24 September 2009

Fortschritt in Space


für alle, die glauben, dass Fortschritt und Space
schon fast das selbe sind



Foto beim Tagesspiegel ausgeliehen.

"WAS schwirrt da jetzt herum? EIN SCHEINWERFER?"

"Naja. Ich fürchte, ja."

"Sie haben statt unserem Satelliten einen Scheinwerfer in den Orbit geschossen?"

"Die. Ich nicht. Ich habe ihn nicht raufgeschossen."

"Es dauert zwei Monate, bis so ein Satellit auf der Rakete montiert ist - und in der ganzen Zeit hat das keiner gemerkt?"

"Na, ja, die sehen wohl fast ähnlich aus..."

"FAST? ÄHNLICH?"

"... naja, schwarze Kiste, ein paar Kabel, ein paar Klappen ..."

"ÄHNLICH? Ein primitiver Bühnenscheinwerfer und ein Satellit? ÄHNLICH?"

"Ja, hm. Da ist wohl ein Fehler beim Auspacken passiert. Der Lehrling hat..."

"Welcher Lehrling?"

"... na der Lehrling, der das immer macht, Auspacken und so."

"Sie lassen einen Lehrling an unseren Satelliten?"

"Die. Nur zum Auspacken..."

"DIE lassen einen Lehrling unser 30 Millionen teures Gerät auspacken?"

"Naja, beim Auspacken kann doch nichts passieren ... dachten wir ... die."

"Außer dass wir einen Scheinwerfer hochschießen."

"Wir haben uns ja auch gewundert, als wir nach dem Start kein Signal kriegten."

"Genau: Weil ein primitiver Scheinwerfer nun mal nicht sendet. Und auch nicht forscht."

"Ja. Hm."

"Wie haben sie das überhaupt gemerkt? Sie können den Scheinwerfer ja nicht so direkt sehen, von der Erde aus. Der leuchtet ja zur Zeit nicht."

"Der Chefingenieur hat sich einen Fuß gebrochen. Er ist beim Fußball im Lager über eine Kiste gestolpert."

"Im Lager wird Fußball gespielt?"

"Nein."

"Das klimatisierte Lager, wo der Satellit normalerweise bis zur Montage liegt?"

"Nein. Aber wirklich nur manchmal. Die Sachen dort sind doch alle verpackt. Wo sollen die denn sonst Fußball spielen?"

"Gar! Nicht! Wir sind nicht hier zum Fußballspielen! Sie sollen hier arbeiten!"

"Die. Und die hatten doch Pause. Da haben sie eben Fußball gespielt."

"Wir stehen hier unter einem wahnsinnigen Zeitdruck und die Brüder machen Pause?"

"Nur zur Entspannung. Da haben sie eben Fußball gespielt."

"Im Lager!"

"Und dabei hat sich der Ingenieur den Fuß gebrochen."

"Gut!"

"Und um herauszufinden, wen er auf Schmerzensgeld verklagen muss, hat er darauf bestanden, dass die Kiste geöffnet wird. Wir mussten ohnehin suchen. Die Firma die uns den Scheinwerfer geliehen hat, hat uns schon eine Mahnung geschickt, weil sie ihn jetzt endlich zurück haben wollen."

"Wofür leihen wir uns Bühnenscheinwerfer?"

"Der Scheinwerfer war für das Betriebsfest. Die Bühne. Für die Vorführungen."

"Für das Betriebsfest, das ich vor meiner Dienstreise abgesagt habe?"

"Abgesagt?"

"Verboten, genau gesagt. Das war meine Wortwahl: Verboten. Weil wir keine Zeit hatten und mit der Arbeit fertig werden mussten."

"Verboten? Kann ich mich nicht erinnern."

"Nicht? Vielleicht weil meine Dienstreise drei Wochen gedauert hat?"

"Kann sein..."

"Da haben sie in den drei Wochen das abgesagte Betriebsfest gefeiert, statt unser Equipment zu testen?"

"Nein, äh, wir haben schon getestet, auch."

"Auch? Was für Vorführungen überhaupt, auf der Bühne? Die mit dem Scheinwerfer, sie wissen schon?"

"Naja, jede Abteilung sollte einen Sketch über ihre Arbeit machen, und da..."

"Über die
geheime Arbeit, nehme ich an?"

