eine fast nicht erfundene Geschichte
Was bisher geschah:
Wir befinden uns im unbeaufsichtigten Büro unseres ehemaligen Auftraggebers, eines gierigen Architekten, und durchforsten die Buchhaltung nach Verfehlungen und Schwachpunkten
Das Chefzimmer war inzwischen nicht mehr abgeschlossen. Ich hatte ja geahnt, dass das nur ein besonders kindischer Versuch von Mobbing war. Im Schlösserknacken bin ich kein Profi. Nicht mal ein Amateur. Wenn irgendwo ein Schloss davor ist, kann ich es nur mit brutaler Gewalt öffnen. Oder notfalls mit einem Schlüssel.
Die Akten des Büros lagerten in abgeschlossenen Schränken. Aber ich wusste, wo der Schlüssel lag. Im Schreibtisch der Sekretärin nämlich, zweite Schublade von unten, ganz hinten. Und diesen Schreibtisch ließ die Sekretärin offen, nur für den Fall, dass der Chef während ihrer Abwesenheit den Schlüssel brauchte. Was sollte schon passieren, es ging ja nur um ein paar Akten.
Ich suchte mir die Steuerunterlagen heraus. Der Plan war, die Rechnungen von größeren Anschaffungen verschwinden zu lassen. Wenn es eine Steuerprüfung gäbe, müsste der Chef beweisen, dass er diese Büroausgaben wirklich getätigt hatte. Ohne Rechnung war das ungleich schwieriger. Fotokopierer, Fax, Büromöbel, Computer.
Dass in den Steuerunterlagen jeweils einzelne Rechnungen fehlten, merkte bis zur Prüfung kein Mensch, das Steuerbüro hatte ja schon alles gesehen und bestätigt. Falls bei einer Prüfung das Finanzamt aber den Eindruck hatte, dass da Dinge bestätigt wurden, die es gar nicht gab, würde der Steuerberater Ärger bekommen. Das wollte der sicher nicht auf sich sitzen lassen.
Beim Überfliegen der Unterlagen stellte ich fest, dass das Büro nicht nur über einen Dienstwagen verfügte, sondern sogar zwei. Dabei stand niemandem außer dem Chef ein Dienstwagen zur Verfügung. Es war bei Besuchen im Bauamt sogar schon nervig, auch nur die Busfahrkarte ersetzt zu bekommen. "Oh, das tut mir leid, hab ich irgendwie vergessen. Na, ist ja keine so große Summe. Das macht uns ja nicht arm, was?" oder "Und? Warst du nachher auch noch einkaufen?" Diese Frage musste man wahrheitswidrig mit Nein beantworten, sonst hatte man den Erstattungsanspruch nach seiner Auslegung ebenfalls verwirkt.
Dabei war mir neu: Außer dem Jaguar vom Chef gehörte dem Büro noch ein gehobener Mittelklassewagen einer bayrischen Firma. So einen hatte ich die ganze Zeit nicht gesehen. Die Frau vom Chef fuhr genau dieses Modell. Nur als Cabrio. Seltsam. Sollte der Chef in Abstimmung mit dem Autohaus da dran gedreht haben?
Nach den beim Finanzamt eingereichten Rechnungen besaß das Büro auch einen Induktionsherd mit Zeitschaltuhr, Umluft, Grill und integrierter Mikrowelle, Stichwort "Pausenraum". Eine nicht unerhebliche Investition. In der Praxis stand da eine mickrige Pantry-Kücheneinheit mit zwei Platten und schmalem Spülgerät wie aus dem Baucontainer. Aber wo war dann der sündige teure Herd?
Na klar, der stand bei ihm zu Hause. Wäre kein Problem gewesen, wenn er das nicht als Büroausgabe angemeldet hätte. Das verhöhnt die Mitarbeiter, es spart Steuern und erhöht den Gewinn. Ich fand, das Finanzamt sollte solche Dinge wissen.
Überhaupt "Pausenraum" - es gab eine Kaffeekasse, Heißgetränke wurden selbstverständlich nicht vom Büro gestellt. Jeder Mitarbeiter, der Kaffee wollte, musste eine Einlage in die Kaffeekasse machen, mit einer penibel geführten Liste. Ein Wunder, dass sie nicht die getrunkenen Tassen nachzählten. Die Kleinlichkeit vom Chef färbte früher oder später auf alle ab.
Dennoch fanden sich in den Unterlagen des Finanzamtes Rechnungen für alles, was man zum Kaffee so braucht: Milch, Zucker, Kekse, den Kaffee selbst, Schokolade. Der Chef oder seine Frau rechneten doch tatsächlich ihren privaten Kaffeeverbrauch über das Büro ab. Dafür mussten sie ihn sogar jedes mal getrennt vom restlichen Einkauf bezahlen. Hinsichtlich ihres ökonomisch geführten Haushalts war ihnen nichts zu schade oder zu mühsam.
