26 Dezember 2007

Im Kühlschrank brennt noch Licht

 
Seit jüngster Zeit haben Kühlschränke nicht mehr nur innen Licht. Sie verfügen auch über einen Bildschirm auf der Vorderseite. Und einige haben sogar USB-Anschluss. Wofür auch immer. Aber genau das ist das Problem: Wofür nur?

"Scha-hatz, wo hast du denn die MP3 von neulich?"
"Hab ich im Kühlschrank."
"Was? Glaubst du, da drin bleiben sie länger frisch?"
"Nein, die Festplatte war voll, und der Kühlschrank hat doch USB."
"Aber du weißt doch gar nicht, was der Kühlschrank macht, wenn du da MP3 reinfüllst?"
"So aus dem Bauch raus würde ich vermuten, bei Madonna wird die Milch sauer. Aber wir hören ja kein Madonna, was Liebling?"
"Genau, Schatz."

Wer weiß, was Punkrock mit unserem Joghurt macht. Naja, sauer kann der immerhin nicht mehr werden. Vielleicht taugt das für Schlagsahne.

Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, mit einer Kühlschranktür fernzusehen. Ich erwarte schließlich auch nicht, dass der MP3-Player Eier kocht. Aber unser alter Kühlschrank ging kaputt, meine Frau ist total technikversessen, und jetzt haben wir eben so ein Teil.

Wir haben auch ein Auto, das in einem bestimmten Rhythmus hupt, wenn man dreimal in die Hände klatscht. Wir vergessen nämlich immer, wo wir die Karre abgestellt haben.

"Außenverstellbare Innenspiegel!" Kleiner Scherz unter uns. Wir hatten schon mal Ärger, als wir unseren Wagen vor einem Tanzlokal abgestellt haben und da immer wieder beschwingt klatschende Leute raus kamen. Das Auto antwortete denen natürlich genauso wie uns. Die ganze Nacht lang. Bewohntes Gebiet.

Wir waren in dieser Nacht anderweitig unterwegs. Am Morgen hatte jemand mit einer Gehwegplatte die Scheibe zerschmettert und wüste Drohungen in den Lack der Motorhaube gekratzt. Etwas später muss der Wagen abgeschleppt worden sein. Kostete eine Stange Geld und brachte uns auch Ärger, weil so was nämlich nicht so ganz erlaubt ist. Demnächst müssen wir damit außerplanmäßig beim TÜV vorfahren. Aber das war nichts gegen die Sache mit dem Kühlschrank.

Also, für irgendwas wird der Bildschirm am Kühlschrank schon gut sein. Und der USB-Anschluss. Wenn da drin eine Kamera wäre, könnte man auf dem Bildschirm kontrollieren, ob das Licht drinnen aus ist. Oder man könnte auf den Filmfesten der Welt ungeschnittene 18-stündige Kühlschrankfilme vorführen. Und man könnte solche Filme sogar am Kühlschrankbildschirm schneiden!

Könnte. Nur hat das Schicksal anscheinend anderes mit uns vor. Bei meinem Glück werde ich kein weltberühmter Kühlschrankregisseur. In diesem Leben nicht mehr.

Es begann damit, dass uns unverlangt eine Waschmaschine zugestellt wurde. Dabei ist unsere alte noch sehr gut.

"Was soll ich damit? Hab ich nicht bestellt."
"Doch. Hier steht, dass ja. Ihr Name. Ihre Adresse. Ihre Kontonummer."
"Bezahl ich nicht!"
Und der Bote kühl: "Geld ist bereits abgebucht..."
"Was? Wer hat das unterschrieben?"
"Kam übers Internet. Braucht keine Unterschrift. Man muss zwei mal OK drücken. Aber hier steht: i. V.: T. Fritsch."

Ich kenne keinen T. Fritsch. Anfangs glaubte ich an einen dummen Scherz. War es irgendwie allerdings auch. In den nächsten Wochen wurden alle möglichen Sachen geliefert, die wir nicht bestellt hatten, exotisches Obst, Katzenstreu, aber immer gleich Riesen-Gebinde. 5 Espresso-Automaten, ein Karton Analduschen, 100 Kilo Verbandszeug. Wir konnten uns das nicht erklären. Nicht mal unser pubertierender Sohn würde so bescheuert sein.

Ich verbrachte ganze Tage damit, das nicht bestellte Zeug wieder zurückzuschicken. Das war nicht immer ganz einfach, weil einige Kaufleute auf einem einmal getätigten Geschäft bestehen - auch wenn man das Geschäft gar nicht getätigt hat und sie nichts als einen selbstgemachten Computerausdruck als Beweis haben.

