18 Mai 2010

Zahlungsmoral (16)

eine fast nicht erfundene Geschichte


Was bisher geschah:
Unser ehemaliger Auftraggeber, ein unbegabter Architekt, hat unsere Arbeit nicht bezahlt, weil ihn die Ausgabe reute. Wir zahlen ihm das jetzt heim und sind nicht zimperlich. Seine Kreditwürdigkeit ist inzwischen nicht mehr die beste und seine sogenannte Büroorganisation wird es bald auch nicht mehr sein.



X.
Mit meinem Tunnelprogramm hatte ich Zugriff auf den Server des Büros. Auf diesem wurden auf die denkbar primitivste Weise Daten gesichert. Während man früher nur diejenigen Dateien kopierte, die man mit den Anwendungsprogrammen wirklich bearbeitet hatte, kann man heute die ganze Festplatte kopieren. Und weil das möglich ist, wird es auch getan - egal wie sinnlos. Das ist, als ob man einen ganzen Wald rodet, weil man einen Zahnstocher braucht. Das erschwerte mir die Suche auf dem Server zwar etwas, aber nur dadurch, dass es etwas länger dauerte. Und es erschwerte ja nicht nur mir die Suche.

Die Mitarbeiter waren schon zu faul, richtige Passwörter zu benutzen, da war klar, dass ihnen der Knopf "Festplatte kopieren" wie das Ei des Kolumbus erschien.

Dass der Systemadministrator jemals in der Lage gewesen wäre, eine ganze Festplatte auch wieder zurück zu spielen, da habe ich meine Zweifel. Dann müsste er alles, was inzwischen geschehen war, komplett überschreiben. Oder es woanders sichern. Das kann nicht der Sinn der Sache sein - ist aber auch nicht wirklich meine Sorge.

Ich tobte mich im Archiv aus. Außerdem speicherten nämlich fast alle Mitarbeiter nicht gerne mit neuem Index. "Nö, wieso? Das macht doch das Programm?" Im Archiv lagen daher wegen dieser eigenen Methode Dutzende Dateien mit demselben Namen, aber unterschiedlichen Bearbeitungsständen. Ich kopierte ein wenig hin und her, so dass jemand, der etwas aus dem Archiv brauchte, nicht mehr sehen konnte, ob es sich wirklich um den neuesten Bearbeitungsstand handelte.

Dabei griffen alle Mitarbeiter bei neuen Aufträgen auf Dateien aus ähnlichen früheren Vorgängen zu. Architekten sollen beispielsweise oft die erwarteten Baukosten schätzen. Sie sehen zuerst unter den ähnlichen Bauwerken nach, die sie schon früher bearbeitet haben. Ein Fehler bei der Kostenschätzung kann den Bauherren in den Ruin stürzen, deshalb geht man da besser besonders sorgfältig vor.

Manchmal wunderten sich die Ex-Kollegen dann. Das führte über kurz oder lang zu einer naheliegenden Schlussfolgerung: "Ich glaube, das Programm speichert nicht richtig!" "Quatsch! Du hast das bloß nicht richtig gemacht! Sieh her!" Der Vorführeffekt. Natürlich speicherte das Programm richtig. Aber am übernächsten Tag war schon wieder eine veraltete Datei im Archiv.

Irgendjemand musste es dem Chef gesagt haben. Ein Klugscheißer mit der gebotenen Eindringlichkeit: "Wenn das nicht richtig speichert - können wir nicht mehr richtig damit arbeiten!" Doch, sie nannten das, was sie da taten "Arbeit", ganz ernsthaft.

Dem Chef wurde die Dramatik dieser Entdeckung bewusst. Die verwendeten Programme stammten zum großen Teil von dem bekannten Software-Riesen aus den USA. Er verlangte von seinem jungen Administrator einen neuen Vorschlag. Aber die Ideen, mit denen der Oberschüler kam, wurden nach einer kleinen Vorführung abgeschmettert. Ich konnte das in Besprech­ungs­proto­kollen auf dem Server nachlesen. Die Programme funktionierten nämlich nicht exakt, also nicht wirklich ganz ganz genau so wie die, die bis dahin verwendet worden waren, sie hätten etwas Umgewöhnung erfordert. Man kauft zwar auch keinen Alfa Romeo und verlangt dann, dass der wie ein BMW aussehen muss - aber das ist ja etwas ganz anderes.

Weil der Chef von diesem kostenlosen Programm aus dem Internet gehört hatte, musste nun das ganze Büro mit entsprechendem Aufwand auf die Software von dem anderen Riesen umgestellt werden: Die Suchmaschine, die kostenlos sogar private Mail durchsucht und auf deren Inhalt abgestimmte Werbung einblendet. Wahrscheinlich habe ich nur eine veraltete Vorstellung von der Bedeutung der Begriffe "vertraulich" oder "Briefgeheimnis".




... to be fortcontinued in kürze ... hier:  Zahlungsmoral (17)

Keine Kommentare:

kostenloser Counter