09 April 2010

Am Schlesischen Tor

Kreuzberg verändert sich. Nein, ich meine nicht solche Sachen wie die Namensgebung "Späti am Schlesi" für den Spätkauf am Schlesischen Tor. Auf so blöde Ideen sind die Leute schon immer gekommen, auch in Kreuzberg selbstverständlich. Ich meine auch nicht die Schwaben, die im Stadtbild langsam nicht mehr auffallen, sei es, weil sie sich jetzt doch abgewöhnt haben, jedem im breitesten Schwäbisch ungefragt ihr begrenztes Weltbild zu erläutern, sei es, weil sie nach Prenzl'berg oder ins Umland gezogen sind.

Nein, in Kreuzberg wird seit einiger Zeit auf der Straße ostentativ Bierflasche getragen, offen, selbstverständlich, man soll ja immer viel trinken, und seit den Rauchverboten wird geraucht, was das Zeug hält. Durch solche kindischen Maßnahmen konnte früher gerade noch der Oberschüler aus dem Vorort seine Unabhängigkeit beweisen - inzwischen gehört das auf der Schlesischen Straße zum Stadtbild. Aber gleichzeitig bleiben ganze Gruppen im Studentenalter vor einer roten Fußgängerampel stehen. Auch wenn weit und breit nix kommt. Hallo?!? ¹

Es kann natürlich immer noch passieren, dass einem einer der Altpunks oder aus der verschlafenen Provinz vors Fahrrad stolpert, weil er von der neuen Unabhängigkeit noch nichts gehört hat und dem alten Ritus huldigt. Nicht ganz zu Unrecht wird von diesen nach wie vor freie Fahrt für Fußgänger gefordert und konsequent praktiziert. Aber diese Sorte stirbt anscheinend allmählich aus.

Jetzt warte ich darauf, dass mich ein Zwanzigjähriger mit Lederjacke und Bierflasche in der Hand barsch zurechtweist: "Ey, da ist rot!" wenn ich meinen Pflichten als mündiger Bürger nachkomme.






¹ der Vergleich der roten Ampel mit Gesslers Hut erscheint mir an dieser Stelle durchaus angebracht

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