Es gibt so Bräuche, da kann man nur den Kopf schütteln. Nein, genauer gesagt: Da weiß man nicht, ob das Kopfschütteln überhaupt lohnt.
Nehmen wir mal die Liebesschlösser und Abiturbälle. Nochmal nein: Eher die sogenannten Abibälle und die noch sogenannteren Liebesschlösser.
Liebesschlösser: Leute heiraten sich gegenseitig, machen irgendwo an einer ewigen Stelle ein Schloss fest und werfen symbolisch den Schlüssel weg.
Denkt da niemand drüber nach? Dieser Brauch ist noch katholischer als die Ehegelübdevorstellung der katholischen Kirche selbst. Warum erinnert das keinen an Gefängnisse, Knast, Gulag, die heilige Inquisition - wo irgendjemand ein Schloss vor die Zelle macht und den Schlüssel wegwirft? Ist Romantik heute nicht mehr eine Frage der Vorstellungskraft?
Und dann Abiturbälle. Der Große Bloguator™ ist zu einer Zeit aufgewachsen, wo man als Adoleszent irgendwie anders sein wollte als seine Eltern. Ist das nicht selbstverständlich? Musste auch damals nicht gleich Punkrock sein. Aber nicht so langweilig, spießig, eingefahren sein zu wollen wie man das als Jugendlicher von seinen Eltern glaubt. Einige Eltern entsprechen diesem Klischee gar nicht - aber als Jugendlicher denkt man eben sowas von ihnen. Und davon will man sich absetzen, wenn man halbwegs bei Trost ist. Wollte man früher.
Heute will die Jugend ihre Eltern anscheinend rechts überholen: Einen gepflegten Abiturball, guter Schulabschluss, schon mit zwölf wissen, dass man mal Arzt oder Anwalt wird. Was ist mit Lokführer, Fußballspieler oder KFZ-Mechaniker? Ist das heute gar nicht mehr gefragt?
Wer KFZ-Mechaniker werden will, feiert keine Abi-Bälle, bei denen die Eltern dreistellige Summen für den Eintritt hinlegen. Von den Getränken und der Verkleidung für den Abend ganz zu schweigen.
Dabei wird auch die disziplinierteste Jura-Studentin nach fünf Jahren nicht mehr in das Abiballkleid passen, das an der gertenschlanken achtzehnjährigen die Figur so besonders betonte. Am Ende hat die disziplinierte Jurastudentin dann zwei Kleider im Schrank hängen, die sie genau einmal im Leben getragen hat: Das Abiballkleid und das Hochzeitskleid. Sie will ja genauso sein wie ihre Eltern - nur besser.
2 Kommentare:
Liebesschlösser könnte man auch als Symbol für den Fortschritt sehen, früher hingen die Dinger am Keuschheitsgürtel.
Wenn sich dieser Brauch hält werde ich es mir zur Gewohnheit machen, zur Hochzeit Metallsägen zu verschenken.
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