Eben in der U-Bahn einer der täglichen Schnorrer. Erst stellen sie sich meist vor und erklären mit unüberhörbarer Kreissägenstimme, warum: "Guten Tag, mein Name ist Jürgen und leider bin ich gezwungen...". Schon da brüllt einer dazwischen "Zu schnell! Du redest zu schnell!" Jeder weiß: Die Schnorrer allein sind schon die Pest und es kann gar nicht schnell genug gehen. Aber hier will einer originell sein und hat zudem Mitteilungsbedürfnis.
Dabei konnte der junge Mann sein Anliegen noch gar nicht vortragen. Das kommt in der klassischen Dramaturgie der U-Bahn-Schnorrer erst im nächsten Satz "... kleine Spende oder bisschen was zu essen..." Der Zwischenrufer rät lautstark "Iss doch in der Bahnhofsmission".
Ohne die Unterbechung hätte der Schnorrer seine Ansprache korrekterweise fortsetzen müssen mit "...für einen Obdachlosen, der leider auf der Straße lebt". Als erfahrener Berliner U-Bahn-Benutzer kann man diesen Monolog normalerweise mitsprechen und notfalls selbst ergänzen, falls nicht alles akustisch einwandfrei zu verstehen war.
Aber der Schnorrer war ja unterbrochen worden und lässt sich provozieren "Den Fraß in der Bahnhofsmission ess ich nicht! Das kann man doch nicht essen! Ich ess jeden Tag Döner oder bei Mäck Donalds! Hast du das mal gegessen? Den Fraß in der Bahnhofsmission ess ich nicht!" und dann setzt er mit der erwarteten Pointe fort mit "...ich bin obdachlos und lebe leider auf der Straße."
Daraufhin grunzt ein weiterer Fahrgast "... aber bei Macdonalds essen!" und damit ist die Sammlung komplett. Die Sammlung von Originalberliner U-Bahn-Nervbacken.
Der erste Schreihals quakt los "Es gibt nur Wohnungslose! In Deutschland gibt es keinen einzigen Obdachlosen!" und der Schnorrer besteht darauf "...für einen Obdachlosen, der leider auf der Straße lebt." Der zweite Nörgler wieder lautstark "Du isst bei Mäckdonalds!" und der Schnorrer tappt entschuldigend durch den Wagon und versucht doch noch, ein paar Cent abzugreifen. So klappt das natürlich nicht.
Irgendwann kommt endlich der ersehnte Halt und der Schnorrer steigt aus, weil er den nächsten Wagen abkassieren muss. Nur die beiden anderen Schwätzer bleiben da und tauschen sich quer durch den ganzen Waggon über ihre Empörung aus: "...keinen einzigen Obdachlosen!" und dann wieder "Der isst bei Mäckdonalds!" und so geht es weiter bis zum Verlassen der Bahn.
Die zwei Idioten haben sich anscheinend geschworen, die Fahrt für jeden unvorsichtigen Passanten zum Härtetest zu machen. Als wären die zahllosen Schnorrer und Behelfsmusikanten nicht so schon nervig genug. Die Zeit bis zum Aussteigen vergeht quälend langsam.
Wo bleibt denn heute eigentlich die nächste Balkankapelle/Akkordeonkind/Folksänger zutreffendesbitteankreuzen mehrfachnennungenmöglich diskussionensehrwillkommen?
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