26 Februar 2007

Mißverständigung

 
Der Autor schätzt es zuweilen, sich missverständlich auszudrücken. Für den Zuhörer ist es doch sicher schön, wenn er die Phantasie walten lassen kann.¹

Manchmal geht das allerdings auch nach hinten los. Oder in jede andere unerwartete Richtung. Dann passiert es zuweilen, dass der Autor ganz arglos eine Bemerkung macht und aus einer völlig überraschenden Ecke Lacher kommen. Es wird dann bei längerem Nachdenken klar, dass man diese soeben gemachte Bemerkung vielleicht, unter abwegigen Umständen und bei sehr großzügiger Auslegung, als obszönen Witz oder billige Zote hätte verstehen können. (ja doch, es gibt Leute, die wollen nichts anderes verstehen)

Der Autor dieses Blogs gelobt hier öffentlich, dass er selbst keineswegs einen Ruf als obszönes Schlitzohr anstrebt. Und dass ihm die billigen Zoten fast fremd sind.

Also: Nix gegen billige, aber wirksame Pointen. Und auch nix gegen tiefsinnige Zoten, wenn sie nur tiefsinnig sind. Nur eben nicht beides in Kombination.

In einem wohlüberlegten Akt der spontanen Selbstkritik wird hier auf DAS GRÖSSTE BUCH ALLER ZEITEN hingewiesen.

Nein, es handelt sich dabei nicht um die Bibel. Selbstverständlich nicht. Sondern um ein zu Unrecht weniger bekanntes Werk namens "DAS WASSERZEICHEN DER POESIE". Dieses wurde unter einem Pseudonym veröffentlicht, hinter dem sich der Prophet Enzensberger verbirgt, H.M.

Inhalt der Verkündigung DES BUCHES sind "164 Spielarten, Gedichte zu lesen".

Eine dieser Spielarten wird Ambiguität genannt, und der Prophet verkündet sie mit den Worten: "Jeder literarische Text ist mehrdeutig. Nicht immer weiß der Autor, was er sagt." Dies wird am Beispiel der völlig ahnungslosen geistlichen Lyrikerin Catharina Regina von Greiffenberg demonstriert und der Goldfisch schließt sich als Betroffener diesem Beispiel voll umfänglich an.

Ach drücke dich in mich / du Himmel-festes Siegel /

          Versigle meinen Sinn / versigle Hertz mit Hertz /
Versigle Mund mit Mund fest / über alle Siegel /

          Dein Leibes-Petschafft halt in aller Noth und Schmertz.
Die tieff-begrabnen Ritz / in mir sich hoch erheben /

          Die ausgeholten Stich / sich sondern recht in mir /
Die hohen Gnaden sich in tieffsten Danck begeben /

          Es werd mein gantzes Ich ein rechtes Bild von dir /
Mein Leib von deinem Leib / Gestalt und Bildung mehre /

          Mein Sinn / von deinem Sinn / sich formen lasse hier /
Mein Wille gantz und gar nach deinem sich beqveme /

          Ein jedes Aederlein sich füg in deine Gier.
Das übrig wisch man weg / wie bräuchig in dem Giessen /

          Nur was in dir ist bleib' / und heisse mein in mir /
Ich will von keiner Lust / von keinem Willen wissen /

          Als nur der deinem gleich / und der von dir herrühr' /
Ach! mach mich durch dein Blut zur sigilirten Erden!

          Daß eher ich zerbrech' als aufhör sie zu seyn.
Laß' eher mich mein GOtt zu Staub und Aschen werden /

          Als leben sonder dich / dein Bildnus prägen ein /
Daß du in mich gedrückt. Mein Hertz das Capsel breche /

          Bleibt nur dein Siegel gantz / dein lieber Leib und Blut.
Der Tod durch tausend Pfeil / das Leben mir absteche /

          Wann meinem Siegel nur im Hertzen er nichts thut /
Dem Leben / das du bist / kan er ja nichts angwinnen /

          Auch mir nicht / weil mit dir ich bin ein einigs Ein /
Es mag die gantze Erd der Himmel auch verbrinnen /

          Ich bin in Gott / und Gott wird bleiben gantz allein.



Der Artikel über Superman ist im Wikipedia übrigens deutlich länger als der über Catharina Regina von Greiffenberg. Aber das nur nebenbei.


¹ ich bin ein wenig befremdet, wenn ich feststelle, dass ich als vorletzter Mensch auf der Welt Phantasie noch mit PH schreibe.
 

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