22 Dezember 2012

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft

Diesmal wieder: Kommunikation


"Ähm, Doc, was machen sie eigentlich, wenn sie jeden Abend in ihrem Zimmer vor dem Spiegel grimassieren und sich verrenken?"

"Das wissen sie?"


"Ja."


"Habe ich versehentlich die Tür offen gelassen?"


"Die Kamera in ihrem Zimmer..."


"Ich dachte, die hätte ich zugehängt?"


"Die andere Kamera."


"Die andere?"


"Sie wissen schon, die Sicherheitsvorschriften für Raumfahrer. Und irgendwann sehe auch ich einmal versehentlich im Kontrollraum auf ihren Monitor, selbst wenn ich es vermeiden will. Die letzten Tage fiel mein Blick auf ein merkwürdiges Schauspiel."


"Aha."


"Doc, wir sind doch hier unter uns: Was treiben sie da? Versuchen sie, ihren Namen zu tanzen, aber in Keilschrift?"


"Richtig: Ich kommuniziere!"


"Wir alle kommunizieren ständig. Wollen sie auf das telepathische Niveau von unserem hirnlosen Schleimpilz kommen?"


"Das würde ich mir niemals anmaßen!"


"Was denn dann?"


"Ich kommuniziere."


"Sie erwähnten es bereits."


"Ich meine: Ich übe Kommunikation für unsere Rückkehr auf die Erde."


"Doc, entgegen allen früheren Annahmen sind auf der Erde seit unserer Abreise nicht tausend Jahre vergangen, sondern genauso zwölf Monate wie für uns. Plusminus ein paar Sekunden. Man kommuniziert dort nicht mehr wie in der Steinzeit. Aber auch nicht wie die uralte lebensmüde Zivilisation aus dem Buch von neulich. Man spricht dort immer noch einfach miteinander, in herkömmlicher Form, man nennt es Text."


"Käptn, Kommunikation ist doch viel mehr."


"Sicher: Ihre Spammails und der Trojaner den sie eingeladen haben."


"Nein! Wenn ich kommuniziere, dann auf allen Kanälen, nicht einfach nur Wörter und Sprache. Ich sehe und höre nicht nur Text, ich nehme Modulation wahr, laut und leise, barsch und weich, ich..."


"Ähm, Doc, wegen der Verrenkungen vor dem Spiegel...?"


"Ich übe also Kommunikation. Wenn wir zur Erde zurückgekehrt sind, dann werde ich zwei Jahre in Gesellschaft eines verstockten Ingenieurs und eines anarchischen Navigators verbracht haben. Dann bin ich zur normalen Kontaktaufnahme mit einer Frau mit Sicherheit nicht mehr fähig!"


"Sind sie doch jetzt auch nicht."


"Ja, danke für diesen belebenden Hinweis! Aber ich kommuniziere doch mit allen Sinnen und über alle Kanäle, und ich möchte als humorvoller Wissenschaftler erkannt werden. Ich arbeite mit der Mimik, wie im Stummfilm, und gestikuliere auch so. Natürlich ironisch."


"Sie meinen: Caligari, Das Kabinett des Doktor?"


"Meinetwegen auch Caligari. Aber erkennbar ironisch!"


"Na sicher doch."

"Ich nehme ja auch die viele anderen Kanäle der Menschen wahr, ich schätze den Geruch der meisten, wenn sie frisch geduscht sind..."


"Woher sollten sie den kennen?"


"Ich bin Arzt, Käptn, da erlebt man so manches."


"Ach so, richtig."


"Ich sehe die angegriffene Haut, sehe die Unruhe in den Augen, ich höre an ihrer Stimme, wenn sie gestresst sind, oder glücklich. Das alles muss ich wieder lernen, bis ich zurück bin."


"Mit Verrenkungen vor dem Spiegel?"


"Naja, so ähnlich, mein Konzept ist noch nicht perfekt. Und in unserem Handbuch steht darüber nichts. Daran hat wohl vor der Abreise niemand gedacht."


"Interessant, ein selbstgestricktes Wiedereingliederungsprogramm für einsame Raumfahrer."

"Genau! Warum nicht?"

"Hm, Doc, Mimik und Gestik wie im Stummfilm?"


"Ja, genau."


"Schön, kommen sie mal ans Fenster, da können sie viel lernen."


"Was gibts denn da draußen?"


"Ich glaube, unser Schleimpilz spielt Nosferatu."



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