15 April 2011

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Heute: Algen und Moose

"Wie sind sie eigentlich drauf gekommen, dass ich wegen der Algen gesünder bin als sie? Gibt es dafür irgendeinen Hinweis?"

"Ja, genau."

"Und warum? Die verhalten sich doch genau so wie eine Bakterieninfektion. Solche Infektionen wollten wir bisher immer vermeiden."

"Aber die treiben Photosynthese! Das ist eine Symbiose!"

"Doch eher Parasiten, oder?"

"Quatsch! Symbiose!"

"Haben sie das getestet?"

"So in der Art, ja."

"Wie: In der Art?"

"Na, es war ja nicht so viel Zeit. Ich habe es gescannt."

"Nur gescannt? Ich habe Anspruch auf eine richtige Untersuchung!"

"Kulturen dauern länger, also habe ich den Bioscanner genommen. Der tastet von außen ab und sagt: Algen. Und er findet dieses und jenes geläufige Stoffwechselprodukt. Und ein paar Sachen, die bei der Photosynthese entstehen. Und noch ein paar andere Sachen, die nicht bei der Photosynthese entstehen. War ja zu erwarten auf diesem Planeten."

"Was für Sachen?"

"Na, anscheinend ernähren sich die Algen unter anderem von Schlacke und Schadstoffen im Blut. In ihrem Blut - in meinem ja nicht. Und die verdauen sie mit Hilfe der Photosynthese und machen daraus irgendwas weniger schädliches."

"Was genau?"

"Kann ich nicht sagen, nur die Schadstoffe sind weniger. Dieses Ergebnis gibt der Scanner sofort aus, ihr Blut kennt er ja. Die Algen kannte er noch nicht. Und da wo sie keine Algenflecke haben, ist der Schadstoffanteil normal. Der Chardonnay-Anteil hingegen erstaunlich hoch."

"So? Normal?"

"Naja, in der zu erwartenden Größe eben."

"Und wann testen sie weiter?"

"Wenn die Kulturen fertig sind. Und wenn ich dafür Zeit habe. Was soll das Gefrage?"

"Die grünen Flecken werden größer."

"Stört sie das? Tut doch nicht weh, oder?"

"Schon."

"Ja oder nein?"

"Nein."

"Ich notiere: 'Hypochondrismus des Patienten lässt nach'. Sehen sie? Ist offensichtlich völlig ungefährlich."

"Bis ich ganz grün bin!"

"Keine Sorge, es bleibt ja unter uns."

"Ich werde aussehen wie das Monster aus der Lagune."

"Wie wer?"

"Ach, nichts. ein reißerischer Filmtitel aus dem vergangenen Jahrtausend."

"Na gut. Kann ich noch was für sie tun? Drückts irgendwo anders?"

"Sie können sich doch an das hübsche Moos erinnern, das wir gefunden haben? Das nachtleuchtende?"

"Ja, das Moos. Schade, dass es so etwas auf der Erde nicht gibt. Werden wir wahrscheinlich ebenfalls nicht importieren dürfen. So romantisch!"

"Nicht importieren..."

"Ja, ziemlich sicher nicht. Auf der Erde setzen sie jeden erdenklichen Abfall aus dem Genlabor frei, von dem man nicht einmal ahnt, was er auf Dauer für Auswirkungen hat. Und das ganze nur, weil er vielleicht zu einer winzigen Gewinnsteigerung des jeweiligen Unternehmens führen könnte. Aber unser Moos werden die Bürokraten nach der Untersuchung auf der Station in der Umlaufbahn einfach zum Verfeuern freigeben. Oder zum Verglühen. Das ist wirklich traurig."

"In der Tat."

"Ist ihnen etwa ein Weg eingefallen, wie wir es doch auf die Erde schmuggeln können? Ich meine, das Moos ist völlig ungefährlich."

"Wirklich? Nein."

"Warum haben sie überhaupt mit dem Moos angefangen? Das ist so traurig."

"Habe ich?"

"Ja, sie haben mit dem Moos angefangen."

"Keine Ahnung. Warum sollte ich? Kann das algenbedingte Amnesie sein?"

"Nein."

"Ah, ich weiß wieder, das ist so furchtbar, dass ich es beinah verdrängt habe: Meine Flecken leuchten im Dunkeln! Wie das Moos!"


"Was? Wirklich?"

"Ja."

"Das ist ja großartig!"

"Was soll daran großartig sein?"

"Sie brauchen nie wieder eine Taschenlampe zum Lesen!"

"Wieso?"

"Sie können unter der Bettdecke lesen und brauchen keine Taschenlampe!"

"Doc?"

"Ja?"

"Ich brauche auch jetzt keine! Ich bin ein großer Junge: Ich lasse beim Lesen einfach das Licht an!"