"Genau. Und da mussten wir doch proben. Die. Und deshalb brauchten wir den Scheinwerfer schon länger, als wir ursprünglich dachten..."

"Und dann kam diese Mahnung, ganz unerwartet."

"Ich hatte doch unterschrieben. So ein Gerät ist unheimlich teuer, mehrere tausend, haben die geschrieben. Für so einen simplen Bühnenscheinwerfer. Die sollten besser nicht so geizig sein. Da ist doch nichts drin. Wenn man sich da unseren Satelliten ansieht..."

"Tatsächlich: Mehrere tausend? Oh-mein-Gott! So viel Geld! Dagegen ist unser Satellit ja geschenkt."

"Ja, genau. Ich hatte doch unterschrieben. Und sie haben gedroht: Wenn wir ihn nicht zurückgeben, muss ich ihn ersetzen."

"Den Satelliten?"

"Den Scheinwerfer."

"Das mit dem Zurückgeben wird jetzt wohl schwierig, was?"

"Was mache ich denn nur?"

"Am besten geben sie denen unseren Satelliten, den brauchen wir ja nun nicht mehr, die Rakete ist ja weg. Und das Wechselgeld lassen sie von dem Lehrling in ein paar Schubkarren hierher bringen."

"Was? Ach so, ja. Ha ha."

"Also: Sie hatten einen Scheinwerfer vermisst und nach dem Start kein Signal vom Satelliten. Und dann hat sich der Chefingenieur den Fuß gebrochen, weil er beim Fußball im Lager über eine Kiste gestolpert ist?"

"Wir mussten den Scheinwerfer doch sowieso suchen. Er wollte, dass wir nachsehen, was in der Kiste ist. Und da haben wir unseren Satelliten gefunden.

"So, so."

"Ja, und da haben wir uns gefragt, was dann wohl in der Rakete war, die da neulich gestartet ist."

"Ach? Haben sie sich gefragt?"

"Ja. Und als der Lehrling von seinem Bildungsurlaub zurück kam..."

"Bildungsurlaub! Den haben hier einige andere viel nötiger."

"... hat er uns die andere Kiste gezeigt, die, die er ausgepackt hat. Die stand da noch. Irgendwie räumt dort nie jemand auf, im Lager. Dann haben wir uns die Kiste genau angesehen und es war die Verpackung von so einem Scheinwerfer für das Betriebsfest."

"Aha. Und der Lehrling, der immer die 30-Millionen-Satelliten auspackt, konnte leider das Wort 'Scheinwerfer' nicht lesen."

"Das war alles chinesisch beschriftet, koreanisch! Taiwanesisch, oder so."

"Aber SIE konnten das alles lesen? Wie ist denn das koreanische Schriftzeichen für Scheinwerfer? Ist das ein zusammengesetztes Zeichen aus dem Symbol für Banknotenbündel und einem Männchen, das sie anzündet?"

"Nein, ganz weit unten stand es auch in unserer Sprache. Ganz klein."

"Englisch?"

"Deutsch."

"Und der Lehrling, der immer die 30-Millionen-Satelliten auspackt, kann so was schwieriges leider noch nicht lesen. Schein-wer-fer."

"Na ja, dafür ist er ja Lehrling..."

"Zum Lesenlernen? Früher lernte man das in der Schule."

"Aber der Junge kann doch nichts dafür..."

" 'Der Junge'? Etwa ihr Sohn? Ist Ihr Sohn etwa 'Der Lehrling, der immer die 30-Millionen-Satelliten auspackt'?"

"Na ja, warum denn nicht?"

"Dieses faule verwöhnte Früchtchen, dem ihre Frau Zucker in den Arsch bläst und der nach der achten Klasse '
keinbockmehraufschule' hatte und abgegangen ist, fasst unsere Satelliten an?"

"Na ja, der Junge sollte doch was lernen..."

"Genau! Lesen zum Beispiel, das wäre eine gute Idee gewesen! Und in der dritten Stunde den Unterschied zwischen einem Satelliten und einem Bühnenscheinwerfer. Jeder Idiot kann das!"

"Mein Junge ist kein Idiot."

"Was? Denn?? Sonst??? Bei dem Vater?"

"Na hören sie mal..."