Mit den Kaufleuten war es dabei fast noch einfacher als mit den Lieferanten:

"Sind sie verrückt? Ich bin Privatmann - ich bestelle doch keine 4.000Liter Benzin!"
"Ditt is mir so watt von schnuppe…"
"Sehen sie hier irgendwo meine Tankstelle? Verschwinden sie!"
"Meesta, wenn sie mein Lieferschein nich unterschreiben, lass ick ihnen den Sprit in'n Keller loofen."
"Wagen sie es nicht!"
"Wenn se meene Lieferung hier bitte unterschreiben würden, nehm ick'n wieder mit, ihren Sprit."

Das war völlig abseitige Logik, aber anders wurde ich den Kerl nicht wieder los. Ich fügte mich an diesem Tag in mein Schicksal. Da passierte etwas vollkommen absurdes - und ich unterschrieb.

Durch einen Zufall fanden wir heraus, dass es unser Kühlschrank war, der all die unsinnigen Bestellungen veranlasst hatte. Vielleicht war ihm langweilig, immer so den ganzen Tag in der Küche herumstehen und Kalt machen. Oder er wollte uns eine Kostprobe seiner Allmacht geben, er spricht seit neuestem auch Englisch: "The Immortal Works of the Allmighty Kühlschrank!" Er muss wohl einige Wrestling-Filme gesehen haben, irgendwann unterschrieb er die Bestellungen mit "THE FRIDGE!". Am Telefon in einem deutschen Call-Center kann da schon leicht "T. Fritsch" draus werden.

Ich weiß nicht, ob unser Kühlschrank von Hause aus, also: bereits ab Werk, hochbegabt war. Wahrscheinlicher ist eigentlich, dass sich jemand eingehackt und dem Gerät diese unheimlichen Fähigkeiten eingeschleust hat. Durch MP3 und USB beispielsweise, und es waren wohl auch ein paar persönliche Schriftstücke unter den Dateien meiner Frau, so dass er nicht lange nach der Lieferadresse suchen musste. Aber: Wer würde sich schon in einen Kühlschrank hacken? Außer einem völlig durchgeknallten und boshaften Computergenie vielleicht.

Und vor allem: WA-RUM zur Hölle hat so ein überqualifiziertes Gerät keine eigene Firewall?!?

Wir konnten uns erst nicht erklären, wie der Kühlschrank überhaupt kommuniziert. Viel später dann erfuhren wir: Irgendein Informatik-Legastheniker im Haus hatte sich sein privates Netzwerk über das häusliche Stromnetz gelötet, war aber zu blöd, seinen Rechner nach draußen abzudichten. "Och, so wertvoll is das nich, was ich da drauf habe. Hab alles gebackuppt." Dieser Raubkopie-Kamikaze mit all seinen gekrackten Programmen und gesaugten Filmen, und wir müssen drunter leiden!

Einen vollen Kühlschrank schaltet man außerdem nicht einfach ab. Wir hatten dann doch etwas von dem gelieferten Fleisch und den Shrimps behalten. Und zugegeben: Den köstlichen Hummer hätten wir ohne ihn nie gekauft. Sollte das alles jetzt schlecht werden? Die Sache mit dem Netzwerk wussten wir noch nicht und dachten, wir hätten noch ein paar Tage Zeit. Dachten wir...

Zuletzt wurde unser Haus von einer bis an die Zähne bewaffneten Antiterror-Einheit besucht und vom Keller bis zum Dach gründlich gefilzt. Ich hatte große Mühe, ihnen zu beweisen, dass nicht ich es war, der die Einkaufsliste verschlüsselt und an Al-Kaida geschickt hat. Nach zwei Tagen haben sie es geglaubt.

Die Leute von Al-Kaida waren sicher ebenso überrascht wie unsere Terrorjäger, als sie nach dem Entschlüsseln mit einem wirklich komplizierten Schlüssel eine Aufzählung gewöhnlicher Lebensmittel vor sich hatten. Womöglich rätseln sie in ihren abgelegenen Verstecken noch heute, was ihr oberster Guru Bin-Laden mit dem Codewort "Katzenfutter" gemeint haben könnte. Und ganz sicher würde er sie ja nicht "Bier kaufen" geschickt haben.

Ich hätte das Angebot annehmen sollen, als mir der Geheimdienst ein paar Hunderter für unseren Kühlschrank geben wollte. Aber ICH musste es ja wieder besser wissen. Außerdem wollte ich keinen Ärger mit meiner Frau. Die Jungs von der Schlapphutgesellschaft meinten noch "Dieses hilfreiche Gerät würden wir zur Täuschung des Gegners gut brauchen können." Aber ich hatte ihnen den Überfall und das zweitägige Verhör immer noch nicht verziehen und sagte nur völlig cool: "Kauft euch eins - ich kann euch zeigen, wo der Laden ist."

