10 Februar 2007

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft


Eigensinnige Schöpfung

"Was soll eigentlich der Fernseher da draußen, Doc? Haben sie den hierher mitgeschleppt? Eine Antiquität?"

"Welcher Fernseher? Ich nehme doch keinen Fernseher mit auf eine interstellare Reise!"

"Warum denn nicht? In unserem Schiff hätte ihr ganzes Haus Platz. Außerdem steht da draußen ein Fernseher. Ist nur ein wenig eingestaubt. Oder haben sie eine Gips-Attrappe gebaut, aus lauter Sehnsucht?"

"Ich versuche grade so eine Antiquität zu ersteigern, aber dass da draußen ein Fernseher steht, bilden sie sich ein."

"Nein, kommen sie doch ans Fenster: Da draußen steht er!"

"Kann ich mir nicht erklären. Der sieht genauso aus wie das Gerät, das ich ersteigern will, nur dass der hier grau ist."

"Der Ingenieur hat ihn auch nicht mitgebracht. Was tun wir jetzt?"

"Untersuchen - von hier aus. Wer weiß, wer uns hier Streiche spielt. Womöglich eine Falle."

"Gut, ich hole den Scanner."

...

"Seltsam. Das ist biologisch. Der Fernseher lebt!"

"Unsinn - lebende Fernseher auf Frankensteins Zoo. Wir sind doch nicht mehr in der Steinzeit, dass wir sowas glauben! Nur weil sich auf dem Bildschirm etwas bewegt, ist doch kein Leben drin."

"Aber das Gerät zeigt es an."

"Haben sie das gespeichert?"

"Wieso?"

"Der Fernseher ist weg. Und kommen sie nicht wieder mit Psychopollen - hier drin haben wir keine."

"Ich werde noch wahnsinnig auf diesem Planeten! Wir haben ihn doch beide gesehen! Mal sehen, was unser Gerät gespeichert hat... dauert einen Augenblick... hab's gleich... mein Gott! Das ist wieder ein Schleimpilz!"

"Doc! Ich zweifle schon immer an ihrem Humor - aber das geht zu weit! Ein Schleimpilz in Fernseherform?"

"Der Pilz kann jede Form annehmen.
Allerdings nicht jede Farbe. Theoretisch. Das sind ja nur Amöben."

"Woher soll denn der Schleimer wissen, wie ein Fernseher aussieht? Wir haben hier noch keine Anzeichen untergegangener Zivilisationen entdeckt."

"So, Fernseher sind Anzeichen von Zivilisation?"

"Für untergegangene, schon. Durchaus. Aber zurück zu meiner Frage: Woher soll der Fernseher... nein, woher soll der Schleimbeutel.. der Pilz... wissen, wie ein Fernseher aussieht?"

"Telepathie."

"Sie meinen: Sie konzentrieren sich nur ganz fest - und dieser Amöbenhaufen stellt dann einen Fernseher pantomimisch dar?"

"Viel schlimmer. Wenn die schon metergroß sind, können sie womöglich auch Gedanken lesen."

"Das ist ein ganz hässlicher Scherz, Doc!"

"Nein, sehen sie doch: Ich wollte grade so ein antikes Gerät in einer Internetauktion ersteigern. Die Sache war wahnsinnig spannend. So eine Antiquität ist wertvoll - ich denke seit Tagen an nichts anderes. Und jetzt steht genau so ein Teil da draußen, wirklich exakt das Modell, das ich haben will. Das kann doch kein Zufall sein!"

"Wenn der Schleimpilz ihre Gedanken lesen könnte, würde sich da draußen eine nackte Frau aufreizend räkeln."

"Lassen sie die Witze! MIR macht das WIRKLICH Sorgen, dass es hier vielleicht Organismen gibt, die meine Gedanken lesen könnten."

"Mir macht Sorgen, dass hier schon die niederen Organismen IHRE Gedanken lesen können - dann möchte ich den höheren lieber nicht begegnen."

"Das ist spitzfindig! Solche Diskussionen haben mit ihnen einfach keinen Sinn! Ich bin dann in meiner Kabine und denke über dieses Phänomen nach."

"Sie wollen einen Film kucken, nicht wahr?"

"Ja, wieso? Na gut, so schwer war das nicht."

"Stimmt, war nicht schwer. Der Fernseher draußen ist
jetzt übrigens weg. Dafür liegt da eine nackte Frau, ganz in grau... das ist doch ein Fortschritt. Vielleicht will der Schleimer sie ja heiraten? Herzlichen Glückwunsch! Soll ich ihr Trauzeuge sein?"

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