29 Juni 2011

Bräuche


Es gibt so Bräuche, da kann man nur den Kopf schütteln. Nein, genauer gesagt: Da weiß man nicht, ob das Kopfschütteln überhaupt lohnt.

Nehmen wir mal die Liebesschlösser und Abiturbälle. Nochmal nein: Eher die sogenannten Abibälle und die noch sogenannteren Liebesschlösser.

Liebesschlösser: Leute heiraten sich gegenseitig, machen irgendwo an einer ewigen Stelle ein Schloss fest und werfen symbolisch den Schlüssel weg.

Denkt da niemand drüber nach? Dieser Brauch ist noch katholischer als die Ehegelübdevorstellung der katholischen Kirche selbst. Warum erinnert das keinen an Gefängnisse, Knast, Gulag, die heilige Inquisition - wo irgendjemand ein Schloss vor die Zelle macht und den Schlüssel wegwirft? Ist Romantik heute nicht mehr eine Frage der Vorstellungskraft?

Und dann Abiturbälle. Der Große Bloguator™ ist zu einer Zeit aufgewachsen, wo man als Adoleszent irgendwie anders sein wollte als seine Eltern. Ist das nicht selbstverständlich? Musste auch damals nicht gleich Punkrock sein. Aber nicht so langweilig, spießig, eingefahren sein zu wollen wie man das als Jugendlicher von seinen Eltern glaubt. Einige Eltern entsprechen diesem Klischee gar nicht - aber als Jugendlicher denkt man eben sowas von ihnen. Und davon will man sich absetzen, wenn man halbwegs bei Trost ist. Wollte man früher.

Heute will die Jugend ihre Eltern anscheinend rechts überholen: Einen gepflegten Abiturball, guter Schulabschluss, schon mit zwölf wissen, dass man mal Arzt oder Anwalt wird. Was ist mit Lokführer, Fußballspieler oder KFZ-Mechaniker? Ist das heute gar nicht mehr gefragt?

Wer KFZ-Mechaniker werden will, feiert keine Abi-Bälle, bei denen die Eltern dreistellige Summen für den Eintritt hinlegen. Von den Getränken und der Verkleidung für den Abend ganz zu schweigen.

Dabei wird auch die disziplinierteste Jura-Studentin nach fünf Jahren nicht mehr in das Abiballkleid passen, das an der gertenschlanken achtzehnjährigen die Figur so besonders betonte. Am Ende hat die disziplinierte Jurastudentin dann zwei Kleider im Schrank hängen, die sie genau einmal im Leben getragen hat: Das Abiballkleid und das Hochzeitskleid. Sie will ja genauso sein wie ihre Eltern - nur besser.

27 Juni 2011

Innenstadt

Vorhin laufe ich die Budapester Straße entlang, Berlin-Zentrum, Nähe Gedächtniskirche. Mit anderen Worten: Mitten in der Stadt.

"Hm, komisch, hier riecht es nach Fisch?"

Nach totem Fisch, genauer gesagt. Seltsam, mitten in der Stadt, fernab vom Wasser.

"Ach, da vorne ist ja das Aquarium..."


Das Aquarium vom Berliner Zoo. Dort haben sie viele Fische. Hatten sie jedenfalls.

"Oh, da ist wohl was schief gegangen..."

20 Juni 2011

Neulich...

... beim Karneval:

Der gute Wille zählt!


(alle Mülltonnen der weiteren Umgebung sahen so aus)

16 Juni 2011

Krankenhaus-Shuffle


Eine gute Verwandte von mir, eigentlich meine nächste, muss operiert werden. In einem Krankenhaus. Man macht das in einem Krankenhaus.

Nun ist ein Krankenhaus heute in der Regel nicht mehr dasselbe wie im 16. Jahrhundert, wo das Krankenhaus ein Haus war, in dem sich Kranke aufhielten - mit denen aber auch nicht viel mehr passierte. Nur wenn sie Pech hatten konnte ihre Familie einen Barbier oder einen Abdecker bezahlen, der sich als Arzt bezeichnete und an ihnen herumpfuschte.

Heute zeichnet sich ein Krankenhaus nicht allein dadurch aus, dass man dort unter Umständen ausgebildete Ärzte antreffen kann. Sondern ein Krankenhaus ist heute eine Organisation. Verschiedene Ärzte arbeiten Hand in Hand und behandeln einen sogar, wenn sie grade nichts besseres zu tun haben. Für davor und danach gibt es Pflegepersonal, man bekommt Essen und alle möglichen anderen Segnungen.

In normalen Krankenhäusern ist das heute so, so weit ich mich erinnere. Bei dem Laden, in den meine nächste Verwandte gerade eingerückt ist, habe ich so meine Zweifel.

