Wahrscheinlich ist das gar keine typisch deutsche Geschichte. Jedenfalls ist sie nicht typisch für Berlin - trotz aller Muffeligkeit trifft man in Berlin mindestens ebenso viele hilfsbereite Menschen wie Hohlkörper.
Gestern geschah wieder so eine Sache wo man sich denkt: Typisch! Für was auch immer.
Im Eisstadion haben sie eine Kasse wie früher in der Bank: Ein Häuschen rundum aus Panzerglas, Gegensprechanlage, Schublade zum Gelddurchreichen.
Regelmäßig gibt es Gezeter zwischen jungen Besuchern und den Kassiererinnen, die die Anforderungen an Schüler-/Studentenausweise so eng wie nur irgend möglich auslegen. Man kann da viel falsch machen: Falscher Ausstellungsort, falscher Wohnort, leider nur bis gestern gültig, zulässiges Höchstalter letzte Woche überschritten, Unterschrift der Stellvertreterin des Direktors unleserlich.
Wohlgemerkt: Schüler nicht etwa ganz kostenlos rein, sondern haben nur Anspruch auf ermäßigten Eintritt.
Der Große Bloguator™ ist aus dem Alter für Schülerausweise definitiv raus und froh, dass er sich dieses Theater nicht mehr antun muss. Fremdschämt sich aber dennoch jedes mal über das Kassenpersonal, das keine Kleinlichkeit auslässt.
Gestern nun zahlt der Große Bloguator™ zuerst passend die Eintrittskarte und stellt anschließend fest, dass er nun keine 60ct Kleingeld mehr für die Garderobe hat. Weil an der Garderobe alle nur mit kleinen Münzen zahlen, haben sie dort kaum Geldscheine zum Herausgeben. Aber hier an der Kasse liegen reichlich, sie werden aufrecht stehend in einer offenen Registratur sortiert: Schöne Bündel 5er, 10er und 20er-Scheine. Durch das Panzerglas gut zu sehen.
Kommt der Große Bloguator™ auf eine völlig abwegige Idee: “Ach, können sie mir bitte noch einen Schein wechseln?”
“Ja.”
Der Große Bloguator™ nimmt seinen Schein aus dem Portemonnaie¹ und sobald die Kassiererin des Scheins ansichtig wird ruft sie empört: “Aber keine 50er!”
“Bitte?”
“50er kann ich nicht wechseln! ”
“Öhm, sie stehen da vor bündelweise Geldscheinen und wollen keinen 50er kleinmachen können?”
“Nein, 50er kann ich nicht wechseln! Unten haben sie auch Geld!“
Sie meint den Schlittschuhverleih eine Etage tiefer, bei dem man sich immer anstellen muss und den man wegen der selbst mitgebrachten Schlittschuhe gar nicht aufsuchen wollte.
“Warum soll das nicht gehen? Da liegt doch genug Wechselgeld?”
“Nein, 50er kann ich nicht wechseln! ”
Dabei sollte es dann bleiben. Dass jede weitere Diskussion sinnlos ist, weiß jeder, der das Theater um einen Schülerausweis einmal hautnah miterlebt hat.
Am Schlittschuhverleih ist dann zufällig nur eine kurze Schlange und sie wechseln den 50er lächelnd und ohne jede Nachfrage.
Hm?
Auch in Berlin gibt es sehr viele hilfsbereite Menschen, aber es gibt eben auch gedankenlose Knalltüten. Die Eisbahn ist trotzdem sehr schön und wer den Großen Bloguator™ einmal persönlich antreffen will, hat im Winter immer donnerstagabends im Horst-Dohm-Eisstadion gute Chancen.
¹ was glaubt der*die geschätzte Leser\in wohl, wie lange der Autor über die Richtigschreibung eines solchen Wortes nachdenken muss?
Richtig: Gar nicht.
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