These: Spätkäufe und Biobuden sind die neuen Tante-Emma-Läden.
Vor 30 Jahren wurde das allmähliche Aussterben der sogenannten Tante-Emma-Läden aufs heftigste beklagt. Vor 20 Jahren machte dann der allerletzte tatsächlich zu.
Zur Erinnerung: "Tante-Emma-Läden" waren inhabergeführte wohnungsnahe Geschäfte, die alles hatten: Lebensmittel, Kurzwaren, Reinigungsmittel, allerdings meist nur von einem Hersteller und zu einem höheren Preis als bei den aufkommenden Discountern.
Sie hatten wenig Personal und daraus ergab sich persönliche Bindung, sie boten sozusagen Sozialkontakt. Meist lagen sie in fußläufiger Entfernung. Und Sachen, die nicht im Sortiment waren, konnte man bestellen.
Irgendwann entdeckte die aufmerksame Kundschaft den niedrigeren Preis beim Discounter¹ und fuhr mit dem Auto dort hin zum Sparen. Als der Tante-Emma-Laden zugemacht hatte mussten sich dann auch alle anderen ein Auto zulegen weil es in der Nähe gar nichts mehr zu kaufen gab.
Aus heutiger Sicht kann man vermuten: Offenbar ist dabei doch eine schmerzliche Lücke entstanden.
Inzwischen machen an allen Ecken Bioläden auf. Mit ihrem Qualitätsversprechen ziehen sie einerseits die Kunden an, die von den Discountern genervt sind (Kreissägenstimme in Schlange 4: "Können sie BITTE! noch eine Kasse aufmachen!")
Sowie die, die aus weltanschaulichen Gründen nicht beim verbrecherischen ausbeuterischen Handelskettenhandel einkaufen ("Alles chemisch versucht! Die beuten ihr Personal to-taaal aus!").
Und dann noch die, die aus guter Familientradition inzwischen in zweiter Generation einfach ausschließlich in Bioläden gehen. Die kennen gar nichts anderes und wissen nicht einmal, dass die Discounter ihre Ware auch Lebensmittel nennen.
Akademiker- und Protestlerkinder aus den deutschen Universitätsstädten für die der Preis keine Rolle spielt. Es geht nichts über ein gepflegtes Vorurteil.
Sie alle kaufen im Bioladen welken Salat, Dosentomaten, Fertigpizza, Bio-Mikrowellengerichte, Bio-Fahrradflickzeug und Bio-Chlorreiniger mit Chlor aus kontrolliert biologisch-dynamischem Anbau.
Darüber, dass der Bioladen ganz offensichtlich genauso organisiert ist wie ein Discounter, nur noch straffer geführt, sehen sie großzügig hinweg. Immerhin macht das Personal keine Szene, wenn mal nicht alles nach Plan läuft und die Kundschaft skurrile Sonderwünsche äußert. Die Preise liegen deutlich höher als beim Discounter, das Versprechen der besseren gesünderen Qualität kann der Kunde kaum kontrollieren, weil der Mensch dafür nun mal keine Rezeptoren hat. Besser schmecken tut das Zeug jedenfalls meistens nicht.
Auf der anderen Seite wird die Tante-Eamma-Lücke von den Spätkäufen gefüllt. Die sprechen die verpeilte Kundschaft an, die nicht in der Lage ist, bis 20 Uhr eine Packung Milch, Käse, zwei Flaschen Bier und einen Liter Cola zu kaufen. Diese Kundschaft will entweder nicht zur Tankstelle, warum auch immer, oder es ist ihr einfach zu weit.
Die Spätkäufe sind ganz ähnlich aufgebaut wie früher der Tante-Emma-Laden: Sie haben ein ganz kleines Sortiment zu höheren Preisen, sind meist Familienbetriebe und haben dann geöffnet, wenn es die Kundschaft erwartet. Man kennt sich, es geht oft zu wie in der Stammkneipe - oder im Tante-Emma-Laden. Der Unterschied zur Biobude: Sie versprechen nichts, weder Qualität noch soziale Bindungen. Sie haben kein großartiges Konzept sondern verkaufen einfach nur, was der Kunde haben will. Es sind inzwischen ganz schön viele und die meisten scheinen zu funktionieren.
In diesem Fall scheint "der Markt" tatsächlich ohne zentrales Eingreifen eine Lücke zu füllen. Allerdings eine Lücke, die der Markt überhaupt erst geschaffen hat. Und das Ladenschlussgesetz musste dafür auch erst gelockert werden.
¹ noch etwas später beklagten sich die inzwischen eingesessenen Discounter über die Einkaufscenter am Stadtrand, auf der sogenannten "grünen Wiese" - die boten noch niedrigere Preise "knallhart kalkuliert!", gruben also den Discountern mit genau derselben primitiven Methode das Wasser ab mit der die Discounter den kleinteiligen Einzelhandel ruiniert haben.
2 Kommentare:
"Akademiker- und Protestlerkinder aus den deutschen Universitätsstädten für die der Preis keine Rolle spielt. Es geht nichts über ein gepflegtes Vorurteil."
Son Quatsch Goldfischli, den Akademiker- und Proteslerkindern gehts doch total schlecht, die gehn bei ALDI kaufen und freuen sich wenns trotzdem schmeckt. Bei "BIO Käsetheke" denkt doch der Akademiker mit Kindern in Deutschland an "Bankerbonis" der Deutschen Bank oder wie die echten Schufte alle heißen ... mmmh. Der gemeine Akademiker in Deutschland kann sich doch kaum die Stromrechnung leisten, daher sind doch alle (ab 9 in der S-Bahn) so mies gelaunt in diesem kalten Winter ... .
Irgendwem muss ich das doch anhängen, dass ich neulich einen mit Tiefkühlpizza in der Bioinsel traf ...
... welche übrigens das weit & breit beste Bier führt, welches man außerhalb der Bioläden nicht bekommt, anscheinend weil es zufällig Bio ist: Braumanufaktur
Ich kann Lidl und Aldi auch nicht leiden, aber die liegen am Weg und für Zucker, Filtertüten und Chlorreiniger sind sie okay. Für Bier nicht.
Anders ausgedrückt: Think globally - buy locally!
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