05 Februar 2008

Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel

 
Dieser Vorgang ist atemberaubend: Ein kirchenkritisches Bilderbuch für Kinder soll auf den Index für Jugendgefährdende Schriften gesetzt werden.

Im Spreeblick ist der Sachverhalt schon sehr schön erläutert: Dieses Ferkel ist kein Antisemit!


Kurz zusammengefasst: Ein Bilderbuch für Kinder gibt sich kirchenkritisch und führt die Fundamentalisten von drei Weltreligionen vor. Warum auch nicht - es gibt sie ja: Die Leute die mit der Angst Geschäfte machen wollen (siehe auch den vorangegangenen Blogeintrag). Weil auch die christliche Kirche darunter ist, sucht das deutsche Familienministerium anscheinend nach einem Grund. Es findet ihn in der Darstellung eines fanatischen orthodoxen Juden. Im Buch werden auch fanatische Christen und Moslems abgebildet, aber die haben in Deutschland nicht ganz denselben Bekenntniswert wie Juden.

Mit der fadenscheinigen Begründung, das Judentum insgesamt werde somit herabgesetzt, beantragt das Familienministerium des bis vor kurzem noch säkularen Staates Deutschland die Indizierung bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften.

Der Gipfel der Heuchelei, Frau Familienminister! Im übrigen eine weitere Beleidigung des Judentums, wenn man es wieder einmal instrumentalisiert, um es als Hebel für ganz eigene Ziele zu verwenden. Wann war das noch gleich das letzte mal passiert?

Oben auf der Spreeblick-Seite ist schon eine Stellungnahme der Buchautoren zu finden, der Verlag hat eine eigene sehr informative Unterstützerseite ins Netz gestellt und abgesehen davon sind beispielsweise die Blogger Deutschlands dazu aufgerufen, diesen Vorgang bekanntzumachen und dem Familienministerium seine unverfrorene Heuchelei um die Ohren zu hauen.

Die Presse äußerst sich hier (Humanistischer Pressedienst) und hier (TAZ) und hier (Tagesspiegel) dazu.

Und vor allem: Hier liegt der Originaltext des Antrags. Auszug:

Begründung:
Das vorstehend bezeichnete Buch ist nach18 Abs. 1 JuSchG geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.

Aha? Wo denn? Wenn man den Antragstext liest, staunt man, wie professionell die Beamten missverstehen. "Im Auftrag: Susanne Schuster". Wie geschult sie Aussagen und offensichtliche Absichten des Buches ins Gegenteil verkehren:

In dem Buch werden die drei großen Weltreligionen Christentum, Islam und das Judentum verächtlich gemacht. Die Besonderheiten jeder Religion werden der Lächerlichkeit preisgegeben.

Nein nein, nicht ganz: Es werden die Fundamentalisten dieser Religionen lächerlich gemacht.
Früher hätte man geglaubt, dass diese Art Argumentation ins Reich der spanischen Inquisition gehört ("Wer sich verteidigt, klagt sich an"). Sicher, später hatten auch die Diktaturen des 20. Jahrhunderts solche Ankläger.

Aber dachten wir nicht alle, das sei vorbei? Wo bekommt das Familienministerium solche Leute her? Zum Beispiel Frau Susanne Schuster, die im Auftrag handelt.

Diese Art der bildlichen Präsentation stellt die jüdische Religion als besonders menschenverachtend, grausam und mitleidslos dar.

Um genau zu sein: Sie stellt die Extremisten der jüdischen Religion so dar, und dass dies mit den Extremisten der anderen Religionen im Buch genauso geschieht, hat Frau Susanne Schuster im Auftrag irgendwie übersehen.

In der Gesamtbetrachtung weisen Text und Abbildungen des Buches mithin antisemitische Tendenzen auf. Das Buch ist somit geeignet, Kinder und Jugendliche sozial-ethisch zu desorientieren.

Antisemitisch handelt vor allem, wer das Judentum als Werkzeug für andere Ziele einsetzt, denke ich. Aber gerade das hat in Deutschland Tradition.



In der SZ findet sich eine ganze Serie von Bildern aus dem Buch, die an einer Stelle leider auch mit dem immer sehr wirksamen Nazi-Vorwurf hantiert "erinnert an Karikaturen aus der NS-Zeit", allerdings ohne dass der Autor Karikaturen aus der NS-Zeit auch wirklich kennt, die sahen anders aus. Publikumswirksam, plakativ, billig - und falsch.


Außerdem ist es immer heikel, wenn man von Bildern nur den Ausschnitt veröffentlicht, der einem passt - die Sache mit dem Zusammenhang. Die BILD-Zeitung macht das auch so.

 

1 Kommentar:

100 Goldfischli hat gesagt…

Ja, mir ist nicht entgangen, dass das Buch wahrscheinlich den dogmatischen Atheismus vertritt. Der ist ebenfalls zweifelhaft.

Aber so lange die Bibel mit ihrer langen Reihe von Massakern, Gemetzeln und Blutbädern nicht auf dem Index steht, kann man das Schweinchenbuch deutschen Kindern durchaus zumuten.

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