15 Dezember 2013

Potsdamer Platz 2013

siehe auch hier

Der Potsdamer Platz ist ein eindrucksvolles Monument von Gernegroß. Eine vermurkste zugige Kreuzung mit einem zusammengewürfelten Haufen etwas höherer Gebäude und ambitioniertem Bahnhofsprotz, sowie einer besonders billigen Imitation des Walk of Fame in Los Angeles.

Nach dem Mauerfall lag hier eine freie Fläche. Deshalb durfte jeder Großversager aus der weiteren Umgebung beweisen, wie sehr er will und nicht kann: Stadtregierung, Architekten, Stadtplaner, Behörden, Investoren.

Nichts konnte groß genug aufgeblasen werden, nach den Worten des damaligen Bürgermeisters sollte Berlin so sein wie London, Paris oder New York. Pffft! Warum denn nicht wie, na, sagen wir mal, Berlin?

Der Potsdamer Platz wurde ausdauernd als Die größte Baustelle der Welt, Europas oder der Nachkriegszeit bezeichnet. Bei Lichte besehen war es vielleicht die größte Baustelle Berlins in der Nachkriegszeit, aber mehr wohl nicht. In China wurden in derselben Zeit ganze Millionenstädte aus dem Boden gestampft, in den Emiraten begann gerade der ebenso unsinnige Bauboom, aber erreichte eben ganz andere Dimensionen. Größte Baustelle also.

Heute gibt es dort ein 20-stöckiges Bürohaus mit Klinkerfassade. Warum denn nicht gleich Fachwerk und Reetdach? Das hätte bei 20 Etagen genauso viel Sinn gemacht. Die Klinker begannen zwei Jahre nach der Fertigstellung wieder abzufallen, so dass dort fünf oder sieben Jahre lang ein Gerüst zum Schutz der Passanten den Gehweg blockierte.

Es gibt dort das peinliche Zeltdach des Sony-Centers, bei dem man vergessen hat, die Seiten abzudichten. Nun ist es in dem Hof dermaßen windig, dass sich der Innenhof im Frühjahr und Herbst noch kälter anfühlt als draußen. Nun gut, die ansässigen Lokale machen auch gerne kurz nach acht zu.

Es gibt die monströsen Eingangsüberdachungen zu einem unbedeutenden unterirdischen Regionalbahnhof. Die Dächer haben annähernd Speersche Ausmaße, aber wer von der unterirdischen S- in die U-Bahn umsteigen will, muss dafür ganz oben auf der Kreuzung herumirren, weil es für eine sinnvolle direkte Verbindung nicht gereicht hat. Die Dächer sind seitlich ebenfalls offen. So machen sie immerhin Schatten und verhindern, dass gelegentlicher Starkregen gleich bis ins vierte Untergeschoss läuft und dem durchfahrenden ICE die Stromschiene umschmeichelt.

Und es gibt das potemkinsche Dorf. Nirgends in Berlin würde es besser hinpassen als an diesen Platz. Aus irgendeinem Grund ist es bis heute nicht gelungen, alle dieser teuersten Grundstücke Berlins zu bebauen. So gefragt ist die Lage. An der Nordseite des Platzes waren bis vor kurzem zwei Grundstücke unbebaut, und jetzt immer noch eins. Damit das Versagen aller Beteiligten nicht so auffällt, wurden sie mit Gerüsten und täuschend echten Fotoplanen dekoriert, so dass man den Makel erst beim genauen Hinsehen bemerkt. Und eins dieser Grundstücke wird jetzt bebaut. Das andere Gerüst bleibt.




... man könnte die Haus-Attrappen natürlich als große Kunstaktion im Sinne Christos begreifen, wo mit Hilfe der Gerüste und der Assoziation zum Kulissenbau eine Verbindung zu Hollywood, zum Film, zum Walk of Fame oder zur Vergänglichkeit der Streetart hergestellt wird. Könnte man sicher auch.

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