01 Januar 2007
Saddam Hussein zum letzten Geleit
Auf seine letzten Tage wird der Herr Hussein im Gefängnis von einem sehr boshaften Aufseher bewacht. Dies ist sein Gedächtnisprotokoll.
Guten Morgen, Herr Hussein! Aufstehen, es kann losgehen!
Wohin?!? Na, ihre Hinrichtung, wissen sie nicht mehr? Sie wurden zum Tode verurteilt. Ist doch noch gar nicht so lange her - das müssen sie doch noch wissen! Heute schon? Natürlich heute, wann denn sonst?
Jaja, Verurteilen, das können die da oben, aber wenn's dann an die Ausführung geht muss doch ein richtiger Praktiker ran. Die Dreckarbeit dürfen wieder mal die kleinen Leute machen. Jaja.
Ich durfte mir übrigens aussuchen, was ich mit ihnen mache. Also, es hieß: "Machen sie, was sie wollen - wir wissen von nichts." Und dann sagten sie noch: "Ein Berufungsantrag schließt die vorläufige Hinrichtung nicht aus." Ja doch, das ist unser Recht, stammt wohl noch aus ihrer Regierungszeit. Aber wenn sie Glück haben, geht die Welt vorher noch unter, ha ha. Verzeihung, kleiner Scherz.
Nun stehen sie schon auf - oder muss ich erst mit dem Strom...?
So, und jetzt die Hände brav auf den Rücken.
Wo meine Kollegen sind? Och, die sitzen wohl vorne in der Wachstube und pokern, geht um die Stiefel vom Herrn Hussein. Jaja, genau, um ihre. Die werden mal viel wert sein.
Die Kollegen? Die wollen gar nicht wissen, was ich mit ihnen mache, haben sie gesagt. Ich habe ihnen die Geschichte von meinem kleinen Bruder erzählt. Der ist damals bei ihrem Besuch in unserem Dorf gestorben.
Was, das wissen sie auch nicht mehr? Aber sie waren doch dabei? Das war, als das kleine Mädchen ihren Bruder in die Hand gebissen hat, weil er es betatschen wollte. Und als sie auch noch "Arschloch!" rief, haben sie inn ihrer überlegenen Art gesagt: "Wir werden hier ein Exempel statuieren - diese Dorfseite wird füsiliert."
Meine Familie wohnte eigentlich auf der anderen Dorfseite, aber mein kleiner Bruder war dort zu Besuch. Er wurde auch erschossen, nachdem sie ihn vorher grauenhaft verprügelt hatten. Naja, jetzt ist er schon einige Jahre tot, aber ich habe unserer Mutter geschworen, dass ich Rache nehme. Und jetzt kann ich hier sein, bei ihnen, in dieser schweren Stunde. Schön, nicht?
Was? An diesen Vorfall können sie sich gar nicht mehr erinnern? Naja, wenn man so viel zu tun hat.
Mit ihrem Gedächtnis müssen sie aber mal zum Arzt gehen, ich glaube, da ist irgendein Gefäß verstopft - das kann ganz gefährlich werden!
Was, warum kein Priester dabei ist? Na hören sie mal, sie waren doch früher nicht religiös, woher sollte ich das denn wissen? Außerdem will ich den Imam so früh nicht wecken, der braucht doch auch seinen Schlaf.
Wie? Doch, doch, der Gefängnisleiter kennt meine Geschichte, warum? Der Direktor hat gesagt, dass ich nicht so viel Lärm machen soll. Und dass die Leiche nicht vom Blut triefen darf - da kämen hinterher bestimmt noch ein paar Ärzte und würden sie untersuchen wollen.
Schade eigentlich, Bluttriefen war genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Augen ausstechen, Haut mit einem Kartoffelschäler abziehen, Organe einzeln entnehmen. Und dann kann man den Delinquenten ja immer noch aufhängen, für sie ändert sich doch nichts mehr. Vielleicht sollte ich doch...?
Der Chef meinte, wenn ich hinterher sofort verschwinde, würde er sagen, er hätte von nichts gewusst und er hätte sich das auch GAR NICHT VORSTELLEN KÖNNEN.
Das klingt eigentlich genau wie ihre Verteidigung beim Prozess, oder? Also, für ihren Verteidiger hätten sie ruhig etwas mehr Geld ausgeben können! Es gibt Fotos, wie sie bei Erschießungen zusehen - und ihrem Verteidiger fällt nichts besseres ein als: Sie hätten von nichts gewusst. Also wirklich! Unter ihrer Regierung wäre so ein Anwalt auch ein Fall für den Scharfrichter gewesen. Und ohne Prozess - ein Notfall eben.
