08 Juli 2008
Eine Flagge um die Schultern
Die Fußball -EM ist vorbei, jetzt ist es vorläufig wieder ruhig, bis in ein paar Wochen, da ist Olympia, und bei der Tour de France besteht ja auch manchmal eine unerwartete Chance zum Fahnenwedeln
Was für eine seltsame Geste: Sich eine deutsche Flagge um die Schultern zu legen. Neulich sah ich das bei einem Jugendlichen mit einem seltsam melancholischen Gesichtsausdruck. Abends, leerer U-Bahnhof, surrende Getränkeautomaten, außer mir nur der junge Mann. Bei ihm reichte die Flagge fast bis zum Boden und umschloss ihn beinah vollständig. Vorne hielt er sie mit den Händen zu.
Er trug einen verlorenen Gesichtsausdruck, seine ganze Erscheinung sprach "allein in der Kälte und von allen verlassen". Mitte Juni. Und das schwarzrotgoldene Feudel spendete ihm Wärme, so dünn es auch war.
Sich mit einer deutschen Flagge kleiden... wenn man einem bestimmten Kulturkreis entstammt (Adoleszenz im Deutschland der siebziger Jahre, Oberschule, Studium), hält man das für eine abwegige Idee.
In Deutschland klappt die Unterscheidung zwischen Nationalismus und Patriotismus nur selten: Patriotismus als "Stolz auf das eigene" vs. Nationalismus als "Hass auf die anderen". Dieser bedeutende Unterschied wurde nach dem Krieg von interessierten Kreisen immer wieder gern und absichtlich verwischt. Als denkender Mensch hielt man sich deshalb vorsichtshalber auch vom Patriotismus fern. Und von seinen Symbolen: Flaggen etwa, und Liedern.
Es gab natürlich die ganze Zeit genug dumpfe Hirsel, die sowas nicht interessierte, und die aus jedem fremden Scheiß eine Nationalfrage machten: Fußball, Autorennen - wir haben gewonnen!
"Du - und wer noch?"
Die Distanz zu Patriotismus und Nationalismus ist inzwischen kleiner geworden. nur der oben erwähnte Kulturkreis betrachtet die Sache immer noch mit Argwohn. Die jüngeren finden es aber völlig okay, sich nationale Abzeichen auf die Backe zu malen. Tja. Ist das ein Zeichen für irgendwas?
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1 Kommentar:
ähhh, -nein.
die hängen sich bei anderen fußballfeiern auch anderes um: rotblau, rotweiß oder so. die farben ihrer mannschaft waren nun mal jetzt schwarzrotgold.
die wolln doch bloß feiern, die tun nix. und nun lass die doch auch mal bißchen spaß haben.
und sei mal nicht immer so tiefsinnig, hm.
mit viel gruß und bis bald
nic.
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