Als Aufnahmetermin stand seit Monaten der gerade vergangene Pfingstmontag fest. Am Dienstag sollte operiert werden und da haben es die Kliniken gerne, wenn sie den Patienten schon vorher ein wenig unter Aufsicht haben - Untersuchungen durchführen, Blut abnehmen, Abführen, Drogenverzicht, das alles ist hochinteressant und soll einer gewissen Kontrolle unterliegen.

Wie gesagt, der Aufnahmetermin stand seit Monaten fest. Das Foyer war fast leer. Deshalb warteten wir - an einem Feiertag - auf den fünfminütigen Akt der Eintragung ins System etwa eine Stunde. Irgend ein komplizierter anderer Fall musste wohl noch abgefertigt werden. Immer ordentlich der Reihe nach.

Dann, am Schalter, fiel mein Blick auf den Bildschirm mit dem Programm zur Klinikverwaltung: Solide DOS-Oberfläche, schätzungsweise mittlere achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Im Softwarebereich sind fünfundzwanzig Jahre mindestens fünf Generationen, freundlich geschätzt. Der Bildschirm war zwischendurch anscheinend einmal erneuert und durch einen anderen Röhrenmonitor ersetzt worden. Das Programm eben nicht. Aber wenn es seinen Zweck erfüllt, braucht man ja nicht zu klagen. Seit wann gibt es nur noch Flachbildschirme? Sind das schon wieder fünf Jahre? Sieben?

Auf der Station angekommen wurden wir gebeten, ein wenig zu warten. Das Bett sei noch nicht fertig. Inzwischen kam immerhin Essen, lecker, gute Krankenhauskost. Fettfrei, salzarm, sehr gesund.

Als das Bett fertig war lautete die Frage: "Was macht denn das zweite Bett da?"

"Wieso?"

"Einzelzimmer?!?"

"Oh, Einzelzimmer!"


Dass ein Einzelzimmer verlangt war hatte sich in der Gelassenheit des Feiertags noch nicht vom Erdgeschoss bis in den zweiten Stock herumgesprochen. "Ja, äh, dann ... " Wir wurden gebeten, ein wenig zu warten.

Irgendwann war das Einzelzimmer fertig und ich verabschiedete mich. In der Annahme, dass jetzt nicht mehr viel schief gehen kann.

Die OP war für den nächsten Morgen angekündigt. Nach Mittag bekomme ich einen Anruf von meiner nächsten Verwandten: Dass noch nichts passiert sei. In Krankenhäusern wird meiner Erfahrung nach gerne morgens operiert. Den Nachmittag brauchen sie wohl zum Aufräumen, Kartenspielen, für Ärztechats, oder wofür auch immer. Dass bis mittags nichts passiert ist, klang ungewöhnlich.

Gegen Abend ein erneuter Anruf der nächsten Verwandten, diesmal von zu Hause.

"Was machst du denn zu Hause?"

"Die haben mich nicht operiert."


"Bist du vorher abgehauen?"


Man weiß ja nie.

"Nein! Die haben mich nicht operiert!"


"Wieso?"


Der Termin steht ja seit Wochen fest.

"Irgendein Notfall angeblich."


"Na und? Mit dem Notfall werden sie doch irgendwann fertig gewesen sein?"


"Aber dann hatten sie Feierabend."


Feierabend.

"Und jetzt bist du nach Hause gegangen?"

"Was soll ich denn da? Wenn die mich sowieso nicht operieren!"


Ich verstehe erst nicht richtig.

"Na, die werden dich dann sicher morgen operieren, oder?"

"Da haben sie keine Zeit."


Keine Zeit.

Wie ich dann später herausfinde war sogar die Narkose schon eingeleitet worden. Meine nächste Verwandte wachte nach drei Stunden wieder auf und wunderte sich, dass nichts passiert war.

"Fein, tut ja gar nichts weh!"

"Wir haben ja auch noch gar nichts gemacht, ha ha!"


Deutliche Einstichmale sind jedenfalls zu sehen. Daraufhin ist sie dann erst mal nach Hause gegangen.

Ob die Idee mit dem Krankenhaus so gut war, wird sich noch zeigen. Die Organisation, die wir angetroffen haben, unterscheidet sich nicht wesentlich von der oben beschriebenen aus dem sechzehnten Jahrhundert: Ein Haus, in dem sich Kranke aufhalten und von den Ärzten nach Kräften in Ruhe gelassen werden. Das ist ja auch mal eine Idee.

