30 April 2010

Zahlungsmoral (9)

eine fast nicht erfunden Geschichte


Was bisher geschah:
Wir üben unblutige aber nachhaltige Vergeltung im unbeaufsichtigten Büro eines gierigen Architekten. Dabei haben wir es auf das abgesehen, was er am liebsten hat: Das Geld.


...

Viele Projekte waren sowieso doppelt und dreifach archiviert, da immer wieder einmal eine komplette Sicherung durchgeführt worden war. Nach welchem System das geschah, und ob es überhaupt ein System gab, war mir schleierhaft. Es gab jedenfalls zahllose Dateien mit demselben Namen, aber unterschiedlichem Inhalt. Davon löschte ich jeweils die neueste. Wer jetzt auf das Archiv zugriff erwischte mit tödlicher Sicherheit einen nichtaktuellen Stand. Bedauerlich, wenn man sich darauf verlassen hat, dass es eine aktuelle Sicherung gibt.

Natürlich lag noch eine Kopie außerhalb des Servers, auf CD gebrannt. Aber die musste erst jemand heraussuchen und langwierig einspielen. Das würde er nur tun, wenn er bemerkt hatte, dass die Sachen auf dem Server unvollständig waren, und dann musste sichergestellt werden, dass es sich nunmehr wirklich um den aktuellen Stand handelte, was oft nur durch einen aufwändigen Vergleich mit den älteren Dateien möglich war. Das einfache Nachschlagen archivierter Dateien würde also in Zukunft sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als beabsichtigt und der Wunsch, mit dieser Einrichtung Zeit zu sparen sich ins Gegenteil verkehren. Das passiert beinah jedem, der regelmäßig am Rechner arbeitet, bei allerlei Optimierung verliert man das eigentliche Ziel verblüffend schnell aus den Augen. Tut mir leid, Arbeit mit Computern ist oft so: "Computer erleichtern einem nur die Arbeit, die man ohne Computer gar nicht hätte."

Als Ergebnis meiner Bemühungen würde es auf jeden Fall etwas dauern, bis die Verstöße mit der online gestellten Software durch die Rechteinhaber entdeckt waren, bis der Rechteverletzer ermittelt war, bis die Anwälte ihre Kostennoten aufgesetzt und zugestellt hatten. In weniger als einem halben Jahr war bei all meiner Sorgfalt kein großer Erfolg zu erwarten. Danach wahrscheinlich umso durchschlagender.

Immerhin konnte ich so den Server auch gefahrlos nutzen, um für mich selbst jede beliebige Datei aus dem weltumspannenden Netz herunter zu saugen: Beliebig groß, beliebig kompliziert, mit beliebig langer Ladezeit und beliebig illegal - der Server lief ja rund um die Uhr. Die Übertragung vom Server zu mir war nicht mehr nachvollziehbar. Am besten hätte ich sogar versuchen sollen, diesen Zustand möglichst lange aufrecht zu erhalten. Schade eigentlich.

Die Original-CDs der Software-Hersteller braucht man immer wieder einmal, wenn die Software danach fragt. Deshalb lagen sie im Büro, für die Mitarbeiter zugänglich. Ich ersetzte sie ebenfalls durch Scheiben mit dem schwarz gebrannten Programm drauf. Die Sache musste ja ihre Logik haben. Selbst wenn es jemandem auffallen würde, hätte niemand eine Erklärung dafür und sie würden sich damit zufrieden geben.

Das Büro wurde mit einer Mischung aus Ignoranz und Argwohn geführt, der Fachbegriff dafür lautet "Management by Fear". Wer eine Frage stellte, bekam entweder eine unzutreffende Antwort oder musste sich womöglich für diese Zeitverschwendung in einer peinlichen Inquisition auch noch rechtfertigen. Deshalb fragte lieber niemand: Man braucht die CD nun mal und die Originale waren irgendwie weg.

In großer Zahl lagen dafür illegale Kopien sündig teurer Software herum. Dank meines beherzten Eingreifens waren auch die Kaufbelege für die Originalsoftware verschwunden. Im Fall einer Hausdurchsuchung beim Architekten sollte die Polizei sich ebenso erfolgreich fühlen wie bei der Enttarnung einer riesigen Hanfplantage.



Fortsetzung hier: Zahlungsmoral (10)

Keine Kommentare:

kostenloser Counter