Darauf meinten sie, dass ich das nicht so persönlich nehmen sollte und zogen pikiert ab. Ich Idiot! Ich hätte ein paar Hunderter bekommen und sie hätten das heimtückische Teil auch noch mitgenommen! Andererseits denke ich: Die Überwachung wird immer schlimmer und diese Amateure sind nicht in der Lage, den Hacker zu finden, der uns das alles eingebrockt hat. Aber unser Haus besetzen - das können sie!

Beleidigt, wie sie nun schon waren, nahmen sie mir aber alle schwarz gebrannten CDs weg. Auch die mit der teuren Software drauf - womit soll ich jetzt arbeiten? Zum Ausgleich dafür habe ich hier aber immer noch den hinterhältigen Kühlschrank, mit ein paar unheimlichen MP3s drin.

Ich musste den Kühlschrank ja sowieso abstoßen, bevor er uns in den Ruin stürzt. Das Interesse unseres Kühlschranks an debilen Wrestling-Reportagen brachte mich auf eine Idee. Ich kenne einen, der einen kennt, der wieder einen kennt. Ich bin nicht stolz drauf, wirklich. Kurz und gut: Ich habe ihn an die hiesige Parteizentrale der NPD verkauft. Nicht ohne zu erwähnen, dass der USB-Ausgang eine fruchtbare Verbindung zum nächsten Computer aufbauen kann.

Gegenüber von ihrem Führerhauptquartier gibt es witzigerweise eine Webcam der Antifaschisten, die den Eingang aufnimmt und die Freunde der Partei "just in time" ins Internet einspeist. Jetzt kann ich von meinem Arbeitsplatz aus verfolgen, wie den Nazis täglich neue sinnlose Dinge geliefert werden. Bin mal gespannt, wie lange sie brauchen, bis sie den Urheber finden. Der Verfassungsschutz wird ihnen diesmal wohl nicht helfen, der will ja nicht schon wieder mit seinen Kenntnissen auffliegen. Vermutlich verscherzen sie es sich jetzt auch langsam mit ihren eigenen Freunden - "Dieses versoffene Volk kann diesen Unfug einfach nicht lassen!"

Seit ich wusste, wer den Kühlschrank kauft, hat er noch ein paar neue Fähigkeiten. Ich habe ihm beigebracht, wie man eine Service-Nummer wählt und sich geduldig durcharbeitet:

"Wenn sie eine fondsgestützte Risikokapital-Rentenversicherung abschließen wollen, drücken sie die 1. Wenn sie sich noch ein weiteres unserer günstigen Finanz-Produkte sichern wollen, drücken sie die 2. Wenn sie einen Besuch der Zeugen Jehova vereinbaren wollen, drücken sie eine beliebige Taste. Wenn sie Kontakt mit der dianetisch-scientologischen Kirche Ron L. Hubbards aufnehmen wollen, drücken sie eine beliebige andere Taste. Wenn sie nicht wissen, was eine Taste ist, überrascht uns das nicht. Lassen sie ihren Kühlschrank diese aufregende und gefährliche Tätigkeit für sie erledigen."

Ich bin gespannt, wie grausam die Nazis den Kühlschrank bestrafen - falls sie ihm jemals drauf kommen.

4 Kommentare:

mq hat gesagt…

Der Kühlschrank wird sich hoffentlich mittels Schockgefrierprogramm zu wehren wissen.

frech'n'nett hat gesagt…

...und der integrierte Eiswürfelbereiter kann im Verteidigungsfall scharf schießen.

Diese Vorrichtung verliert allerdings seine Tauglichkeit, wenn der Kühlschrank vorher versehentlich mit Barry White mp3-Dateien gefüttert wurde, denn dann gibt es statt eiskalter Munition nur lauwarme Wasserpfützen.

100 Goldfischli hat gesagt…

"Ja, hallo? Hier Goldfisch. Mein Kühlschrank ist seit neuestem inkontinent."

"Wat fürn Modell hamsen da jekooft?"

"Welches Modell? Na, das ganz tolle, das mit dem Bildschirm und dem USB... aber gestern habe ich Barry White dort reingeladen und jetzt ist da immer so eine komische Pfütze um die Füße - fast wie inkotinent."

"Och wissense, bei Barry White, da werd ick ooch inkontinent."

Anonym hat gesagt…

Das erinnert mich an diesen schlechten alten Witz:

"Wo geht abends das Licht hin?"
"Guck mal in den Kühlschrank!"

Ich sagte ja, er sei schlecht.

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