21 Januar 2011

Kostenschutz, nicht Flatrate!

Seit einiger Zeit gibt es Mobilfunk in der Prepaid-Variante. Man bezahlt vorher, gern auch per Bankeinzug, und behält die Übersicht. Diese Variante wählen vermutlich vor allem Menschen, die den etablierten Mobilfunkanbietern gegenüber misstrauisch sind.

Das mag an den generell völlig undurchschaubaren Vertragsbedingungen liegen. Die Verträge sind zudem nicht nur untereinander nichtvergleichbar, sie verführen auch schnell zu unkontrolliertem Telefonverhalten.

Wer damit einmal auf die Nase gefallen ist, der ist leichter bereit, sich eine Flatrate für wesentlich mehr andrehen zu lassen, als er mit kontrolliertem Telefonverhalten im Durchschnitt verbrauchen würde. Das bemerken auch die, die keine direkte Flatrate im Programm haben.

Der Provider des Großen Bloguators™ bietet seit kurzem einen sogenannten "Kostenschutz" an, sinngemäß eine Flatrate, aber zu ziemlich genau dem doppelten Betrag, den der Große Bloguator™ bisher im Monat mobil vertelefoniert.

Neulich im Verwaltungsgebäude des Mobilfunk-Discounters:

"Chef, was halten sie denn von einer Flatrate?"

"Hm?"

"Flatrate, wie bei der Konkurrenz."


"Nix."


"Bitte?"


"Nix!"


"Was?"


"VON EINER FLATRATE WIE BEI DER KONKURRENZ HALTE ICH NICHTS! Und jetzt lassen sie mich arbeiten!"


"Aber warum denn nicht?"


"Die Leute kommen zu uns, weil sie glauben, dass wir sie nicht über den Tisch ziehen."


"Aber wir ziehen sie doch gar nicht über den Tisch...?"


"Es geht nicht darum, was wir tun, sondern darum, was die Leute glauben."


"Aber warum sollten sie uns glauben und den anderen nicht?"


"Weil wir ein durchschaubares Geschäftsmodell haben: Jede Einheit kostet gleich viel, ein Preis für alles, fertig. Was soll das Gefrage? Haben sie das nicht im Studium gehabt, Marketing?"


"Doch, schon, aber da klang das ... irgendwie  ... anders ... irgendwie."


"Anders. Aha."


"Ja. Man soll den Kunden nicht überfordern. Sonst kauft er nicht."


"Was?"


"Man muss ihm nicht gleich den Endpreis sagen. Wenn er erst einmal unterschrieben hat, dann bezahlt er schon, auch wenn er das vorher gar nicht wollte."


"Sie meinen 'Betrug'?"


"Ich meine 'MARKETING'!"


"Der Kundschaft etwas anzudrehen was sie gar nicht will, indem man ihr nicht sagt was es kostet, das nennt man Betrug, denke ich."


"Nein, Marketing! DAS IST MARKETING! So funktioniert das! Und die Leute w o l l e n doch ihr Geld ausgeben!"


"Die Kundschaft will eine L e i s t u n g."


"Wenn sie das Geld nicht ausgeben wollten, würden viel mehr Leute ihren Vertrag kündigen!"


"Die Leute kündigen ihre Verträge nicht, weil sie nicht wissen wie das geht. Und weil sich die Verträge automatisch verlängern."


"Aber wir könnten das doch auch so machen!"


"Dann unterscheiden wir uns aber nicht mehr von der Konkurrenz."


"Aber die Konkurrenz lebt doch auch davon."


"Und irgendwann verkaufen wir gar nichts mehr. Kann ich jetzt bitte weiter arbeiten? Was soll denn das?"


"Wir könnten viel mehr verkaufen!"


"Wozu? Es wirft doch genug ab? Und wir haben fast keine Arbeit damit. Das meiste macht der Computer und den Rest der Kunde selbst."


"Unsere Kunden telefonieren zu wenig! Wir könnten viel mehr Umsatz machen!"


"Herrgottnochmal! Mit Ihrem sogenannten Marketing ruinieren wir uns nur das Geschäft."


"Nein! Das Geschäft muss wachsen! So i s t Wirtschaft!"


"Quatsch! Wir haben jetzt fast überhaupt keine Arbeit damit und verdienen passabel. Mit ihrem Marketing haben wir sehr viel Arbeit, vielleicht eine Weile mehr Umsatz und dann ist es bald vorbei, weil wir so sind wie die anderen."


"Nein!"


"Doch."


"Aber unsere Kunden sind geizig!"


"Man kann sich seine Kunden nicht immer aussuchen."


"Aber die h a b e n das Geld doch! Da können sie es doch auch ausgeben!"


"Wahrscheinlich behalten sie es einfach ganz gerne."


"Das Geld muss zirkulieren! Wirtschaft muss wachsen, sonst geht alles zu Grunde! Unsere Kunden telefonieren zu wenig. Die telefonieren pro Nase nur für zwanzig im Monat. Unsere Konkurrenz verkauft Verträge für über dreißig im Monat!"


"Wir sind aber nicht unsere Konkurrenz. Wir verkaufen keine Verträge."


"Und wenn wir es ohne Vertrag machen?"


"Wie soll das gehen?"


"Wir machen eine Deckelung. Einen Sicherheitsgurt. Einen Kosten-Airbag. Aber ohne Vertrag."


"Aha, ich verstehe: Sie wollen uns nicht langsam ruinieren, sondern schnell."


"Nein, wir machen etwas ganz ohne Risiko für uns!"


"Sie wissen aber noch aus der Schule, dass sich Sicherheit und hohe Gewinne gegenseitig ausschließen, oder?"


"Nein, es ist ganz einfach: Wir bieten eine Flatrate zu Kosten an, die so hoch sind, dass es sich auf jeden Fall rechnet. Und das ganze nennen wir nicht Flatrate, sondern KOSTENSCHUTZ."


"Wo sollen wir da verdienen?"


"Unsere Kunden geben jetzt im Durchschnitt zwanzig pro Monat aus und bezahlen jede Einheit einzeln. Wenn wir ihnen sagen: 'Sie haben einen Kostenschutz und zahlen maximal vierzig!' Dann hören alle nur 'Kostenschutz' und telefonieren wie die Verrückten, um über die vierzig zu kommen - sonst lohnt es sich ja nicht."


"So, so. Und wo sollen wir daran etwas verdienen? Das macht doch noch viel mehr Aufwand."


"Nein, wir haben sogar weniger Arbeit, weil wir bei allen, die über vierzig liegen, einfach aufhören nachzurechnen. Das ist genial!"


"Na gut. Das Nachrechnen macht sowieso der Computer. Meinetwegen. Machen sie mal. Aber jetzt lassen sie mich bitte arbeiten!"


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