31 Dezember 2010

Bosheit und Niedertracht (5)

die kleinliche Rache der Macht
 

Was bisher geschah:
Student Lennart steckt mitten in der Diskussion mit zwei dubiosen Typen, die ihm eben die Tür eingetreten haben. Gerade ist sein Fernseher zu Bruch gegangen, aber sie sprechen mit ihm über MP3-Musik. Der Zusammenhang bleibt ihm schleierhaft.




"Weißt du, unser Boss sagt: Ein paar hundert Musikstücke, jedes ein paar hundert mal kostenlos heruntergeladen - davon könnte er für uns einen schönen Swimming-Pool bauen..."

"Einen Swimming-Pool?"

Lennart hatte mit der neuen Wendung des Gesprächs Schwierigkeiten.

"Das würden wir sehr begrüßen, einen Swimming-Pool..."

Er hatten den Eindruck, dass die beiden noch weit kranker waren, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

"Aber die Leute würden das doch gar nicht kaufen, wenn sie es bezahlen müssten!"

"Den Swimming-Pool?"

"Die Musik!"

"Wir würden auch keinen Swimming-Pool kaufen, wenn wir ihn bezahlen müssten."

"Sehen sie!"

"Und dann würden wir eben nicht Schwimmen gehen. Aber wenn unser Boss das Geld hätte, dann würde er für uns einen Swimming-Pool bauen, dann hätte ein Dutzend Handwerker wochenlang zu tun."

"Nein! Das ist falsch!"

"Ist es nicht. Oder? Du bist doch Bauwissenschaftler. Sag selbst!"

"Nein, vielleicht nicht."

"Was sind das eigentlich für hübsche Gläser da auf dem Regal?"

"Geschenk von meiner Oma."

"Das sind doch Schnapsgläser. Sind die aus Kristall?"

"Ja."

"Geschliffene Schnapsgläser aus Kristall in einem Studentenhaushalt?"

"Ja. Alt. Antik. Die sind von meiner Oma. Vorgezogenes Erbe, hat sie gesagt."

"Jurii, sieh mal, die sind von seiner Oma."

Jurii nahm eins der Gläser am Stiel, hielt es gegen das Licht und ließ vesonnen die Sonnenstrahlen darin funkeln.

Der kleinere Einbrecher wiederholte "Verzogener Erbe, hat sie gesagt."

Dann schlug Jurii es auf eine Kante des Regals.

"Nicht!"

Juriri stellte den heil gebliebenen Fuß mit dem Stiel wieder an den ursprünglichen Platz.

"Willst du etwa nicht, dass die wertvollen Gläser kaputt gehen?"

"Nein!"

"... von deiner Oma?"

"Nein!"

"Dann darfst du keine fremde Musik mehr ins Internet stellen."

"Tu ich doch nicht mehr!"

"Ehrlich?"

"Ehrlich!"

Juri nahm ein weiteres Glas und schlug es auf die Kante vom Regal. Den Fuß mit dem Stiel stellte er zurück.

"Wirklich ehrlich?"

"Wirklich ehrlich!"

Das nächste Glas zerprang.

"Aha."

"Nicht!"

"Lennart, Lennart! Wie wirst du das bloß deiner Oma erklären?"

"Ich ... weiß nicht ... ?"

"Wenn meine Kinder einmal studieren, wünsche ich mir aber, dass sie mehr wissen als du."

"Ja. Sicher."

Inzwischen standen fünf Füße mit Stiel im Regal.

"Das ist doch nicht nur so eine Hilfswissenschaft, dieses Wirtschafts- ... dieses Wi-Ing-Ding?"

"Nein! Natürlich nicht!"

Das sechste Glas klirrte. Hier zerschlug Jurii auch den Stiel. Den Fuß stellte er zurück zu den anderen.

"Und man wird da auch richtiger Ingenieur, oder? Jemand der etwas technisches entwickelt - Flugzeuge - U-Boote - Rennwagen - Kraftwerke oder so?"

"Ja ... nein ... ich weiß nicht ..."

"Oder lernt man da nur, wie man andere Leute ausbeutet?"

"Ich ... ich weiß nicht."

"... wie man all die knechtet, die einer richtigen Arbeit nachgehen?"

"Ich weiß nicht."

"Unser Boss ist so einer, glaube ich, auch irgendwas mit Wirtschaft. Und Ingenieur. Oder so."

"Aha?"

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