09 September 2019

SUV-Melancholie

Der SUV ist das Symbol für ziemlich vieles, das in Deutschland derzeit so schief läuft: Auseinander­klaffende Einkommens­schere, Prahlerei, Rücksichts­losigkeit, Uneinsicht, aber auch Neid und/oder Lobbyismus.


Eigentlich braucht es keinen Grund für so eine Betrachtung, sie war ohnehin längst fällig, aber es gibt derzeit wieder einen konkreten Ausgangspunkt: In Berlin ist ein schwerer Unfall geschehen, bei dem ein Fahrer mit einem SUV vier Menschen auf dem Bürgersteig getötet hat.

Ich wiederhole: "SUV" - "vier Menschen" - "Bürgersteig".

Die üblichen Umweltschutzverdächtigen nehmen dies zum Anlass, ein Verbot von SUVs in Innenstädten zu fordern: Der Fußgängerverband, die Umwelthilfe, grüne Politiker.

Die üblichen Ignoranzverdächtigen nehmen diese Forderung zum Anlass, vom Problem abzulenken: Ein Einzelfall, Fahrer war womöglich krank, überhaupt sei es ja immer der unbedachte Fahrer, das SUV könne doch gar nichts dafür, Pietätlosigkeit, Thoughts & Prayers usw. Man kennt die ganze Argumentationskette von der amerikanischen Waffenlobby, wenn es wieder einen Amoklauf gegeben hat, und kann sie 1:1 hierher übertragen.

Grundlage von allem: Die Autoindustrie baut SUVs, weil sie sich in Deutschland sehr gut verkaufen. Es gibt nicht nur eine Nachfrage, sondern auch überraschend zahlreiche Leute, die sich so einen Riesen-Kasten leisten können und wollen. Offenbar wird an den "Geländewagen" sehr gut verdient, jedenfalls besser als an Kleinwagen, daher werden sie offensiv beworben. Für die Industrie gibt es überhaupt keinen Grund, davon abzulassen.

Dass die Verkaufszahlen dieser Geräte derzeit so rasant steigen, liegt einfach an der Einkommensschere in Deutschland: Mehr Leute können sich ein teures Auto leisten, wissen nicht mehr wohin mit ihrem Geld, und gleichzeitig können sich mehr Leute gar kein Auto leisten.

Die Nachteile der neueren SUV sind allgemein bekannt: Sie sind im Durchschnitt viel größer und schwerer als ein herkömmlicher PKW, brauchen mehr Platz, verbrauchen rundherum mehr Ressourcen, und zwar nicht erst während der Fahrt, sondern auch schon bei der Herstellung. Bei Unfällen mit SUV ist derjenige, der nicht im SUV sitzt, eigentlich immer der Unterlegene: Fahrer von Kleinwagen, Fußgänger, Radfahrer.

Und vorher auch, ein SUV ist ja nicht nur größer und schwerer, sondern notgedrungen auch stärker motorisiert und teurer als ein klassischer PKW.

Das hier ist keine wissenschaftliche Abhandlung deshalb lassen wir die wissenschaftliche Definition eines SUV einfach mal weg. Die geneigten Leser wissen schon, was gemeint ist: Nicht der poplige Lada Niva, nicht der kleine SUBARU des Revierförsters. Sondern über 2,00m breite Riesenkisten, halbe Tonne schwerer, breitbereift und tiefergelegt, Alufelgen und mit hunderten von PS, in denen aber auch nur 5 Personen mitfahren können. In der Regel sitzen maximal 2 drin und für Wege abseits asphaltierter Straßen sind solche Geräte denkbar ungeeignet. Man kann damit aber gut auf dem Bürgersteig parken, das ist die eigentliche Bedeutung von Off-Road.

Warum kaufen Kunden nun wohl diese monströsen Apparate? Hauptsächlich zwei Gründe, man kommt ja ganz schnell drauf: Prestige - sie wollen halt angeben mit dem unübersehbaren Monstrum. Und "Man sitzt ja so schön hoch und kann so gut sehen!", also schon ein irgendwie praktischer Aspekt. So bequem und so viel Platz - den man das ganze Jahr über nicht braucht.

Wer einmal mit einem PKW hinter einem SUV her gefahren ist weiß: Gut sehen kann nur der SUV-Fahrer - allen anderen raubt er die Sicht. Genauso verhält es sich mit der Sicherheit, betreffs Unfälle: Sicher ist nur der SUV-Fahrer. Genauso verhält es sich mit dem Verbrauch: Wer schon eine deutlich höhere Summe für das Auto ausgegeben hat, dem ist der Spritverbrauch, wie auch die Umweltbelastung, herzlich egal.

Aber ein SUV ist gut fürs Ego: Der Fahrer sitzt bereits höher, auf die meisten anderen Verkehrsteilnehmer kann er überlegen herabsehen. Einige der SUV-Fahrer (nicht alle) verhalten sich dann auch entsprechend rücksichtslos und fahren wie die Schweine. Beinahe jeder in Berlin ist schon einmal von einem SUV mit aufheulendem Motor überholt worden. Klar, wer so ein Auto zum Angeben gekauft hat, der will damit eben auch angeben. Und er will GENAU DIESEN Neid spüren, der jetzt wieder so heuchlerisch beklagt wird.

Die Vorteile des SUV gehen irgendwie immer auf Kosten der anderen. Das ist im besten Fall gedankenlos, im Normalfall aber einfach rücksichtslos. Und genau deshalb sind diese Kisten bei der Restbevölkerung so verhasst.

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