23 Juli 2008

Pfänder Spiele


Ein Schuft, wer da jetzt schlechtes denkt

Flaschenpfand ist eigentlich eine sinnvolle Einrichtung, auf Grundlage einer umweltschonenden Idee: Der Kunde soll mit dem Pfand ermuntert werden, die Flasche nicht wegzuwerfen. Diese materielle Ermunterung braucht es wohl, um Stumpfsinn und Bequemlichkeit zu überwinden - der Weg zum Mülleimer ist nun mal meist kürzer als der in den nächsten Getränkeladen.

Wer in einer halbwegs brauchbaren Stadt wohnt, hat mindestens fünf Läden in fußläufiger Entfernung. Alle haben ein unterschiedliches Sortiment, man kann sich einfach schon schlecht merken, was man wo gekauft hat. Und man will sie nicht alle abklappern, schließlich liegen die aus gutem Grund nicht direkt neben einander ¹.

Allerdings wurde das Flaschenpfand von den Händlern lange Zeit für eine besonders unsympathische Art der Kundenbindung missbraucht. Wenn man sich schon mal aufgerafft hatte, die 30 leeren Flaschen einzupacken und in einen Laden mit Getränkesortiment zu tragen, bekam man von der Kauffrau oder dem Kaufmann immer wieder triumphierend den Vorwurf zu hören: "Die haben sie aber nicht bei uns gekauft!" Und dann musste man die Flaschen wieder mitnehmen.

Es handelte sich damals zwar meistens um die Einheitsflasche - nur es klebte das falsche Etikett drauf. Am Etikett erkannte die Kauffrau, dass man ihr untreu geworden sein musste und strafte einen voll Eifersucht ab, einen gutwilligen Kunden, der nur ein paar Flaschen zurückgeben wollte und ansonsten die Ware brav bezahlte.

Demütigung als Erziehungsmaßnahme.

Immerhin nur beim Flaschenpfand. Aus einem kleinen Dorf mit genau zwei Läden wurde auch folgende mögliche Einstellung berichtet: "Wenn sie bei DER kaufen, bekommen sie HIER nichts!" Kreissägenstimme denkt sich der Leser dazu.

Und auch sonst denkt er sich seinen Teil: Nämlich, dass viele Kaufleute ihre Kundenbindung gerne mit Erpressung herstellten.

Man hätte das ja vielleicht auch mit einem attraktiven Angebot versuchen können. War aber wohl nicht so die nahe liegende Lösung.

Diese unschöne Erscheinung ist zum Glück seltener geworden, und es hängt anscheinend mit dem Einsatz des Pfandautomaten zusammen. Der verzichtet auf den triumphierenden Unterton und gibt nur den neutralen Bescheid: "Flasche gehört nicht zum Sortiment." Damit kann man leben. ²

In den letzten Jahren haben aber doch viele Kaufleute dazugelernt: Wer eine leere Flasche abgibt, nimmt gleich wieder eine volle mit. Egal ob Pfandautomat oder Erkenntnis: Eine Pfandflasche wird man heute viel leichter los als vor zehn Jahren, auch wenn das falsche Etikett drauf klebt.

Dabei gibt es im Land der Regeln und Normen heute wieder unzählige Formate von Flaschen, kurze breite, hohe schmale, mit Kronkorken, mit Bügelverschluss und noch ganz andere. Wenn sich der Kaufmann Mühe gibt, akzeptiert man das aber viel leichter: "Sehen sie mal, die Flasche ist so hoch, die passt wirklich in keine meiner Kisten. Wenn ich die so zurückgebe, wirft sie eben der Großhändler weg."

Na gut, da hat er wohl recht. Andererseits sagt das viel über die Getränke- und Flaschenhersteller.



¹ im Gegensatz zu Aldi und Lidl: Die haben irgendeinen Grund, in Berlin immer in Sichtweite zu einander neue Läden zu eröffnen. Das Aldi/Lidl-Doppelpack existiert allein in Schöneberg mindestens drei mal.
² macht dabei inhaltlich gar keinen Unterschied

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