Falls sich jetzt irgendwer gefragt hat, um welche hochspezialisierte und weltweit gefragte Einrichtung es da gehen mag: Es handelt sich um das Franziskus-Krankenhaus in Berlin-Tiergarten. Interessanter Weise finden sich in einem Internet-Portal namens "MedizinInfo" bzw. "Klinik-Bewertungen" lauter positive Bewertungen des Krankenhauses. Unter diesen Umständen fragt man sich schon, wie die zustande gekommen sein mögen. Hoffen wir das beste.

So Tage...

Es gibt ja so Tage.

Zuerst hatte ich einen Auftrag genau da, wo das Glück wohnt. Riesige Wohnung, Wohlstand, Geschmack, Bildung, alles. Aber die Leute da waren so nett, dass man noch nicht mal neidisch sein konnte.

Aber jetzt erweist sich der Tag als solcher.

Manchmal ist es der Tag des abgefahrenen Zuges - überall wo man hinkommt sieht man nur die Rücklichter. Und es gibt keine Obergrenze, das kann einem an demselben Tag beliebig oft passieren. Ist gut, wenn mans dann nicht allzu eilig hat.

Heute ist anscheinend der Tag des verwirrten Fahrgastes:

Zuerst pinkelt eine leicht ungepflegte Frau ohne weitere Umstände im U-Bahnhof mitten auf den belebten Bahnsteig. Rock hoch, Schlüpper runter - und los! Ich war sprachlos. Die Umstehenden wohl auch. Zum Glück fuhr sie nicht mit und verrichtete im Zug noch ihr großes Geschäft.

Dafür saß im Waggon einer, etwa fünfzig, unauffälliger Kreuzköllner Durchschnittstyp, und hörte mit seinem schraddeligen laut aufgedrehten Handy Speed-Metal, oder irgendwelchen anderen trivialen Schrott, der schon leise kaum zu ertragen ist. Leider nur musste der nicht mehr ganz junge Mann alle an seinem Genuss teilhaben lassen. Ein Erwachsener! Mit einem zehn Jahre alten Handy! Metal-Scheiße! Aaargh!

Man sagt ja dann doch nichts, auch wenn so einer nicht aggressiv aussieht: Weil man sich nicht traut, weil man kein Spießer sein will, weil man gleich wieder aussteigt und auch ohne noch andere Gründe.

Heute ist so einer dieser Tage. Mal sehen, was da noch kommt.

07 Juni 2011

Tägliches Leben

neulich im Büro

"Wie fandest du überhaupt meine Zeichnung vom Grasweg?"

"Schwer."


"Du hast sie schwer verstanden?"


"Ich habe sie schwer gefunden."


"Öhm, ja..."



06 Juni 2011

Oberitalienische Reise

5. Verona, ein Sonntag



Ein Spielmannszug vor der Arena. 27 Leute spielen Marschmusik, uffta-uffta! Das kleine coole Mädchen rechts hinten trommelt exqusit Samba. Perfekt im Takt.



Ein Legionär trinkt Spritz. Die SMS muss warten.




Sonntagnachmittag, 15.14h. Gesangvereine singen Liedgut. Fotografisch schwer abzubilden.




Ein Mann muss immer ein Ziel haben.



03 Juni 2011

Oberitalienische Reise

4. Die normative Kluft des Faktischen¹


Riva, TN, 16.45h. Einem Segler werden Handschuhe an die Hände genäht. Weil der Junge sie sonst immer wieder verliert.







¹ ich liebe es, solchen Quatsch zu zitieren, wenn mir absolut keine reißerische Überschrift einfallen will

02 Juni 2011

Oberitalienische Reise

3. Der malerische Faschismus


Toscolano Maderno¹. Ein Schiff am Hang. Halbe Höhe.



Ein fehlgeleiteter Architekt. Eingang für Bittsteller.



Neutral bleibt die Natur - die Blumen blühen auch den ungerechten Rechten.






¹ die aufmerksame Leserin Sumuze weist in den Kommentaren darauf hin, dass der Park in der Gemarkung Gardone liegt, also etwa 400m weiter

01 Juni 2011

Oberitalienische Reise

2. Intermezzo auf dem Campingplatz

Das Leben macht Pause. Es regnet in Strömen. Neben mir in der verglasten Veranda sitzen erwachsene Segler und erzählen sich Werbespots, die sie im Fernsehen gesehen haben.

Oberitalienische Reise

1. Das wirklich reale Leben zu Vicenza



Geniestreich Palladios: Das Loch.



Man könnte es wohl mit "Rechtsboutique" übersetzen. Sonderangebote an Wochenenden.



Von Heil & Segen stürzender Linien: Nein, er ist wirklich schief.



Die Rache des Volkes am Titanen Palladio: Missachtung.



Freuden der Naturbaustoffe



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