13 Januar 2008

Träumen und Schäumen


Dieser Artikel erscheint hier vor allem deshalb, weil man solch hanebüchene Tipps nicht nur von halbwüchsigen Schülern erhält, sondern zuweilen auch von Leuten, die sich für Bauhandwerker halten

Hier gings ja öfter schon um Bauschaum. Aus diesem Anlass hier ein weiterer Hinweis: Wenn Bauschaum für etwas bestimmt auch nicht geeignet ist, dann dafür:

Bauschaum gegen knarrende Holzfußböden

Meine Eltern wohnen in einem Altbau mit altem Dielenfußboden. Das ständige Knarren beim Drüberlaufen ging uns auf die Nerven. Mein Vater bekam folgenden, hilfreichen Tipp:

Da sich ja unter den Dielen ein Freiraum befindet, der dazu führt, dass die Dielen sich beim Drüberlaufen bewegen und aneinanderreiben, muss dieser gefüllt werden. Man braucht dafür einen Bohrer und Bauschaum. Je nachdem wie groß die Fläche ist, macht man mit dem Bohrer ein oder mehrere Löcher. Den Abstand muss man selbst ausprobieren. In diese spritzt man dann den Bauschaum. Die Menge, je nachdem wie groß der Hohlraum ist, muss man selbst ausprobieren. Der Schaum dehnt sich ja dann aus, wird hart und gibt somit den Halt. Bei uns knarrt keine Diele mehr.


AARGH!!! So ein Depp! So ein Depp! So ein Depp! Das hält mit Sicherheit nicht länger als ein Jahr. Dafür hat man jetzt mit tödlicher Sicherheit den Trittschall in die Decke eingeleitet - selbst wenn es vorher eine Trennung gab.

Glaubt mir wieder keiner, weil im Baumarkt doch immer so schöne Geschichten auf den Werbetafeln stehen? Klar doch. Und jeder kennt einen, der sich damit ganz genau auskennt und ganz bestimmt weiß, dass man es so machen kann. Vertraut diesen Schwätzern nicht - auch wenn die selbst an ihren Unfug glauben! Und auch wenn das erst neulich im Internet stand!

Also: Warum soll das nicht gehen? Weil Bauschaum keine Punkt-Belastungen verträgt. Was der Bauschaum kann: Dinge in Position halten. So lange diese Dinge sich nicht bewegen.

Bauschaum ist ein Material, das aus Gasbläschen besteht, welche von einer dünnen Schicht Kunststoff umgeben sind, Schichtstärke einige hundertstel Millimeter. Die Kraftübertragung wird also von dieser dünnen Schicht übernommen und funktioniert deshalb, weil es so viele sind, Stege zwischen den Bläschen, tausende je Quadratzentimeter.

Durch die Feinheit der Schicht ist diese ganz leicht zu zerstören. Ausprobieren: Wenn die glänzende Oberfläche nicht da ist, kann man ganz leicht mit Fingernägeln drin herumkratzen. Wenn man drauf herumkratzt, wird die feine Tragschicht nicht verformt, sondern zerstört und bildet sich auch nicht zurück. Genau das tun auch die Dielen, wenn sie sich bewegen. Anfangs wird nur wenig von der Schaum-Struktur zerstört, dann immer mehr, bis nach überschaubarer Zeit der alte Zustand wieder hergestellt ist.

Bauschaum ist nämlich nicht elastisch. Soll er auch gar nicht, sonst würde er die Sachen nicht in Position halten. Allerdings schrumpft er meist mit der Zeit etwas ein, und weil er nicht elastisch ist, reißt dann die Oberfläche des Bauschaums von dem Teil ab, das sie halten soll. Deshalb werden Bauschaumverbindungen an Fenstern auch nicht winddicht. Jedenfalls nicht auf Dauer. Sondern nur so lange, bis der Handwerker die Baustelle verlassen hat.

Die Decke, die er beschreibt, sieht im Querschnitt so aus:


Die Grafik stammt von der sehr empfehlenswerten Seite www.holzfragen.de, welche von den Sachverständigen Rüpke und Dr. Kürsten betrieben wird. In vielen Altbauten besteht die oberste Schicht aus Dielen statt "Parkett auf Blindboden"

Der junge Mann oben, mit dem Bauschaum, möchte also den oberen Hohlraum mit Schaum ausfüllen, und zwar deshalb, weil sich die Dielen, obwohl sie auf die Balken genagelt sind, beim Betreten bewegen. Wenn er Glück hat, passiert gar nichts.

Der ausdehnende Schaum kann natürlich auch durch den Druck die Dielen anheben. Für die absoluten Idioten gibt es dazu ein neues Produkt: Einen Schaum, der keinen Druck erzeugt. Dass so einer nicht allzuviel bewirkt - außer Ebbe im Geldbeutel - kann man sich vielleicht denken.

Wenn der junge Mann Pech hat, sind die Dielen stabil, aber die mittlere Holzlage - sog. Staken - bricht durch. Dort wurde nämlich immer nur minderwertiges Holz verwendet. Dann brettert die Schüttung, welche häufig nicht aus Lehm, sondern aus loser Schlacke besteht, auf die untere Decke. Diese wiederum trägt nicht besonders gut.

Es kann einem aber auch passieren, dass stellenweise gar keine Zwischenlage vorhanden ist und der Bauschaum die Unterdecke von den Balken löst. Das ist bestimmt lustig.

Also: Finger weg von solchem Unsinn!
 

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