20 April 2010

Zahlungsmoral (1)

eine fast nicht erfundene Geschichte

Vor zwei Jahren habe ich als freier Mitarbeiter für einen anderen Architekten gearbeitet. Wäre natürlich schöner, ein eigenes Büro zu haben und selbst Mitarbeiter auszupressen. Aber die Dinge laufen halt nicht immer so, wie man sich das wünscht.

Vielleicht sollte ich noch vorweg schicken: "Die verbreitetste Krankheit unter Architekten ist der Geiz!" Das wollen wir uns bis zum Ende der Geschichte mal merken. Und je besser das Geschäft läuft, desto mehr quetscht ein richtiger Chef seine Mitarbeiter aus. Klar, auch hier gilt: "Die Leute hätten die viele Kohle nicht, wenn sie nicht so wären..." Aber ist das ein Trost? Wohl kaum.

I.

Je besser das Geschäft läuft, je bekannter so ein Architekt ist, desto größer ist der Anteil von unbezahlten Studenten und ganz unbezahlten Praktikanten im Büro. Und die anderen, die paar Festangestellten, bekommen regelmäßig wenig. Warum Mitarbeiter so etwas immer wieder mitmachen, fragt man sich. Aber die suchen eben Sicherheit, dafür nehmen sie so manche Unbequemlichkeit in Kauf. Angestellte in Architektenbüros lassen sich oft erstaunliche Dinge gefallen - interessanter Weise auch, was die Regelmäßigkeit der Bezahlung angeht. Da kann es schon vorkommen, dass zwei Monatsgehälter ausbleiben: "Der Bauherr hat nicht gezahlt, sorry." Der geleaste Jaguar des Chefs steht dann aber immer noch vor der Tür. Vielleicht suchen sie gar nicht wirklich Sicherheit, sondern ... sondern ... ich weiß es nicht.

Deshalb bin ich zwar kein Chef, aber auch kein Angestellter. Normalerweise geht das ganz gut und ernährt seinen Mann. Manchmal nicht.

Ich half also bei einem anderen Architekten aus. Ich kenne ihn vom Sehen aus meinem Sportverein, wo er mich ansprach: Er hätte da gerade einen personellen Engpass, ob ich nicht jemanden wüsste, der ihm ein oder zwei Wochen aushelfen könnte? Er sprach nicht zufällig mich an, wusste er doch, dass ich als Freiberufler arbeite - also genau das, wonach er suchte. Seine Erklärung klang erst mal plausibel.

Die ganz mickrigen Betrüger erzählen einem zuweilen auch gänzlich unplausible Geschichten. Aber auch die finden mit so einer Tränenstory noch einen mitleidigen Samariter, der versucht, sie aus der Scheiße zu ziehen. Dass das nicht geht, merkt der hilfsbereite Mitarbeiter meist zu spät.

Meiner war allerdings kein mickriger Betrüger, sondern ein Fachmann. Der sprach ganz profimäßig von einem personellen Engpass, ich wüsste ja selbst wie das manchmal sei: Monatelang warte man auf den Auftrag, und ausgerechnet als die wichtigste Mitarbeiterin sich in die Niederkunft verabschiedet hatte, sei der Auftrag gekommen. Und der andere Mitarbeiter sei leider krank geworden. Und die übrigen bis über beide Ohren ausgelastet. Er hatte als Vereinskollege zudem einen Vertrauensvorschuss.

Die Formulierung „ich wüsste ja selbst“ war eine klare Anbiederung. Inhaber funktionierender Büros gebrauchen sie mit Vorliebe gegenüber Leuten, von denen sie genau wissen, dass die kein eigenes Büro mit einem Dutzend Mitarbeitern haben. Sie tun damit so, als würde man miteinander auf einer Augenhöhe reden. Aber natürlich, ohne das wirklich zu meinen. Schon im Verlauf eines nur mittellangen Architektenlebens ist einem eine Menge mehr oder weniger wirkungsvolles Geschwätz begegnet und eigentlich beide wissen, dass die Sache mit der gleichen Augenhöhe keineswegs zutrifft. Ich schob diese hohle Phrase auf seinen wirklich dringenden Personalmangel.

Nun ja, er hatte einen personellen Engpass - ich hatte zufällig einen finanziellen Engpass. Das ist ja immer so, man hat immer nur eins: Zeit oder Geld. Ich hatte Zeit. Also fing ich bei ihm an.

Die Aufgabe war nicht außergewöhnlich anspruchsvoll, aber brauchte eine Menge Einsatz, weil der Chef auf jeden noch so absurden Änderungswunsch der Auftraggeber bereitwillig einging. Vorauseilend gehorsam. Jedes Husten des Bauherrenvertreters setzte er in einen neuen Entwurf um, mit entsprechendem Zeitaufwand. Konkret formuliert: Er wollte sich offensichtlich bei denen einschleimen. Der Aufwand dafür schien gleichgültig.

So etwas funktioniert nur selten. Das weiß ich, da die Ausgangslage gar nicht so selten ist: Dass Auftraggeber immer neue abseitige Wünsche und Ideen äußern, die für sie kostenfrei zu erledigen, darzustellen und zu prüfen sind. Dem muss man frühestmöglich energisch widersprechen. Wenn sie planmäßig auf dieser Masche reiten, ist die Geschäftsbeziehung sowieso vorbei, sobald der Auftragnehmer versucht, auch mal einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen. Wer einmal nachgegeben hat muss immer nachgeben, sonst ist er weg vom Fenster.

Wenn solche Auftraggeber den Auftrag kündigen wollen finden sie auch schnell einen anderen Dummkopf. Und selbst wenn sie keinen finden - zurückkommen können sie auf keinen Fall. Der frühere Auftragnehmer weiß dann  nämlich, dass sie jetzt erpressbar sind, eben weil sie keinen anderen gefunden haben.

Wer eine Weile im Geschäft ist, kennt das. Wer noch nicht so lange im Geschäft ist und eins und eins zusammenzählen kann, ahnt das.


... to be fortcontinued in kürze ... hier: Zahlungsmoral-2

1 Kommentar:

100 Goldfischli hat gesagt…

Und bevor erst jemand fragt: Nein, es war nicht das Büro, in dem neulich die Office-Comedy spielte.

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