Was? Das auf den Fotos waren ihre Doppelgänger? Aber warum haben sie das denn nicht gesagt?!? Das hätte doch sicher alles geändert! Wenn sie wirklich nichts gewusst haben, und ein einziger glaubwürdiger Zeuge das bestätigt! Ach was: Ihr Doppelgänger ist bei einem Attentat ums Leben gekommen? Tatsächlich - alle vier? Wie bedauerlich. Also leider keine Zeugen. Tja, dann...
Nun kommen sie schon, Herr Saddam! Nicht? Na gut, gegen ein paar Stromstöße wird ja niemand etwas einzuwenden haben. So lange ihr Gesicht nicht verbrennt. Der Rest ist ja unter ihrer schmucken Uniform. Das Privileg haben nur ganz wenige: In einer schmucken Uniform hingerichtet zu werden. Na gut, ich seh schon, es geht doch nicht ohne Strom.
Ich lasse ihnen auch ein wenig Zeit beim Sterben. Wenn man nicht so tief fällt, bricht das Genick nicht, sondern man wird langsam erwürgt. Der Delinquent hat dann mehr davon. Bitte achten sie darauf, dass sie nicht so hässlich herumzappeln. Oder schaukeln: Das sähe doch albern aus in ihrer schmucken Uniform. Das wollen wir doch nicht, oder?
... muss ich nochmal mit dem Strom oder kommen sie jetzt? Aha. Na sehen sie, es geht doch!
Schlurfen sie nicht so! Haltung! Hier stirbt nicht irgendwer - hier wird vom Präsidenten persönlich gestorben! Das sollen ihre alten Kollegen doch auch sehen. Ach, sie werden ja gar nicht im Hof aufgehängt... wir gehen ja diesmal in die Kammer hinten im Gang. Angst vor Anschlägen, pfft! Womöglich will sie jemand umbringen!
Wir benutzen diese Kammer sonst nur, wenn es regnet. Kommt zum Glück in Bagdad selten vor, ha ha.
So, da sind wir. Ganz schön hier, nicht? Und so ruhig. Naja, ich hätte schon gerne ein wenig Musik bei der Arbeit, aber sonst.
Sie brauchen nicht so zu schreien, es hört sie doch niemand. Sehen sie hier ein Fenster? Hören sie irgendwas? Na, meinetwegen könne sie auch weiter schreien, ich bin ja Kummer gewöhnt. Aber steigen sie jetzt mal die drei Stufen hoch auf dieses Podest. Genau so, danke.
Herr Saddam! Es ändert gar nichts, wenn sie jetzt eine Ohnmacht vortäuschen! Warten sie, wir haben auch hier drinnen einen Stromanschluss, dann muss ich eben wieder mit dem Kabel...
...aber nun seien sie doch nicht so bockig. Das tut mir mehr weh als ihnen! Aber schön, wenn sie nicht wollen, muss ich eben nochmal...
... na also, sie machen das ganz prima! Und jetzt die Schlinge. Wollen sie noch irgendwas sagen, bevor ich das Podest wegziehe? Eine Botschaft an die Welt, die heute leider nicht anwesend sein kann? Wenn sie so schreien kann ich sie gar nicht richtig verstehen. Schreien sie doch nicht so, ich muss mich doch konzentrieren bei der Arbeit!
So: Luft anhalten! Uuuuuuund ... voilà!
... ?
Herrjeh! Ihre Fußspitzen reichen ja bis auf den Boden! Hab ich doch tatsächlich das Seil zu lang gebunden! Wie unaufmerksam von mir! Das ist nur, weil sie so geschrieen haben...
...ja, was machen wir denn da? Kleines Probehängen, was? Hm, also, ihre Haltungsnote ist noch nicht die beste, können sie nicht vielleicht mal so...? Augenblick, ich darf da mal korrigieren ... oder so? Ja, so ist das besser!
Aber Herr Hussein - sie haben sich doch nicht etwa in die Hose gemacht? Nein! Wie sieht denn das aus! Pippi in Hosi 'macht? Soll ich sie ab jetzt Hose-in nennen? Ist das ihre Botschaft an die Welt?
Nein, so geht das gar nicht! Wir gehen jetzt zurück in die Zelle und fangen nochmal von vorn an. Aber erst morgen früh. "Nicht öfter als einmal am Tag!" pflegt meine Mutter immer zu sagen.
Kommen sie da mal runter. Stellen sie sich doch mal wieder hier auf das Podest und dann kann ich das Seil abnehmen.
Aber Herr Hose-in! Was soll denn das? Draußen wartet doch ein wunderschöner Tag auf sie! Erst wollen sie hier nicht rein, dann wollen sie hier nicht raus... muss ich erst wieder mit dem Strom...? Seien sie doch nicht so bockig!
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