Letztens war oft die Rede von den Fleischfälschern, die Kuhfleisch durch Pferdefleisch ersetzt hatten. Dagegen spricht eigentlich gar nichts, außer, dass sich nicht ausschließlich das versprochene Kuhfleisch in der Packung befindet. Normalerweise ist Pferdefleisch teurer als Kuhfleisch, und sofern das Pferd keine tödliche Infektion hatte, wurde die Nahrung dadurch sogar eher aufgewertet, merkantil jedenfalls. Aber die Leute wollen ja etwas zu nörgeln haben.
Von den Pferdefleischkaufleuten hieß es dann im Ton der Entrüstung, sie hätten bis zu 500.000Euro in einem Monat damit verdient. Einige kamen sogar in Haft.
Als Investmentbanker in Frankfurt und anderswo davon hörten, konnten sie sich vor Lachen und Unverständnis kaum halten: Dass man wegen so einer mickrigen Summe in Haft gehen sollte mochten sie einfach nicht glauben. Es bildete sich eine große Solidaritätsbewegung. Bei einer Spendensammlung unter Investmentbankern kamen innerhalb von 20 Minuten über 3 Millionen Euro für die Kaution und die Verteidigung der unglücklichen Pferdefleischhändler zusammen.
Mehrere der Banker hatten dabei sicher auch ihre eigenen Töchter im Sinn, denen sie zum letzten Weihnachtsfest nach endlosen Szenen und Nervereien einen teuren aber trotzdem hässlichen Gaul kaufen mussten. So konnten sie es ihren tussigen Töchtern gleich heimzahlen. Mehrere Investmentbanker machten vor der Schule am Frühstückstisch die Pferdelasagne zum Hauptthema, monatelang.
Mitleid hätte von Investmentbankern an sich niemand erwartet. So wenig wie Sachkenntnis von Unternehmensberatern. Aber der Beweggrund war wohl tatsächlich so etwas wie Mitgefühl.
Schnell entwickelte sich aber eine wütende Gegenbewegung zu den Mitleidsbankern: Die Kompetenzler. So nannten sie sich. Sie entfachten einen empörten Pressesturm mit der zentralen Botschaft, die 500.000€ seien mit ein paar Tagen Haft dramatisch unterbewertet. Sie heischten um die Zustimmung der schweigenden Mehrheit und verkündeten, dass großes Risiko auch mit großen Verlusten belohnt werden sollte. Ein wirklich sachkundiger Händler würde ihrer Meinung nach jedenfalls nicht bei so einer Kleinigkeit erwischt.
Besonders engagierte Kompetenzler richteten ebenfalls ein Spendenkonto ein. Innerhalb weniger Tage kamen so nur bei den Hauptakteuren an der Börse und den Seitenstraßen 6 Millionen Euro für die Verfolgung und Bestrafung der erbärmlichen Versager zusammen, die den Ruf aller kompetenten Händler und Kaufleute ruinierten.
Allerdings hatten die Kompetenzler ein Detail übersehen: Bei der Staatsanwaltschaft wusste niemand etwas mit direkten Spenden aus der Privatwirtschaft anzufangen. Bei einer deutschen Behörde sind zweckgebundene Spenden durch Privatleute einfach nicht vorgesehen. Es gab kein geeignetes Konto für das Geld. Nicht einmal der Spendenzweck "Publicprivate partnership" zog.
Die Staatsanwaltschaft benutzte den bösen Begriff "Korruption", wo es sich bei dem Geld doch nur um eine Belohnung und Motivation handeln sollte. Eine Art Prämie, wie sie anderswo durchaus üblich ist.
Nachdem die Spendenaktion publik geworden war, wollte überhaupt keine deutsche Behörde mehr das Geld anrühren. So landeten die inzwischen elf Millionen ... nach reiflicher Überlegung ... am Ende ... notgedrungen ... aus Verlegenheit ... im Spendeneingang von Brot für die Welt, Stichwort: Pferdefleisch.
Bei der wohltätigen Organisation erkannte man die völlige Fehleinschätzung der Kompetenz-Kaufleute nicht, sondern hielt das verlegene Stichwort für die Zweckbindung der Spende. Es war gerade ein großes günstiges Angebot am Markt, und daher kaufte man mit dem Geld alle Bestände an Lasagne auf, die irgendwie erreichbar waren.
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