29 September 2011

Das finnische Sprichwort

Vor einiger Zeit wurden hier albanische Sprichwörter behandelt. "Behandelt" in dem Sinne, in dem hier alles behandelt wird: Zitiert, variiert und kommentiert meist in demselben Satz. Laut Blogstatistik ist der Eintrag ein großer Klassiker, fast schon ein Hit in diesem Blog: Es kommen doch fast jeden Monat ein, zwei Leute und suchen nach albanischen Sprichwörtern.

Bei der Suche nach Weisheiten anderer randständiger Nationen trifft man schnell auf Finnland und seine Bewohner. Ihr Schatz an Spruchweisheit ist noch umfangreicher - und erscheint fast noch ... hm ... zutreffender ... als die albanischen schon. Das liegt wahrscheinlich an der Randlage und der wechselvollen Geschichte, die sich daraus ergibt. Nun: Wie finnisch denn das?

"Alter gibt nicht Verstand, es macht nur langsam gehen."
Da wünscht man sich, das würde einmal jemand all den vermeintlichen Alt-Vordenkern sagen, dem halsstarrigen unverbesserlich ketterauchenden sogenannten Altkanzler mit den unerschütterlichen, aber unbrauchbaren Prinzipien und allen anderen: Alter macht nicht zwangsläufig klug - sondern in erster Linie alt.

"Auch der alte Pfahl hofft bei Frühlings Wiederkehr, dass er grünen werde."
Ach ja, Frühling, Pfahl und so...

"Borgst du dir Spreu von einem Reichen, musst du ihm Weizen zurückgeben."
Und die Bank verlangt 15 Prozent Überziehungszins. Man wünscht sich, dass es auch bei uns mit Weizen getan wäre.

"Das Kind bringt das Brot mit."
Die Sprichwörter der randständigen Völker lassen naturgemäß auch viel Spielraum zur Interpretation.

"Der Faule zählt seine Werke."
Der finnische Volksmund beobachtet richtig, aber neigt zur sprachökonomischen Verkürzung: Handelt sich doch um eine Technik zur Selbstmotivation, wenn jemand seine Werke zählt. Der Unbedarfte kann das mit Faulheit verwechseln. Der sprachfaule Finne vollendet den Satz in Gedanken: "... und der Fleißige auch."

"Der Kessel ist gut auf dem Feuer, auch wenn er nur Wasser kocht, die Hausfrau ist gut im Haus, auch wenn sie untätig sitzt."
Meine Rede!

"Der Name macht den Mann nicht schlechter, wenn der Mann den Namen nicht schlimmer macht."
In einer gewaltigen exegetischen Anstrengung kann man in etwa herauslesen: Namen sind überbewertet.

"Der schlechte Pfarrer predigt über sich selbst."
Wie bereits gezeigt, neigt das finnische Sprichwort zur Verkürzung, der Benutzer muss mitdenken. Hier ergänzt er selbsttätig: "Aber um ein guter Pfarrer zu sein genügt es nicht, über andere zu predigen."

"Die Mühlen gehen mit, die Frauen sogar gegen den Strom."
Da muss elektrischer Strom gemeint sein.

"'Die sind eh zu sauer' sagte der Fuchs, über die Vogelbeeren, an die er nicht heran kam."
Sprichwörter sind regionalspezifisch, daher werden sie nicht überall verstanden. In anderen Ländern sehnt sich der Fuchs nach Trauben oder einer Gans.

"Guter Rat ist wie Schnee, je leiser er fällt, desto länger bleibt er liegen."
Dieses Sprichwort versteht nur der Finne, da man in den gemäßigten Breiten keinen laut fallenden Schnee antrifft.

"Gott schuf zwar die Zeit, aber von Eile hat er nichts gesagt."
Stimmt. Gott hat gar nichts gesagt.

"Hilf dem Manne bergauf, nicht bergab."
... aber hilf ihm.

"Lassen wir doch in die Stube schneien, gehen wir nur unter das Bett!"
Das finnische Sprichwort ist nicht so moralsauer wie das deutsche. Es liefert praktisch anwendbare Ratschläge zum Umgang mit dem Leben.

"Lieber magere Eintracht als dicker Streit."
So klingt nordische Ironie. Niemand sollte das Volk der Finnen als konfliktscheues Pack fehleinschätzen.

"Man ist nicht zu betrunken, solange man auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten."
Ich werde das auf meine Visitenkarten drucken.

"Man soll nicht mit einer Kelle fordern, wenn mit einem Löffel gegeben wurde."
In der Tat: Man soll nicht. Aber es wird dennoch getan.

"Mit dem Netz der Feigheit werden nie gefischt des Glückes Störe."
Zum Störfang fehlt dem Großen Bloguator leider wirklich jeder Bezug. Leider.

"Nur ein bisschen schwanger, sagte die Magd."
Man wünscht sich, es gäbe solche Mägde auch bei uns.

"Spielerisch wie ein Witwenhintern."
Eine finnische Fußballweisheit.

"Wenn die Ehe ganz ohne Streit geht, ist der Mann taub und die Frau blind."
Das finnische Sprichwort will sagen: Ein wenig Stumpfheit kann das Leben sehr erleichtern.

"Wenn man durch Zweifel läuft, ist der Weg zum Himmel lang."
Die versammelte finnische Lebensweisheit unterschlägt hier, dass der Weg zum Himmel immer lang ist.

"Wenn du glücklich bist, behalt es für dich."
Man muss es ihnen nachsehen: Es ist die subpolare Kälte, die den Egoismus befördert.

"Wer alles gleich erledigt, hat mehr freie Zeit."
Fremdsprachige Sprichwörter sind mit Vorsicht zu genießen. Hier ist bei der Übersetzung die Kausalkette durcheinander gekommen. Richtig muss es heißen: Wer viel freie Zeit hat, kann alles sofort erledigen.

"Wer vor dem Wolf flieht, dem begegnet der Bär."
Es lebt sich gefährlich in den finnischen Wäldern.

"Zu lange Freude endet mit Tränen."
Und zu lange Blogeinträge sind oft auch nicht so gut.



Anm.: Kurz nach Erscheinen dieses Blogeintrages wurde der zugehörige Wikipedia-Artikel offenbar endgültig ersatzlos gelöscht.

Keine Kommentare:

kostenloser Counter