06 Februar 2008

Du bist Jung und Matt und...


...siehst deine Aufgabe darin, Sachen zu verkaufen, indem du Menschen Angst machst, weil die Sachen sonst vielleicht schwerer zu verkaufen sind. Hier: Fugendichtband


II.

Also, zurück zum Schimmel: Jede gute Lüge hat natürlich einen wahren Kern, das wissen gerade auch Werber. Das ist wichtig, damit man sie am Ende nicht doch noch verklagen kann: "Ich habe doch aber das Dichtband eingebaut - und jetzt schimmelt es trotzdem?"

Bei genauer Betrachtung schimmelt es unter Umständen sogar "gerade wegen".

Und das geht so: Die Schimmelsorten, die bei uns im Haus üblich sind, lieben ein gleichmäßig feuchtes Ambiente, das ist schon alles, was sie brauchen. Und einen nahrhaften Untergrund - Rauhfasertapete mit kleinen Holzschnipseln drin ist deutlich ergiebiger als nackter Kalkputz.

Im Zweifelsfall, wenn die übrigen Bedingungen besser sind, kann sich mancher Schimmel aber auch aus Nährstoffen aus der Raumluft ernähren, da ist mehr drin als man glaubt, all das, was sich sonst als Staub auf Möbeln niederschlägt. Dann braucht er gar keine Rauhfasertapete.

Jetzt ein wenig Physik, ganz wenig: In der Raumluft ist immer Wasserdampf enthalten, umgangssprachlich sagt man "Luftfeuchtigkeit". Wasserdampf ist gasförmig und man kann ihn nicht sehen. Wenn sich die Luft unter eine bestimmte Temperatur abkühlt, kondensiert das Gas zu Wassertröpfchen, die sich zusammenballen. Erst diese kann man als Lufthauch sehen.

Die spezifische Temperatur nennt man den "Taupunkt", und sie ist abhängig davon, wie viel Feuchtigkeit in der Luft enthalten ist. Je weniger Feuchtigkeit, desto niedriger muss die Temperatur fallen, damit es kondensiert. Viel Feuchtigkeit - Kondensation schon bei höherer Temperatur.

Wenn das oft passiert und das Wasser nicht wegtrocknet, kann ein Bauteil allmählich durchfeuchten - aber dem Schimmel genügt zum Wachstum sogar nur ein gleichmäßiger Flüssigkeitsfilm auf der Oberfläche. Der Vorgang ist derselbe wie bei einer beschlagenen Scheibe.

Es gibt ein paar bekannte Faustformeln und Werte, wann Schimmelbildung wahrscheinlich eintritt: Luftfeuchte im Raum längere Zeit über 65%, Temperatur der Wandoberfläche unter 12,4°C. Die Werte schwanken, je niedriger die Wandtemperatur, desto weniger Luftfeuchtigkeit genügt für das Kondensieren. Und sie sind auch abhängig von der Schimmelsorte: Es gibt wie überall genügsame und anspruchsvolle.

So weit. Bis hier hin alles klar?

Woher kommt nun die Luftfeuchtigkeit eigentlich? Ja, sicher, auch von draußen. Aber das ist der kleinere Teil. Das meiste ist einfach in der Atemluft enthalten, die der Mensch ausatmet. Und seine Tiere. Sowie die Pflanzen, und was vielleicht noch Aquarien verdunsten, Zimmerspringbrunnen, Luftbefeuchter, nasse Wäsche, Geschirrspüler dampfen auch einiges.

Heißt: Die Feuchtigkeit in den Räumen macht der Mensch. Je länger er im Raum ausatmet, desto höher steigt die Menge von Wasserdampf in der Luft. Sobald er lüftet und von draußen Luft hereinlässt, sinkt die Feuchtigkeit wieder deutlich, bis zu der Menge, die von draußen kommt.

Aber der Mensch hat es auch gerne warm, darum baut er ja Häuser. Warm kann man es machen, wenn man Wärme erzeugt - oder, indem man sie nicht hinaus lässt.

Wärme erzeugen: Heizung.
Wärme nicht hinauslassen? Dämmung der Wände, oder? Und, najaaaa - möglichst wenig lüften.

Und hier treffen zwei Welten mit sehr unterschiedlichen Interessen aufeinander. Wenig Wärmedämmung: Kalte Wändoberfläche. Wenig Lüftung: Hohe Luftfeuchtigkeit. Wärmedämmung - bezahlt der Bauherr. Heizkosten - der Bewohner. Natürlich will keiner von beiden zahlen.

So, aber wann kommt denn jetzt der Schimmel?

Der muss nicht erst kommen, der ist schon längst da. Die Sporen schwirren fast überall herum und sind so klein, dass man sie ohnehin nur schwer filtern kann. Sie setzen sich irgendwo fest, wenn sie einmal günstige Bedingungen gefunden haben, breiten sie sich wieder aus. Aber eben erst dann.

Die Idee "Schimmel nicht ins Haus lassen" ist völlig abwegig. Es gibt nur einen Spezialfall, in dem das vielleicht gelingt: Wenn man ein neues Haus baut, es vollkommen neu einrichtet und auch sonst keine Andenken aus dem alten Haus mitnimmt. Neue Kleidung nicht vergessen! Und der Besuch muss sich in der Schleuse an der Haustür ausziehen, die Kinder nach dem Kindergarten natürlich auch.

Sinnvoll angewendet ist das Dichtband dieses Schweizer Herstellers unter Umständen gar nicht so schlecht, es bremst die sogenannte natürliche Lüftung. Will sagen: Es lässt die warme Raumluft nämlich nicht hinaus. Und mit ihr die Feuchtigkeit Und welche Folge hat das zuerst? Genau: Die Feuchte in der Raumluft steigt. Man muss jetzt sogar besonders oft die Fenster aufreißen.

Deshalb gilt: Wenn man etwas gegen Schimmel tun will, muss man wirklich andere Maßnahmen ergreifen. Das wollten Matt und die Jungs vermutlich erst gar nicht hören, so lässt sich nämlich kein Dichtband verkaufen. Da schüren sie lieber Angst, Panik, Emotionen, für ein paar Dollar mehr.

Und jetzt sind wir doch da angekommen: Du bist Jung von Matt und GENAU DU bist Deutschland!
 

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