10 Oktober 2008

Formen


Die Vagina als Entwurfselement in der Architektur


Ich war mal in einer Gemälde-Ausstellung, wo ein Besucher nach kurzer Erkenntnisphase ausrief: "Das sind ja lauter Muschis!"

Das lag wohl daran, dass der Maler lauter Muschis gemalt hatte. Eine ganze Galerie voll mit Muschibildern. Naja, vielleicht waren es auch lauter stehende Mandeln in Großaufnahme, aber unscharf. Die Bilder hatten einen minimalen Abstraktionsgrad, eben so ausreichend, dass der Unterschied nicht zu erkennen war.

Männern wird ja häufig vorgeworfen, sie würden sowieso an nichts anderes denken. Viele Künstler wiederum sehen sich anscheinend verpflichtet, animalische Triebe und Phantasien auszuleben. Das tun andere Leute zwar auch, nur unwillkürlich. Aber Künstler glauben oft, sie MÜSSTEN das tun, weil sie eben Künstler sind.

Phantasie, Fruchtbarkeit, Kunstschaffen, Freiheit von Bindung und Verpflichtung - etliche pflegen den Vulgärfreudianismus, nur auf einer anderen Ebene.

Und dann sind da die Architekten. Viele halten sich ebenfalls für Künstler, nicht mehr so schlimm wie früher, aber immerhin. Gleichzeitig sehen sie ihre Kunst immer unter dem unschönen Zwang zur praktischen Anwendbarkeit. Sowas schließt sich eigentlich gegenseitig aus - aber genau in der Lösung dieses Widerspruchs sehen Architekten ihre Legitimation. Je nun.

Einigen ist der Haken an der Sache schon klar, und deshalb wollen sie wenigstens ein klein wenig aufbegehren. Dann sind sie eben Büttel des Kapitals und Revolutionäre in Personalunion. Anderen fällt schlicht nichts ein, sie kehren nochmal zu der allerersten Skizze zurück, die sie auf den Zeichenblock beim Telefonat mit ihrer Ex gemalt haben.

So erkärt sich wohl das Phänomen der immer wieder auftauchenden Mandelformen und Ellipsen in der Architektur.


1.

Beginnen wir doch mal hiermit:


Erkennt Ihr das? Das Gebäude wird auch sinniger Weise im Volksmund "Schwangere Auster" genannt, neuhochdeutsch: Haus der Kulturen der Welt. Allerdings hat es der Architekt in seinen Skizzen wahrscheinlich nicht ganz exakt so dargestellt, wie man es hier sieht: Dieser Entwurf ist unverdächtig und dient nur zur Einstimmung und Anregung der Phantasie des Lesers.

Photo stammt von Gugel und eignet sich besonders, weil es genau von oben ist, wie bei einer Grundrisszeichnung.


2.

Jetzt aber:


Und? Erkannt? Nicht drauf gekommen?
Das ist nur 500m von der Schwangeren Auster entfernt - nämlich das Bundespräsidialamt, direkt neben dem Schloss Bellevue.

Kann man sich vorstellen, wie der Architekt da saß: Ärger mit seiner Frau, Ticket wg. Falschparken und Diskussion mit der Politesse, Streit im Supermarkt mit der Frau vor ihm in der Schlange, weil er ihr dauernd den Wagen in die Hacken fährt, und die scharfe Praktikantin lässt ihn immer wieder voll abblitzen.

Dann setzt er sich an den Schreibtisch und ihm will nichts einfallen. Dennoch skizziert er widerwillig drauf los, es geht irgendwann doch und er gibt schließlich seine beseelten Skizzen seinen Mitarbeitern zur Ausarbeitung mit den Worten: "Macht mal so, rund ist immer gut..."

Und die Mitarbeiter setzen noch mutlos an "Aber Chef...", aber sie ahnen ja auch, wie schwer er's hat, und behalten den Rest für sich, vor allem weil sie nicht wissen, wie sie ihren Einwand formulieren sollen.


3.

Und dann gehen wir nur 800m weiter und kommen zu diesem schönen Gebäude:


Glaubt mir eh keiner, der das nicht kennt. Aber doch, in echt: Das ist die Bundeszentrale der CDU. Ausgerechnet. Übrigens sonst ein ziemlich ätzender Bau.

Da kann man sich richtig vorstellen, wie die den Freidemokraten verbundenen Architekten, vom Rotwein befeuert, feixend in ihrem Büro sitzen und undeutlich gröhlen:
"Wooo-haaa-haaa-haaa! Da kommen die nie drauf! NIE! Die sind ja so blöd!"
Wie Architekten eben so von ihren Auftraggebern reden.

Und wider Erwarten kam der Entwurf zur Ausführung, wahrscheinlich, weil die Bauherren sehr wohl erkannt haben, aber diese Symbolik der Fruchtbarkeit für ihre Partei eigentlich ganz angemessen fanden und sich gegenseitig sagten: "Naja - warum denn nicht?"

Zum Schluss noch eine Annahme zum vermuteten Ausgangspunkt der Entwurfsskizze:



Und einen weiteren Assoziationskern, nur diesmal in der anderen Richtung. Nochmal das Bundespräsidialamt, gesehen von einem unbefangenen Fotografen. Sollten wir hier nicht auch einmal über dessen sexuelle Orientierung spekulieren?



edit, sehr lange Zeit später:
Es gibt ein Update und im Twitter vom Herrn Hartweizenhirn eine weitere Ergänzung.


Die Fotos alle von Gugel-Mäps, die letzten beiden gedreht, so wie sie der Architekt auf den Zeichnungen gesehen haben müsste (meine Mutmaßung), richtige Grundrisszeichnungen hab ich leider nicht gefunden.

2 Kommentare:

mq hat gesagt…

>> Davon ganz zu schweigen.

100 Goldfischli hat gesagt…

Link zum letzten Foto lautet jetzt Bundespräsidialamt

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