Bei all dem Geiz staunte ich, dass sie nicht eine Umlage für den verbrauchten Strom und das Leitungswasser machten.
In diesem Zusammenhang fiel mir auch eine Rechnung über Geschirr ins Auge. Jeder Mitarbeiter brachte seine eigene Tasse ins Büro mit, die er eifersüchtig bewachte. Für einen neuen Kollegen wie mich, der diesen Brauch noch nicht durchschaut hatte, ein Spießrutenlauf mit anschließender peinlicher Belehrung. Ich hatte mir beim ersten mal einfach eine Tasse aus dem Schrank genommen. "Hier bringt jeder seine eigene Tasse mit!", vorgetragen in der Lautstärke eines Laubgebläses. Selbst wenn ich ihre Tassen während ihrer Abwesenheit benutzt hatte wurde das noch beanstandet: "Meine Tasse stand aber gestern noch ganz woanders!" Ich hatte sie abgespült und wieder zurück gestellt. "Wieso? War sie nicht im Schrank?" "Doch, aber ganz woanders!" Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!
Die Büroausstattung für Gäste bestand aus einem schäbigen kleinen Kaffee-Service aus irgendeinem Ramsch-Laden. Der Bauherr, der einmal ins Büro kam, sollte diesen Wunsch anscheinend kein zweites Mal verspüren. Repräsentation fand hier eher auf niedrigem Niveau statt. Aber da war noch die Rechnung für teures Designer-Geschirr, 76 Teile. Sehr wahrscheinlich war das ebenfalls "zufällig, irgendwie, versehentlich" im Wohnhaus gelandet. Falls ihm das Finanzamt drauf kam würde der Chef die ganze heiß geliebte Garnitur ins Büro schleppen, aber dort vor der Benutzung durch seine neiderfüllten Angestellten schützen müssen. Ich hätte gerne gehört, wie er das seiner renommiersüchtigen Frau erklärte.
... to be fortcontinued in kürze ... hier: Zahlungsmoral (11)
Was bisher geschah:
Wir befinden uns im unbeaufsichtigten Büro unseres ehemaligen Auftraggebers, eines gierigen Architekten, und durchforsten die Buchhaltung nach Verfehlungen und Schwachpunkten
VII.
Das Chefzimmer war inzwischen nicht mehr abgeschlossen. Ich hatte ja geahnt, dass das nur ein besonders kindischer Versuch von Mobbing war. Im Schlösserknacken bin ich kein Profi. Nicht mal ein Amateur. Wenn irgendwo ein Schloss davor ist, kann ich es nur mit brutaler Gewalt öffnen. Oder notfalls mit einem Schlüssel.
Die Akten des Büros lagerten in abgeschlossenen Schränken. Aber ich wusste, wo der Schlüssel lag. Im Schreibtisch der Sekretärin nämlich, zweite Schublade von unten, ganz hinten. Und diesen Schreibtisch ließ die Sekretärin offen, nur für den Fall, dass der Chef während ihrer Abwesenheit den Schlüssel brauchte. Was sollte schon passieren, es ging ja nur um ein paar Akten.
Ich suchte mir die Steuerunterlagen heraus. Der Plan war, die Rechnungen von größeren Anschaffungen verschwinden zu lassen. Wenn es eine Steuerprüfung gäbe, müsste der Chef beweisen, dass er diese Büroausgaben wirklich getätigt hatte. Ohne Rechnung war das ungleich schwieriger. Fotokopierer, Fax, Büromöbel, Computer.
Dass in den Steuerunterlagen jeweils einzelne Rechnungen fehlten, merkte bis zur Prüfung kein Mensch, das Steuerbüro hatte ja schon alles gesehen und bestätigt. Falls bei einer Prüfung das Finanzamt aber den Eindruck hatte, dass da Dinge bestätigt wurden, die es gar nicht gab, würde der Steuerberater Ärger bekommen. Das wollte der sicher nicht auf sich sitzen lassen.
Beim Überfliegen der Unterlagen stellte ich fest, dass das Büro nicht nur über einen Dienstwagen verfügte, sondern sogar zwei. Dabei stand niemandem außer dem Chef ein Dienstwagen zur Verfügung. Es war bei Besuchen im Bauamt sogar schon nervig, auch nur die Busfahrkarte ersetzt zu bekommen. "Oh, das tut mir leid, hab ich irgendwie vergessen. Na, ist ja keine so große Summe. Das macht uns ja nicht arm, was?" oder "Und? Warst du nachher auch noch einkaufen?" Diese Frage musste man wahrheitswidrig mit Nein beantworten, sonst hatte man den Erstattungsanspruch nach seiner Auslegung ebenfalls verwirkt.