"Aber trotzdem: Das ist doch wahnsinnig praktisch! Immer Licht dabei zu haben, das einen nichts kostet!"

"Was soll daran praktisch sein? Das ist unheimlich nervig!"

"Wieso das? Juckt es?"

"Ich kann bei Licht nicht schlafen!"

"Dann ziehen sie eben einen langen Schlafanzug an, das deckt die beiden Flecken ab. Den auf dem Rücken sehen sie ja ohnehin nicht so."

"Ich sagte doch, dass sie größer werden."

"Ja und?"

"Ich habe sie vorgestern mal markiert, die Ausbreitung gemessen und gerechnet: In etwa vier Wochen werde ich komplett von den Algen überzogen sein."

"Das ist doch großartig! Ich gehe als Entdecker in die Lehrbücher ein!"

"Das ist großartiger Mist!"

"Keineswegs! Vielleicht bekomme ich einen Nobelpreis!"

"Sind sie noch bei Trost?"

"Keine Sorge Käptn, ich gebe ihnen vom Preisgeld etwas ab."

"Und ich verglühe versehentlich beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, ja?"

"Ach so, das..."

"Ja, das!"

"Vielleicht kann ich für sie bei der Verwaltung eine Ausnahme beantragen."

"Doc! Sie wissen doch, wie das ist: Das Ergebnis werden weder sie noch ich zu Lebzeiten jemals erhalten. Der Antrag wird nicht einmal abgelehnt sondern einfach bis in die Ewigkeit nicht bearbeitet."

"Sie sind ein arger Pessimist."

"Nur wenn wir zuwiderhandeln werden die Bürokraten sofort munter. Weil sie wittern, dass dann eine andere Dienststelle zuständig ist."

"Vielleicht können wir das Moos anders reinschleusen? Und sie gleich mit!"

"Wie denn, wenn ich dann im Dunkeln heller strahle als ein Reaktorkern?"

"Naja?"

"Ich kann doch nicht jedesmal behaupten, dass das Licht einfach ungünstig ist für meinen Teint?"

"Vielleicht mit Puder ...?"

"Ich sehe schon den Bescheid vor mir:

'Ablehnungsgrund: Verwechslungsgefahr.
Wenn das Antragssubjekt an einer Kreuzung steht, könnten alle Teilnehmer gleichzeitig losfahren, weil sie meinen, eine grüne Ampel zu sehen. Wird zum Verglühen beim Wiedereintritt empfohlen.
Subjekt nicht informieren, da mit Widerstand zu rechnen ist!' "

"Gut, vielleicht doch kein Puder."

"Schon wenn ich hier in den Wald gehe werde ich nervös! Und ich habe bisher nur die drei Flecken. Wenn ich in vier Wochen nachts durch den Wald gehe werde ich leuchten wie ein Außerirdischer!"

"Ein ... was? Hier auf Frankensteins Zoo?"

"Na, sie wissen schon. Ich werde eben unnatürlich leuchten."

"Na und? Das ist doch schön. Sicher auch sehr romantisch!"

"Ich werde eine wandelnde Zielscheibe! Das einzige helle Objekt im ganzen Wald. Wahrscheinlich wachen selbst die phlegmatischen hirnlosen Tiere davon auf und kommen auf die Idee, mich zu jagen!"

"Da bin ich gespannt, wenn die in Zeitlupe hinter ihnen her hetzen: Ein Fuß vor - einundzwanzig - zweiundzwanzig - anderer Fuß vor - einundzwanzig - zweiundzwanzig - dritter Fuß vor... Davor müssen sie doch nun wirklich keine Angst haben, Käptn!"

"Sehr lustig!"

"Das wird aussehen wie eine Horde Faultiere bim Tai-Chi."

"Trotzdem! Was ist, wenn die mich einkreisen?"

"In Zeitlupe."

"Wenn mehrere gleichzeitig nach mir schnappen?"

"Extreme Slowmotion."

"Machen sie sich nur lustig!"

"Die Tiere bewegen sich so langsam, dass man hier eigentlich gar keine Kamera braucht. Man könnte locker mitzeichnen. Aber sie wollen unbedingt ein Drama draus machen, Käptn."

"Sehr witzig!"

"Wissen sie was, Käptn? Ich habe eine Idee. Sie müssen nur diszipliniert üben. Ich erstelle ihnen einen Trainingsplan. Und dann: Üben - üben - üben."

"Wofür?"

"Sie müssen einfach lernen, das Licht aus- und einzuschalten."

"Aaaaaaah! Doc! Ich schlage ihnen den Schädel ein! Was sind sie für ein Arzt? Die haben einen Sadisten mit mir auf Raumtour geschickt!"

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