28 April 2010

Zahlungsmoral (7)

eine fast nicht erfundene Geschichte

Was bisher geschah:
Wir befinden uns inzwischen im unbeaufsichtigten Büro eines gierigen Architekten der uns hereingelegt hat und machen uns Gedanken über die Sicherheitsmaßnahmen der informationsverarbeitenden Geräte.


...

Ein neunzehnjähriger Computerfreak legt seine Schwerpunkte intuitiv anders als beispielsweise ein Architektenbüro. Er findet es selbstverständlich, ja geradezu notwendig, dass auch ein paar Kanäle nach draußen geöffnet sind, mit denen Musik gehört werden kann oder Videos abgerufen oder Programme heruntergeladen. Der Unterschied zwischen "ein wenig illegal" und "bedrohlich" ist ihm nicht bewusst. Seine Freunde machen das ja alle so.

Im übrigen bringt neuere kommerzielle Software ihre sehr eigenen Sicherheitsmaßnahmen mit: Die zugehörige Hilfe wird inzwischen häufig aus dem Internet abgerufen. Dafür muss ebenfalls ein Kommunikationskanal geöffnet werden - der zufällig auch die Überprüfung ermöglicht, ob es sich um eine legale Kopie des Programms handelt.

Gerade im Baubereich ist die Versuchung zur Verwendung von illegaler Software groß, angesichts der Kosten guter Programme. Die Hersteller wissen das und suchen im Internet gezielt danach. Sie wissen auch, dass Mitarbeiter von Büros zuweilen selbst gebrannte Programme ohne Wissen des Chefs oder des Administrators installieren, weil ihnen das die Arbeit erleichtert. Wenn der Chef sich darum nicht kümmert, weil es ihn nicht interessiert, und der frustrierte Administrator keine Autorität hat, bleibt das Programm eben und das Risiko steigt.

Bei meinem Architekten wurden nur wenige Programme benutzt, aber die waren eigentlich alle bezahlt und legal. Die Mitarbeiter hatten generell keinen besonderen Ehrgeiz, schon gar nicht den, sich mit noch mehr neuer Software zu befassen, als zu ihren ausdrücklichen Aufgaben gehörte. Sie standen außerdem mit Passwörtern auf Kriegsfuß. Die Rechner an ihrem Arbeitsplatz waren entweder gar nicht gesichert oder mit so schwierigen Passwörtern wie den Namen von Kind, Freund oder Hund. Von allen Stationen aus konnte man auf den gesamten Server zugreifen.

Hier wollte ich ansetzen. Bei meinem ersten Besuch installierte ich auf jedem Rechner - außer dem vom Chef - ein Programm zur Untertunnelung der Firewall. Damit hätte nun jeder Musik herunterladen können. Das interessierte sie gar nicht, wie ich wusste. Aber darüber, dass man jetzt an nervenzehrenden und zeitraubenden Internetauktionen teilnehmen konnte, freuten sie sich bestimmt sehr. Oder online Bücher und Kosmetik bestellen. Womöglich Poker spielen. Und seine E-Mail außerhalb des büroeigenen Systems bearbeiten.

Sie würden sich über diesen unerwarteten Mehrwert sicher nicht beim Chef beschweren, sondern still genießen. Das Tunnelprogramm installierte ich auch auf dem Server. Dort sollte es seinen bestimmungsgemäßen Zweck erfüllen: Das Herunterladen von Musik und Dateien erlauben, auch wenn das irgendeinem Vorgesetzten nicht passt. Und den Zugriff von außen ermöglichen.

Der Server läuft permanent und ist permanent mit dem Internet verbunden. Ich installierte ein paar Filesharing-Programme und wählte zum Herunterladen vorläufig alles, was es an guter teurer Architektensoftware auf dem illegalen Markt gibt. Sowie ein paar Programme, die man als Architekt eigentlich gar nicht braucht, weil sie die Fähigkeiten meiner Zunft bei weitem übersteigen. Hauptsache teuer.

Verbreitete Filesharing-Programme sind so aufgebaut, dass alles, was man herunterlädt gleichzeitig auch vom eigenen Computer aus zur weiteren Verbreitung angeboten wird - man wird also zwangsläufig zum Hehler, wenn man solche Programme benutzt. Doch, das ist schon das richtige Wort. So lange man an der Konfiguration nichts ändert, werden die heruntergeladenen Dateien auch nach dem Abschluss des Downloads weiter angeboten. Und ich wollte an der Konfiguration nichts ändern.

Damit wurde der Server des Büros zur Verteilstelle für Architektensoftware im Gegenwert eines Mehrfamilienhauses. Irgendwann würde das schon jemandem im Büro auffallen, dachte ich mir. Also: Nicht jemandem im Büro des Architekten sondern im Büro des jeweiligen Softwareherstellers. Außerdem erinnerte ich mich, dass die Mühlen der Justiz langsam mahlen, so sagt man doch? Aber je länger dieses interessante Angebot bestand, desto größer sollte der vermeintliche Schaden sein und infolge dessen die Summe, die die Softwareschmieden von ihren unbescheidenen Anwälten irgendwann beanspruchen lassen würden.

Ich schaltete die Rechner der Mitarbeiter wieder ab, während der Server leise surrend unter dem Tisch weiterlief. Wie ich erwartet hatte, war mir nach sechs Uhr im Büro niemand begegnet und ich begab mich zufrieden nach Hause.





... to be fortcontinued in kürze ... hier: Zahlungsmoral (8)

6 Kommentare:

herzausgold hat gesagt…

Meiomei - is des spannend! - Ich bax ja scho gooornimmer!!!!

Sören hat gesagt…

Nur so aus den Lizenzen Geld zu machen ist schwierig, ggf, sollte Dein Freelancer doch eine Porno-Seite mit PayPortal Richtung Konto in der Schweiz installieren. Da ist viel zu holen.

100 Goldfischli hat gesagt…

Mei, wenns du des scho net baxt...!!!

100 Goldfischli hat gesagt…

@soeren: Es geht ja nicht darum, Geld zu machen, sondern dem Betrüger selbst die unangenehmsten Existenzen unter der Sonne auf den Hals zu hetzen: Abmahnanwälte, Rechtsverdreher und Hersteller halbgarer Software mit halblegalen Sicherungssystemen ...

herzausgold hat gesagt…

Omei, Fischli - ja, es geht im Leben nicht nur drum, Geld zu verdienen, da hast Du ja recht.
Aber gelegentlich etwas Geld zu verdienen, erhöht die Lebensqualität schon ungemein.

Von jemandem, der das auch nicht kann…

Sören hat gesagt…

Ach naja sicher: es geht ja nicht um "Haben oder Sein", sondern um "ein bisschen Haben muss sein". und in dem Sinne ist für den Idealisten doch die Krönung, wenn Mr. Gier mit eigenen Mitteln besiegt wird. Was habe ich diese Überweisung im StiegLarsson genossen. Musste ich gleich mehrfach lesen diese Passage. Uhhh war das gut. Aber "Zahlunsmoral" macht auch Lust mehr! Carsten - weiter, weiter!

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