16 November 2011

Kennenlerntechnik Warentrennstab

LIDL Discountmarkt, gegen Abend. In meinem Leben hatte ich bis dahin genau ein Mal einen Warentrennstab in der Hand. Doch, diese Gegenstände haben einen Namen, schon längst, und er lautet Warentrennstab.

Obwohl es sich doch eher um einen Kundentrennstab handelt. Offensichtlich sollen Kunden voneinander getrennt werden, damit sie nicht an der Kasse reden müssen. Was auch immer das Problem sein soll beim An-der-Kasse-miteinander-Reden - es muss verhindert werden. Die Bezeichnung Warentrennstab ist demnach sehr wahrscheinlich ein Euphemismus.

Einmal in meinem Leben hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt einen Warentrennstab in der Hand. Irgendeine vertrackte Situation, in der es sich wirklich nicht vermeiden ließ. Davor nicht und seither nicht mehr. Allergie.

Wie soll ich so jemals an der Kasse im Supermarkt jemand kennenlernen?

Es steht nämlich *genau* *so* in jedem Kennenlernratgeber im Frauenmagazin beim Friseur, meist gleich der erste Tip:  
"Supermarktkasse! Die Kontaktanzeige! Sie können sogar sehen, ob sich ihre Zielperson gesund ernährt, wann sie einkauft, ob sie raucht, oder Kondome benutzt!"

Na gut, das letzte habe ich dazu erfunden.

In der Zeit ohne Kundentrennstab hätte meine Ansprache an die Kassenperson so begonnen: "Ich fang da an, so ab dem hübschen bunten Kürbis. Der rote Pesto und die lila Zwiebeln. Und bis zu den langweiligen Kartoffeln, ha ha." Die Kassiererinnen finden so ein wenig Unterhaltung immer gut. Aber die sind nicht in meinem Alter. Obwohl.

Die durchaus interessante junge Frau direkt hinter mir hätte dann gesagt: "Ja, ich habe nur die beiden Tiefkühlsteaks, die Mikrowellengnotschi und den Gewürzketschupp. Und haben sie die Kondome eigentlich auch in groß? Mein Freund jammert immer so..."

Gut, ich sollte es mit dieser Technik vielleicht nicht Dienstag abends kurz nach sechs und beim schlimmen Billigdiscounter versuchen. Vielleicht doch eher im Biomarkt. Obwohl.

Heute jedenfalls an der Kasse spricht mich einer von rückwärts an: "Können sie mir mal so ein Ding reichen?" Ich drehe mich um, weil er mit dem "sie" offensichtlich mich meint und ich eine Allergie gegen die Teile habe, sowie Vorbehalte gegen ihre unreflektierten Anwender. "Ja, wie heißen die Dinger eigentlich, ha ha?" bringt er noch eine krachende Pointe aus der Steinzeit. Dieses soll aus seiner Sicht anscheinend der Anfang einer wunderbaren Konversation werden.

Ich bin ein wenig verwundert, da steht ein junger Mann und er sieht aus wie der kleine Bruder von Bob Marley, wirklich, Strickmütze in vielen Farben, dunkler Teint, sehr mager, spricht völlig akzentfrei Berlinisch. Dagegen wäre noch nichts einzuwenden, so direkt. Aber offensichtlich will er mich beleidigen: Der hat SIE zu mir gesagt - einer der aussieht wie der kleine Bruder von Bob Marley! Und er weiß nicht mal, wie die "DINGER" heißen. Wo hat er wohl die letzten vierzig Jahre gelebt?

... ach, ganz so alt ist er noch gar nicht?

Ich versuche ruhig zu bleiben und antworte würdevoll, entsprechend den Regeln des vierten Earl of Sandwich: "Die Dinger heißen 'Warentrennstab'. Schon eine ganze Weile. Obwohl sie eher die Kunden trennen. Weiß jetzt auch nicht wieso." Natürlich weiß ich das genau: Damit die Kunden nicht miteinander reden müssen. Aber der kann ruhig dumm sterben.

Und er aber ganz vorwitzig: "Naja, in diesem Land gibt es ja auch eine Besucherseparationsanlage."

Und ich: "Bitte? Was ist das denn?"

Und er: "Na, die meinen ein Drehkreuz!"

Ich überlegen: "Ach so, eine Einseitigezutrittsperre!" Ich liebe Wörter mit zweiundzwanzig Buchstaben.

Und er: "Äh, ja?"

Ich denke, dass ich die Kennenlerntechnik aus dem Frauenmagazin besser wieder vergesse.

Da lächelt mich die hübsche, schlagfertige und überaus charmante Kassiererin mit den grünen Augen an. Und was ich in diesem Moment vergessen habe ist zwar nicht die Kennenlerntechnik an sich, wohl aber mein jetzt schlagfertig hervor zu bringender Text.

Das letzte woran ich mich erinnern kann ist der Gedanke, dass sie mit einem räudigen Netz Zwiebeln, Butter, Brühwürfeln¹ und einem Kilo Semmelbröseln² kaum zu beeindrucken sein wird. Dann finde ich mich draußen in der Kälte wieder. Muss gar nicht noch extra betonen, dass wir November haben. Das betont sich von selbst.




¹ das gibt eine Béchamel. Mehl hatte ich noch.
² das nicht.

4 Kommentare:

fwolf hat gesagt…

Brühwürfel? Wer benutzt denn sowas? *schauder*

.. noch nicht mal selber Suppe machen kann der Mann. Kein Wunder, dass die Frauen an der Kasse nicht beeindruckt sind!

*kopfschüttel*

cu, w0lf.

100 Goldfischli hat gesagt…

Für selbstene Brühe habsch keine Lust gehabt, Knochen und so Zeug. Beschamel dauert so schon lang genug. Jedenfalls für meine Geduld. Und immerhin ist die Würfelbrühe völlig tierfrei.

Sören hat gesagt…

Nimm doch Deinen Neffen oder so demnächst mal mit oder leihe Dir mal einen 6-Jährigen, der an der Kasse so rumturnt und der die Kassiererin dann fracht: "warum bis Du denn so schöööö_öön?"

Dann wird sie (die Kassiererin) erröten und Du kannst der armen Dame ganz cool aus der Affäre helfen mit. "Der ist halt nicht auf den Kopf gefallen ne ...? ... " oder sowas.

Das kann man ja vorher üben. Also als Papa ist das eine Kleinigkeit die Sache einzufädeln (glaub ich).

100 Goldfischli hat gesagt…

Am Wochenende auf der Messe hab ich mir den Sohn von Alex geliehen, Leo.

Leo ist blond und trägt eine runde Brille. Er löst bei allen, die ihn kennenlernen, die Harry-Potter-Assoziation aus. Das trägt er mit Fassung. ¹

Ich allerdings weniger, dass ich an jedwedem Stand, wo ich mit dem Kind auftauche, von wirklich, wirklich jedem und jeder gefragt werde:

"Und? Möchte der Papa auch mal?"

"Da muss ich ihn erst fragen, der steht da hinten..."


Ist ja nur, damit das Kind keinen falschen Eindruck gewinnt: Dass sich da ein Hochstapler als sein Vater ausgibt.

"... ich bin nur die Aufsicht."

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¹ woooo-haaa-haaa-haaa! Mörder-Kalauer im Zusammenhang mit einer Brille!

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