Nach der Demonstration der Besorgten Bürger und der Ansprache von Alexander Gauland grölten die Patrioten "Kauft nicht beim Moslem! Wir sind das Volk!"
Dann bekamen sie Hunger. Außer dem Döner-Imbiss gab es aber in der kleinen Ortschaft nur noch weniges, das sich halten konnte. Der Reporter von der überregionalen Zeitung fragte aufmunternd einen, der ihm auf den ersten Blick nicht ganz so unsympathisch erschien wie die meisten: "Sage mal, jetzt ne satte Currywurst, oder?"
Der musikalische Teil setzte ein, Hymnen wurden gesungen. Der “besorgte Bürger” mochte Anfang dreißig sein und wirkte eigentlich nicht so, als ob er sich für Politik interessiere. "Nee, gibt hier keine Curry, wir gehen immer zum Döner. Ist auch lecker." Der Reporter fragte sich, ob sich überhaupt irgendeiner der anwesenden Fremdenfeinde der ausländischen Herkunft von Döner-Kebap bewusst sei.
Dermaßen irritiert schlich er also zum Döner-Imbiss und bestellte den großen Döner-Teller mit viel Fleisch. Und ein Bier. Er bestellte besonders in mutmaßlich moslemischen Läden gerne Alkohol, sein Test zur Weltoffenheit des Wirtes. Allerdings gab es weder EFES noch irgendein anderes türkisches Bier. “Läuft hier nisch” sagte der Mann hinter dem Tresen und gab ihm ein Sternburg. Um die Stimmung in der Ortschaft ein wenig einzufangen - Atmosphäre und so - begann er, den Dönermann zu interviewen: "Und außer ihrem Imbiss gibt es hier nichts weiter?"
Der Dönermann war offensichtlich türkischer Abstammung. Nun, was ist schon offensichtlich, was ist schon türkisch, was ist schon Abstammung? Der Reporter bemerkte also, dass der Imbissmann mit seinen glatten schwarzen Haaren und dem dunkleren Teint einen leichten Akzent hatte. Dönermann antwortete: "Nee, nischts, außer dem Fidschi da drüben!"
Reporter: "Äh, sie meinen das Chinarestaurant?" Zwanghaft erarbeitete er in Gedanken ein Bild von der Entfernung zwischen Shanghai und der zentralen Südsee.
Inzwischen war nach dem Absingen aller Strophen des Deutschlandliedes auch der besorgte Bürger am Imbiss eingetroffen: "Sagt er doch, der Fidschi!" und der Dönermann bekräftigte "Sag isch doch, der Fidschi!"
Der Reporter murmelte "Ich spende Hundert Euro an die Thilo-Sarrazin-Stiftung für debile Rassisten." Sein Regionalzug ging erst in einer Stunde. Er orderte lieber noch ein Bier. Nebenher fragte er den Dönermann "Und - würden sie AfD wählen?"
"Klar! Sind Patrioten!"
"Aber die sind gegen Einwanderer! Die hetzen die ganze Zeit gegen jeden, der nicht von hier kommt!"
Der Dönermann munter "Wieso? Sind Patrioten! Sind gute Leute!"
"Aber haben ihnen die Hetzer nicht kürzlich den Imbisswagen angezündet?"
"Waren Nazis. Sind Arschlöcher!"
Der besorgte Bürger "Wir sind nämlich keine Nazis! Wir wollen bloß keine Ausländer die unsere Frauen vergewaltigen! So Moslems und so! Flüchtlingsmusel!"
Der Dönermann zustimmend "Genau! Muss man sisch mal anschauen, so wie die Frauen hier rumlaufen, da dreht doch jeder Flüschtling dursch!"
Der Reporter hatte inzwischen drei Bier getrunken und ihm war vieles egal. Er murmelte "Noch hundert Euro an die Thilo-Sarrazin-Stiftung für minderhirnige Rassisten."
Der Besorgte Bürger hatte offensichtlich nur das wichtigste verstanden und fragte ganz aufmerksam: "Echt? Die Thilo-Sarrazin-Stiftung? Was macht die denn so?" Reporter resigniert: "Die fördert so Leute wie dich. Musst nur beweisen, dass du anspruchsberechtigt bist. Und schon fördern sie dich."
Und der besorgte Bürger sehr arglos, aber aufmerksam: "Echt! Wie geht das denn?"
Der Reporter wünschte sich nur noch nach Hause. "Na, du musst nur aufschreiben, was ihr heute alles gesungen und gerufen habt. Am besten wörtlich. Und wie gut du dabei warst. Und warum du das machst. Und deine Adresse, die brauchen natürlich deine Adresse, sonst wissen die ja gar nicht, wo sie das Geld hin schicken sollen."
"Geilo! Wie viel kriegt man denn da so?"
"Na, nicht viel, aber so n paar hundert im Monat werdens schon sein."
Das konnte sich am Lohn eines angelernten Bauhandwerkers auf dem Land durchaus messen lassen. "Geilo!"
Zum Glück kam der Zug in wenigen Minuten. Der Reporter zog erschöpft ab. Der besorgte Bürger rief noch "Wie finde ich die denn?" und der Reporter darauf nur "Musst du im Internet kucken! Thilo-Sarrazin-Stiftung! Sorryichmuss..."
Im Regionalzug brauchte er eine halbe Stunde, um wieder zur Besinnung zu kommen, erst die Demo und dann noch das Gespräch am Imbiss... obwohl er in einer Stunde zu Hause sein würde rief er seine Frau an. Sie hatte furchtbare Laune, aber es war ihm alles so egal und er sagte ihr mehrmals, wie sehr er sie liebe.
Das kam so eindringlich und wahrhaftig, dass sich sogar ihre schlechte Laune legte.
Nach dem Telefonat griff sich der Reporter seinen Laptop. Er sicherte sich die Internetadresse "www.thilo-sarrazin-stiftung-fuer-debile-rassisten.de" und eröffnete dazu auch gleich noch einen Facebook-Account.
Er überlegte kurz, ob er die Zugangsdaten zu dem Facebook-Profil direkt dem Verfassungsschutz geben sollte. Dann erinnerte er sich an die Effizienz, die die Verfassungsschützer in den letzten Jahren bewiesen hatten und verknüpfte das Profil lieber mit der Antifa.
Nachdem alles erledigt war schloss er eine Wette mit sich selbst ab. Ein Wette darüber, wie lange es wohl dauern würde, bis es im Internet hieß, die Thilo-Sarrazin-Stiftung sei von der Antifa gehackt worden.