22 Dezember 2007

Frachtsegeln


Wie dem einen und der anderen vielleicht schon aufgefallen ist, geht es hier im Blog bisweilen ums Segeln. Der Autor behauptet, dass er von den Grundlagen der Segelei eine gewisse Ahnung hat - ohne Anspruch auf Vollständigkeit natürlich, ohne schiffbauerische Grundlagen und ohne die Kenntnisse der Berufsschiffahrt außerhalb der Sportsegelei

Schon seit einer ganzen Weile begegnet man dem Wunsch, dass in der Hochsee- Berufsschiffahrt der Antrieb durch Windkraft wieder Einzug halten möge. Das sei nämlich wünschenswert weil energiesparend.

Dazu sagt der Segler vorsorglich: "Wünschen kann man sich alles mögliche..." und dann begegnet er einem weiteren Erfinder der Eierlegenden Wollmilchsau: Der Firma Skysails - der Antrieb von modernen Frachschiffen mit Hilfe des Windes.


Die Firma scheint so etwas wie die zeitgemäße Variante von Cargolifter zu sein. Erinnert sich noch jemand an dieses vergangene Unternehmen mit Zukunft? 300 Millionen € weg - und niemand kann sich erklären, wo die geblieben sind?

Cargolifter wollte damals Last-Zeppeline bauen, die eine durchaus brauchbare Einrichtung hätten sein können. Die Zeppeline kamen allerdings über das Modell-Stadium nie hinaus. Das war deshalb lustig, weil die Firma immerhin die größte Halle der Welt bauen konnte. Und dann schaffen sie es nicht bis zu einem brauchbaren Zeppelin? Die Halle verschlang etwa ein Viertel des eingesammelten Geldes, vom Rest weiß man nicht, wo er versickert ist. Nun ja, jedenfalls ist nie irgendjemand dafür im Knast gelandet - was geradezu wie ein Wunder erscheint.

Nun kommt eine Firma und bietet Segel für Frachtschiffe. Am lustigsten fände ich ja: Segel an Tankschiffen! Erdöl mit Windkraft transportieren, das doch eine ganz neue Perspektive, sozusagen ein Denkmal der Ironie. Das ist so, wie mit Strom zu heizen - völliger Unsinn, wird aber gemacht. Und Skysails erwähnt diese Idee mit den Öltankern auch in der Vorrede ihres Films.

Interessant wird es vor allem dann, wenn man mit laienhaften Segel-Kenntnissen an die Sache herangeht. Auf einmastigen Segelschiffen stehen die Masten nicht zufällig in der Mitte. Das Zentrum der Segelfläche muss sich annähernd über dem Zentrum des Rumpfes befinden (Segeldruckpunkt über Lateraldruckpunkt, besser konnte ich das nicht erläutern)

Ich versuche es mal laienverständlich zu formulieren: Wenn man die Vortriebskraft nicht in der Mitte des Schiffes einleitet, hat das Schiff die Tendenz, sich zu drehen. Je weiter aus der Mitte, desto stärker. Weil man nicht genau gegen den Wind segeln kann, entsteht fast immer eine seitliche Kraft. Außer bei Wind genau von hinten.

Auf ihrer Webseite hat die Firma ein Video vom Probeschiff ("SkySails fliegt! - Video Stream"). Wir sehen es und erkennen: Der Mast steht ganz am Bug. Aha. Das ist dann noch gerade eben so plausibel, wenn man genau mit dem Wind fährt, der einzige Fall, in dem keine Drehtendenz auftreten muss. Aber die Firma verspricht ja, dass man auch am Wind segeln kann (und zwar bis zu 50° zum Wind!). Da bin ich gespannt.


Beim Video vom Probeschiff sieht man auch, dass beim Probesegeln am Ende das Schiff einen scharfen Bogen fährt. Was man nicht sieht, und zwar in keinem Moment des Films, ist das Kielwasser des Schiffes. Alle Bilder aus dieser Perspektive sind computergeneriert.


Das wäre womöglich verräterisch: Ich würde schon gerne wissen, wie lange sie mit dieser Konfiguration geradeaus segeln konnten. Nun gut, vielleicht wird der Effekt ja durch das 8-förmige Steuern des Drachens ein wenig reduziert.

Wer sich mal einen alten Großsegler ansieht, bemerkt schnell, dass es auf so einem ganz schön kompliziert zugeht: Tausende von Leinen, Tauen, Seilen laufen kreuz und quer, weil man für große Schiffe riesige Segelflächen brauchte und diese schwer zu bändigen waren. Ein alter Großsegler brauchte Dutzende Mann Besatzung. Und so ein alter Großsegler hatte ein Bruchteil der Größe der heutigen Frachtschiffe.