Dabei war mir neu: Außer dem Jaguar vom Chef gehörte dem Büro noch ein gehobener Mittelklassewagen einer bayrischen Firma. So einen hatte ich die ganze Zeit nicht gesehen. Die Frau vom Chef fuhr genau dieses Modell. Nur als Cabrio. Seltsam. Sollte der Chef in Abstimmung mit dem Autohaus da dran gedreht haben?
Nach den beim Finanzamt eingereichten Rechnungen besaß das Büro auch einen Induktionsherd mit Zeitschaltuhr, Umluft, Grill und integrierter Mikrowelle, Stichwort "Pausenraum". Eine nicht unerhebliche Investition. In der Praxis stand da eine mickrige Pantry-Kücheneinheit mit zwei Platten und schmalem Spülgerät wie aus dem Baucontainer. Aber wo war dann der sündige teure Herd?
Na klar, der stand bei ihm zu Hause. Wäre kein Problem gewesen, wenn er das nicht als Büroausgabe angemeldet hätte. Das verhöhnt die Mitarbeiter, es spart Steuern und erhöht den Gewinn. Ich fand, das Finanzamt sollte solche Dinge wissen.
Überhaupt "Pausenraum" - es gab eine Kaffeekasse, Heißgetränke wurden selbstverständlich nicht vom Büro gestellt. Jeder Mitarbeiter, der Kaffee wollte, musste eine Einlage in die Kaffeekasse machen, mit einer penibel geführten Liste. Ein Wunder, dass sie nicht die getrunkenen Tassen nachzählten. Die Kleinlichkeit vom Chef färbte früher oder später auf alle ab.
Dennoch fanden sich in den Unterlagen des Finanzamtes Rechnungen für alles, was man zum Kaffee so braucht: Milch, Zucker, Kekse, den Kaffee selbst, Schokolade. Der Chef oder seine Frau rechneten doch tatsächlich ihren privaten Kaffeeverbrauch über das Büro ab. Dafür mussten sie ihn sogar jedes mal getrennt vom restlichen Einkauf bezahlen. Hinsichtlich ihres ökonomisch geführten Haushalts war ihnen nichts zu schade oder zu mühsam.
Bei all dem Geiz staunte ich, dass sie nicht eine Umlage für den verbrauchten Strom und das Leitungswasser machten.
In diesem Zusammenhang fiel mir auch eine Rechnung über Geschirr ins Auge. Jeder Mitarbeiter brachte seine eigene Tasse ins Büro mit, die er eifersüchtig bewachte. Für einen neuen Kollegen wie mich, der diesen Brauch noch nicht durchschaut hatte, ein Spießrutenlauf mit anschließender peinlicher Belehrung. Ich hatte mir beim ersten mal einfach eine Tasse aus dem Schrank genommen. "Hier bringt jeder seine eigene Tasse mit!", vorgetragen in der Lautstärke eines Laubgebläses. Selbst wenn ich ihre Tassen während ihrer Abwesenheit benutzt hatte wurde das noch beanstandet: "Meine Tasse stand aber gestern noch ganz woanders!" Ich hatte sie abgespült und wieder zurück gestellt. "Wieso? War sie nicht im Schrank?" "Doch, aber ganz woanders!" Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!
Die Büroausstattung für Gäste bestand aus einem schäbigen kleinen Kaffee-Service aus irgendeinem Ramsch-Laden. Der Bauherr, der einmal ins Büro kam, sollte diesen Wunsch anscheinend kein zweites Mal verspüren. Repräsentation fand hier eher auf niedrigem Niveau statt. Aber da war noch die Rechnung für teures Designer-Geschirr, 76 Teile. Sehr wahrscheinlich war das ebenfalls "zufällig, irgendwie, versehentlich" im Wohnhaus gelandet. Falls ihm das Finanzamt drauf kam würde der Chef die ganze heiß geliebte Garnitur ins Büro schleppen, aber dort vor der Benutzung durch seine neiderfüllten Angestellten schützen müssen. Ich hätte gerne gehört, wie er das seiner renommiersüchtigen Frau erklärte.
... to be fortcontinued in kürze ... hier: Zahlungsmoral (11)
3 Kommentare:
Selten eine so präzise und einfühlsame Schilderung eines typischen FDP-Wählers gelesen!
Ja, es kann sich tatsächlich um einen typischen FDP-Wähler handeln, man denke nur an das großartige Vorbild unseres Herrn Außenminister, dass er mit seinen Dienstreisen gab.
Ansonsten muss ich sagen, sehr spannende Geschichte. Ich will mehr davon! Wie wird sie wohl ausgehen?
ps: War das Segeln schön?
Geht doch nix über ein gepflegtes Feindbild... :-) ... solche Leute wählen aber jedes beliebige Konstrukt, das ihnen Vorteile verschafft, egal wie unanständig auch immer. Amigo-Country Bayern und Klüngelland in Köln sind auch schöne Beispiele. Nur dass es da nicht so ausdrücklich im Parteiprogramm steht.
Segelei war schön, danke der Nachfrage. Aber anstrengend.
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