05 November 2007

Elbe

 
Pause? Näh! Der Autor war nochmal segeln. Diesmal Elbe, Hamburg - Blankenese. Ort des Geschehens: Das Mühlenberger Loch ¹.


Prima, denkt man sich: Eine Regatta mit Strömung - endlich mal was berechenbares!

Flussläufe mit Tideneinfluss sind in der Theorie nämlich einfach. Behaupten jedenfalls einige, klingt auch einleuchtend.

Aber...

... die Theorie geht folgendermaßen: Die Flut drückt das Wasser im Flusslauf bergauf. Es gibt ein Hochwasser, danach fließt das Wasser mit der Strömungsgeschwindigkeit des Flusses plus Ebbe bergab. An den tiefen Stellen fließt das Wasser schneller, an den flachen Stellen langsamer.

Die Flut hat ihr Hochwasser zu einem bekannten Zeitpunkt, gesegelt wird wegen der Wassertiefe nur von 2 Stunden vor Hochwasser bis 2 Stunden nach Hochwasser.

Ganz einfach, nicht? Wenn das Revier groß genug ist, oder die Winddrehungen wenigstens halbwegs absehbar, sollte eigentlich alles klar sein. Oder?

So weit die Theorie. Nun verhält es sich aber leider so...:

1. Die Wassermassen haben eine gewisse Trägheit. Wenn sie einmal in Bewegung gekommen sind, bleiben sie nicht sofort wieder stehen. Heißt: "Hochwasser" bedeutet nicht zwangsläufig "oberer Totpunkt", Stillstand und Abwesenheit von Strömung. Man weiß als Laie aber nicht, wie groß die Verzögerung ist.

2. Wellen und Wind kommen meist aus der selben Richtung. Gegen den Wind heißt auch: Gegen die Wellen - das bremst. Wenn man die Wahl hat, versucht man, lieber gegen wenig Seegang zu segeln als gegen viel Seegang. Oft weisen Regattabahnen Bereiche ohne und solche mit Welle auf. Dann gilt es, abzuwägen ob sich der Weg zum Flachwasser lohnt. Vielleicht bringt eine günstigere Winddrehung ja mehr ein, als die Welle kostet.

3. Man versucht im Segeln gern, die vorhandene Strömung zu nutzen. Heißt unter Tidenbedingungen: Man sucht die Seite auf, wo einen die Strömung weniger bremst oder sogar beschleunigt. Ob es überhaupt eine Strömung gibt, hängt davon ab, ob der obere Totpunkt schon erreicht ist, oder noch nicht. Siehe Punkt 1. "Trägheit".

4. Wenn der Strom gegen die Windrichtung strömt, bilden sich dort kürzere, mehr oder höhere Wellen als an Stellen ohne Strom. Man will die Strömung nutzen, aber die Wellen vermeiden: Sucht man jetzt die Gegend mit oder die ohne Strömung auf?

5. Die Revierform mit einer Bucht seitlich an einem Flusslauf ist gar nicht so selten. Das Mühlenberger Loch ist so eine: An der Seite der Bucht fließt die Elbe vorbei. Diese versetzt unter Umständen das Wasser innerhalb der Bucht in Drehung, ein sogenannter Neerstrom entsteht. Die Frage ist nur: Wann dreht er sich, und vor allem: In welcher Richtung? Das hängt wieder von der Trägheit des Stroms im allgemeinen ab - siehe Punkt 1. Und von der Trägheit des Wirbels innerhalb der Bucht.

Lösung: Es gibt irgendwie wieder mehrere Lösungen, für jeden Tag eine. Die richtige Lösung erfährt man, sobald einer gewonnen hat - also hinterher.

Auf das letzte Wochenende bezogen: Am ersten Tag kam der Wind genau aus West, es war mehr Wind, und die Seite vom Kurs mit weniger Welle war besser, egal wie günstig die Winddrehungen auf der anderen Seite waren. "Anschlag links" war immer besser, egal bei welcher Winddrehung.

Am zweiten Tag gab es anfänglich Wind aus Nord-West, später West, es war weniger Wind, dadurch kaum Seegang. Dass es eine Strömung gegeben haben muss, erkannte man daran, dass das Startschiff quer zur Windrichtung lag. Wir haben häufiger an den verankerten Bojen nachgesehen - dort war keine Strömung zu erkennen. Der Steuermann sagt hinterher, dass er Strömung bemerkt hat, der Vorschoter sagt, dass nicht. Soviel zur immer wieder empfohlenen eigenen Wahrnehmung.

Am zweiten Tag waren die Verhältnisse umgekehrt zum ersten Tag: In den ersten zwei Wettfahrten führte "mittelrechts" zum Erfolg, "Anschlag links" nicht. In der dritten Wettfahrt war "Anschlag links" ein wenig besser - aber nicht soviel wie am ersten Tag.

Ah, und ich vergaß zu erwähnen: Es war wunderschön!

Bildhafte Erläuterung: Hier fällt es dem Autor wie Schuppen von den Haaren - man hätte sich dieses Satellitenbild auch früher ansehen können...


Größere Kartenansicht

... der Regattakurs verlief nämlich genau zwischen dem Airbus-Gelände rechts und der kleinen Insel links, über die große runde Sandbank in der Mitte. Die beiden Fahrrinnen rechts und links der Sandbank waren vom Wasser aus genau gar nicht zu erkennen, erklären im Nachhinein aber einiges #:-0


¹ zur besseren Anschaulichkeit: Foto von 2006, Segler vor Blankenese, auf besagter Sandbank. Foto courtesy by aufgedrucktem Fotograf und/oder Blankeneser Segelclub
 

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Und wie erkennt man im nächsten Jahr, wo die Sandbank ist und wo die Fahrrinne?

Anonym hat gesagt…

Vorher rauslaufen und gucken wo man stehen kann ;-)

100 Goldfischli hat gesagt…

Die Fahrrinne ist da, wo Strömung ist...

100 Goldfischli hat gesagt…

Ergänzung:

... einem Physiker - ich denke da an einen ganz bestimmten - werden natürlich die Haare zu Berge stehen, wenn er das hier liest... hm. stelle ich mir sehr lustig vor...

Also: "Hochwasser" ist natürlich im Grunde schon der obere Totpunkt, wie soll denn das Wasser sinken, wenn nicht dadurch, dass es abfließt? Die Frage ist nur, auf welche Stelle sich die Zeitangabe bezieht. Hochwasser irgendwo in der Nordsee ist jedenfalls nicht gleichbedeutend mit Totwasser in Blankenese.... oder so.

kostenloser Counter