sicherzustellen und nicht vergleichbare Boote zu vergleichen, wurde als einfachstes System der Yardstick-Faktor erfunden.

Man könnte umgekehrt argumentieren: Um die Eigner der bereits vorhandenen Boote zur Regattateilnahme zu motivieren... aber die benutzen die vorhandenen Boote zu nichts anderem als zum Regattasegeln nach Yardstick und der Yardstickfaktor spielt beim Kauf keine geringe Rolle. Demnach könnten sie sich auch einfach einer schönen Bootsklasse anschließen. Leider entfällt dann der Vorteil des besseren Faktors. Und die Möglichkeit zur sinnlosen Diskussion.

Irgendjemand legt das Handicap fest, eine Kommission aus mehreren Personen. Es basiert auf den technischen Eigenschaften des Bootes - Länge, Breite, Segelfläche, Gewicht - und auf den Ergebnissen, die damit erzielt werden. Handelt sich also um einen Erfahrungswert. Wenn auf mehreren gleichen Booten gute Segler sitzen, dann werden diese Boote öfter gute Ergebnisse erzielen. Also erhält dieser Bootstyp einen ungünstigeren Wert als einer, wo meist unerfahrene Leute drauf sitzen.

Will ich also sehr gute Ergebnisse sicherstellen, darf ich mir keinesfalls ein schnelleres Boot kaufen! Statt dessen muss ich mir ein Boot zulegen, das notorisch von noch schlechteren Seglern als ich selbst bewegt wird. Sowas lässt sich finden.

Wenn das nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, kann ich Taktik 2 anwenden: Ich erwerbe für viel Geld einen sehr exotischen Bootstyp. So neu und exotisch, dass es noch keine Erfahrung damit gibt. Dann kämpfe ich wie ein Löwe darum, einen "gerechten" Handicap-Faktor zu bekommen. Mit diesem fahre ich ein Jahr herum, und wenn ich alles gewonnen habe, behaupte ich folgerichtig, das ich eben der beste Segler bin.

Die Konkurrenten sehen das naturgemäß anders. Wegen ihrer neidischen Intervention wird das Handicap jetzt abgewertet - umgangssprachlich: Angepasst - natürlich nicht zu stark. Die zuständige Kommission kann nämlich nicht zugeben, wie sehr sie sich hat über den Tisch ziehen lassen.

Im nächsten Jahr gewinne ich immer noch viele Regatten, aber nicht mehr alle. Es kommt zu einer erneuten Anpassung. Damit ist der Vorteil des Bootes dahin. Jetzt muss ich mich nach einem neuen exotischen Boot umsehen. Das ist nicht schwer, da es ja hunderte von Typen gibt, da wird schon bald wieder einer für mich dabei sein.

Falls alles das nicht ausreicht kann ich immer auf Variante C zurückgreifen: Das nachträgliche Gewinnen von Wettkämpfen am Tresen: "Wenn wir das anders gemacht hätten, und uns die anderen nicht so behindert hätten, und wenn anderes Wetter gewesen wäre, und wenn der Kurs anders gelegen hätte, dann hätten wir selbstverständlich gewonnen!"

Oder die Erörterung, warum ich heute geradezu naturgesetzlich gar nicht gewinnen KONNTE: "Ja bei DEM Wind geht das halt nicht mit so einem Boot, da werden halt die anderen einfach bevorzugt!"

Nun ja. Aber alles besser, als mit vergleichbaren Geräten gegeneinander anzutreten.
 

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