(Foto: Gorch fock auf http://www.esys.org)

Dabei sind Segelschiffe im Lauf der Entwicklung immer auf das absolut notwendige Minimum hin optimiert worden - da gibt es keinen Schnickschnack, Bequemlichkeit bei der Bedienung wäre rausgeschmissenes Geld gewesen.

Wenn ein Großsegler also auf den Betrachter kompliziert wirken mag, ist diese Kompliziertheit das damals absolut notwendige Minimum um derartige Massen zu bewegen.

Zum Vergleich der alte Frachtsegler PAMIR: Ca. 4.700t Fracht, ca. 3.600m² Segelfläche, etwa 30 Mann Besatzung.

Diese Größe erreichen heute nur die Küstenmotorschiffe, Hochseeschiffe sind erheblich größer.

Jetzt darf man also gespannt sein: Im Skysails-Film ist von 160qm Segel die Rede ("benötigt nicht mehr Raum als eine Telefonzelle"). Und dafür haben sie bereits eine funktionierende Setz- und Bergevorrichtung und hochfeste Seile in ausreichender Stärke. Lustig.

Für ein ordentliches Frachtschiff braucht man vermutlich eher Segel in der Größe von 16.ooom², und das dann aus ziemlich festem Stoff. Da darf man gespannt sein, wie sie die tonnenschweren Tücher in die Luft kriegen und dann wieder in die Tüte.

Diese gelbe Leine, die immer wieder im Bild auftaucht, ist tatsächlich hochfest, für Leinenverhältnisse schon sehr dick. Auf einem großen Frachter braucht man aber noch ganz andere Dimensionen. Für dieselbe Leine mit zehnfachem Durchmesser muss man erstmal einen Hersteller finden. Hersteller finden heißt: Jemand der das KANN, zu BEZAHLBAREN Kosten.

Wer sich selbst kleinere aktuelle Schiffe ansieht, stellt fest: In der Mitte ist das Schiffsdeck voll mit irgendwas, entweder Ladung, oder Ladebäume, Lüftungsrohre, Schläuche. Als Segler weiß man: Alles, was nicht absolut glatt ist, ist geeignet, ein Segel darin zu verfangen und daran aufzuschlitzen. Das Charlie-Brown-Syndrom, nur mit größeren Drachen, ohne Baum und auf dem Wasser.

Wenn man einen Mast in die Mitte stellt, muss dieser wahrscheinlich sehr, sehr hoch über das Schiffsdeck fahren, um den Drachen sicher steigen zu lassen. Dann wird es natürlich mit der Statik schwierig, sowohl wegen der Zugkräfte in Fahrtrichtung, wie auch wegen der Krängung (seitliches Kippen).

Auf dem Film sieht man außerdem: Zum Bergen des Drachen fährt der kleine Prototyp vorsichtshalber mit dem Wind. Als Segler kennt man sowas schon, aber lästig ist es trotzdem: Man kann nicht sofort da hin fahren, wo man eigentlich hin wollte. In Küstennähe kann das schwierig werden - das Ufer kommt auf einen zu, aber das Segel ist immer noch nicht unten. Die seefahrenden Kaufleute werden das nicht mögen.

Also, das Segel taugt voraussichtlich nur für Fahrten genau mit dem Wind. Sowas kommt schon vor, etwa im Nordatlantik-Verkehr. Aber hier wird ja viel mehr versprochen.

Hihi: "Kumulierter Umsatz von 1,1Mrd. Euro..."
"kumuliertes Umsatzpotential von über 10 Mrd. Euro"


Ich suche nur noch "Verzinsung 30%".

Auf mich wirkt diese Firma nur unwesentlich seriöser als Cargolifter, auch wenn das BMFT und ein Schiffsfinanzierer fördert.


Die ersten drei Bilder stammen vom Magazin Spiegel - der sie wohl wiederum aus der Pressemappe der Firma hat.

 

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das Ding soll ja nur den herkömmlichen Motorantrieb unterstützen, nicht komplett ersetzen, und so ein paar Prozent Verbrauch einsparen.

100 Goldfischli hat gesagt…

Ah, danke, wenigstens einer hat's gelesen.

Also, ich denke das Ding kann nur den herkömmlichen Antrieb unterstützen, und dieses auch nur vor dem Wind.

Es soll aber etwas ganz anderes und wird dafür mit ziemlich unlauteren Sprüchen und Medien erstaunlich aufwändig beworben.

Wenn da von Milliardenpotental die Rede ist, kann man sich vorstellen, wie viel Kohle die Freunde von Skysails noch bei möglichen Investoren einsammeln wollen.

So lange kein öffentliches Geld dabei ist, sagen wir Forschungs- oder Wirtschaftsförderung, ist ja fast alles in Ordnung. Und so lange keine Kleinanleger über den Tisch gezogen werden. Die großen können sich selbst einen Fachmann leisten.

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