22 August 2014

Wortgeklingel

zu Ehren der Floskelwolke, die eine lange fällige Betrachtung in Gang gesetzt hat

Hohle Phrasen und nicht durchdachtes Wortgeklingel sind eins der Lieblingsthemen des Großen Bloguators™.

Dazu gehören feststehende Redewendungen, die aber bei genauer Betrachtung urdämlich sind. Man sagt halt so. Aber auch überflüssige Beschreibungen, schiefe Bilder. Und fragwürdige Kategorien.

Der "helllichte Tag" und die "offene Straße" sind Klassiker im modernen Nachrichtenwesen. "Brutale Morde", "Blutbad" und "verheerendes Unglück" ebenso. Man kann das alles bei der Floskelwolke und ihren Autoren sehr schön nachlesen.

Hier geht es heute mal um Schuld und Unschuld, um Opfer erster und zweiter Klasse. Tot sind sie aber trotzdem. Genau: Militär und Zivilisten. Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder.

Immer wenn vom Krieg berichtet wird, sprechen Medien gerne von "zivilen Opfern" oder "Zivilisten". Anscheinend sind lebendige Soldaten weniger wertvoll. Oder sie hätten sich ja wehren können, beispielsweise gegen einen Granattreffer, schließlich haben sie doch eine Uniform an. Die Zahlen toter Zivilisten werden gerne angegeben, weil es dramatischer klingt. Tote Soldaten machen nicht so viel her.

Womit wir zur Schuldfrage kommen. Eine weitere vielgebrauchte Redewendung ist die von den "unschuldigen Opfern". Das ist nämlich so: Wenn jemand zum Wehrdienst zwangsverpflichtet wird und gezwungenermaßen eine Uniform anzieht, dann scheint er quasi automatisch schuldig zu sein. Woran er Schuld trägt, weiß natürlich niemand so genau. Aber Zivilisten sind jedenfalls unschuldiger.

In diesen Kategorien der Unschuldsvermutung geht es noch weiter: Zivilisten sind pauschal unschuldiger als Uniformträger. Und selbstverständlich sind Frauen unschuldiger als Männer.

Aber am aller-aller-unschuldigsten sind Kinder. Kinder sind immer “unschuldige Opfer”, oder genauer noch “unschuldige Kinder”.

Die Erläuterung, warum das Alter besonders erwähnenswert ist, bleibt regelmäßig aus. Die Frage, warum Kinder erwähnenswerter sind als Erwachsene: Sind sie wirklich erwähnenswerter, weil wertvoller? Oder ist nicht doch jemand wertvoller, der lebenslang etwas gelernt hat und zum Wohl der Gemeinschaft aktiv beitragen kann? Sagen wir mal, eine Krankenschwester oder ein Arzt, vielleicht auch ein Ingenieur.

Warum sind Kinder erwähnenswerter? Doch wohl nur, weil es emotionaler klingt - da wird der Beschützerinstinkt beim Erwachsenen angesprochen und auf die Tränendrüse gedrückt. Irgendwie muss die Zeitung an den Mann gebracht werden. “Wenn die anderen tote Zivilisten beschreiben nehmen wir halt unschuldige Kinder!”

Die Krankenschwester, der Arzt und der Ingenieur hängen vermutlich genauso am Leben und können sich kaum besser gegen Granateinschläge und Gewehrfeuer schützen als ein Kind. Und ein gemeiner Uniformträger der unterlegenen Seite hat auch keine erfolgversprechenden Möglichkeiten, sondern ist dem Kugelhagel noch viel wahrscheinlicher ausgesetzt. Wir nennen so jemand  mit einem anderen drastischen Bild “Kanonenfutter”.

Zur Schuldfrage erläutert die Wikipedia sehr anschaulich "Als Voraussetzung für Schuld wird meist angenommen, dass der Schuldige die Wahlmöglichkeit hatte, die als schlecht definierte Tat zu unterlassen."

Das tätowieren wir jetzt jedem dieser Wortklingler auf die Stirn. Von innen, damit er es besser lesen kann.

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