"Haben sie Angst vor ihrer Frau gehabt? Hat die besorgte Mutter ihnen Prügel angeboten wenn der Sprössling nicht sofort Karriere macht? Oder muss das unbegabte Kind unbedingt noch was dazu verdienen, weil ihr fünfstelliges Einkommen nunmal leider nicht ausreicht?"

"Nein, mein Sohn..."

"Hat Ihre Frau gedroht, dass sie sonst zu ihrer Mutter zurückgeht?"

"Nicht ... ganz. Ihre Mutter ... sollte zu uns ziehen..."

"Was hat das mit ihrem zurückgebliebenen Sohn zu tun?"

"Der Junge ist nicht zurückgeblieben..."

"Nein - sondern leider nur dämlich für vier."

"... sie sollte auf ihn aufpassen, damit er keinen Unsinn anstellt, wenn ich bei der Arbeit bin und meine Frau ihre Besorgungen macht."

"Richtig, ich vergaß: Man muss auf ihn aufpassen, auf den kleinen Jungen."

"Ja, weil er sonst..."

"Oh, ich ahne, was er sonst ... Seit wann macht ihre Frau Besorgungen? Das wäre ja fast wie Arbeit. Ach, ich will es gar nicht wissen! Und da war es natürlich einfacher, wenn wir hier auf ihn aufpassen, zwei Dutzend hochqualifizierter Wissenschaftler als Aufsicht für ihr achtzehnjähriges grenzdebiles Früchtchen?"

"Nein, meine Frau... ich ... ich meine ..."

"Ich schwöre: In der nächsten Rakete sitzen sie, egal was es kostet! Aber ohne Raumanzug! Nein, noch besser: Der Raumanzug wird von ihrem Sohn gewartet. Und das Essen für die Mission kocht ihre Frau! Und ihre Schwiegermutter programmiert die Steuerung. Dann kann gleich ihre ganze Familie hier unterkommen. Haben sie nicht noch einen senilen Schwiegervater? Wir finden bestimmt einen Posten für ihn. Eine Tante mit Alzheimer? Die nehmen wir für den Countdown, unsere Zeitfenster für den Start sind ja immer sehr kurz, da kann das Personal gar nicht billig genug sein."

"Aber so habe ich das doch gar nicht gemeint! Ich wollte doch nur..."

"Sie wollten doch nur für unsere Mission das beste, oder?"

"Genau."

"Und das viele Steuergeld sollte vernünftig eingesetzt sein."

"Genau!"

"Dann sehen sie mal zu, dass sie da oben einen Stromanschluss für ihren Scheinwerfer finden, dann können sie wenigstens die Erde aus dem Orbit beleuchten."

"... aber ich muss den Scheinwerfer doch zurückgeben..."

"Na vielleicht liegt im Lager auch eine Leiter, mit der sie rankommen, dann holen sie ihn einfach wieder runter..."

"Eine so lange Leiter? Ach so: Ha ha...

...

...

aber ... wenn man ihn nicht zurückgeben kann, muss man den Scheinwerfer dann wirklich ersetzen?"

"Sehr wahrscheinlich, ja. Sehr wahrscheinlich."

"Das macht doch bestimmt die Firma?"

"Welche Firma?"

"Na unsere - unser Labor."

"So lange ich hier Chef bin: Nein. Wieso?"

"Haben wir da nicht eine Versicherung, die so etwas bezahlt?"

"Eine Versicherung gegen Dämlichkeit? Leider nein."

"Aber die Firma muss doch ... es war doch unser Betriebsfest ..."

"Sie meinen unser verbotenes Betriebsfest?"

"Äh, ja."

"Wer hat denn unterschrieben: Die Firma oder sie?"

"Ich."

"Sehen sie. Und wer bezahlt dann wohl?"

"Aber wie soll ich das denn machen? Wo soll ich das viele Geld denn hernehmen?"

"Sie meinen für einen Scheinwerfer, der nicht mal die Hälfte von ihrem Monatsgehalt kostet?"

"Ja. Das ist doch unverschämt! Diese Erpresser!"

"Ja. Erpresser."

"Solche Betrüger!"

"Ja. Alles Betrüger. Weil die ihren Scheinwerfer zurück haben wollen. Aber es ist ganz einfach: Sie geben denen ihre Frau, ihren Sohn, ihre Schwiegermutter, alles perfekte Leuchten - und das Wechselgeld bringen sie zurück nach hier. Das wird als Anzahlung für den Satelliten grade reichen."


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