06 Mai 2008

Abstruse Ideen

Jahaa! Drehbare Hochhäuser!

Neulich ging's hier bereits einmal um die Sache mit dem segelnden Containerfrachter. Prinzipiell nicht unmöglich, kann auch zu geringer Energieersparnis führen - aber wird aller Voraussicht nach jedenfalls nicht die Versprechungen der Erfinder erfüllen.

Dazu gibt es eine klassische Erkenntnis aus der Reihe "Murphys Gesetz":
"Versprechungen eines Herstellers über die Leistungsfähigkeit seines Produkts sind immer mit dem Faktor 0,5 zu multiplizieren. Versprechungen der Werbeabteilung mit dem Faktor 0,25."
Nun wird eine neue eierlegende Wollmilchsau über den Hof getrieben. Sie nennt sich "Rotating Tower":
Ein Hochhaus, dessen Nutzfläche sich dreht - wozu auch immer. Errichtet werden soll die Sache in Dubai, wo man anscheinend sowieso eher selten nach dem Sinn fragt, und sich auch sonst keine Sorgen wegen der Wirtschaftlichkeit machen muss.



Drehbare Häuser sind so neu nicht. Das beginnt bei den jahrhundertealten Windmühlen, die jeder schon gesehen hat. Es setzt sich Anfang des 20. Jahrhundert fort, wo Luftschiffhangars auf riesigen Drehscheiben montiert wurden, damit die sensiblen Luftschiffe auch bei Wind den Hangar noch verlassen konnten. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts kamen drehbare Ökohäuser hinzu. Und gerade letztes Jahr wurde in Eindhoven ein Reihenhaus auf einer Drehscheibe in einem Kreisverkehr errichtet (erkennt man erst gegen Ende des Films). Dabei geht es anscheinend um die Nutzung von Baulandreserven in den dicht besiedelten Niederlanden.

So weit. Über den Sinn dieser Drehbarkeit lässt sich diskutieren: Wo Teile des Gebäudes ständig optimal in der Sonne liegen muss es ja auch andere geben, wo ewiger Schatten herrscht. Und genau dieses ist auch beim Hochhaus in Dubai zu erwarten. Aber vielleicht will man dort auch lieber Schatten. Dann klagen eben die in der Sonne.

Nun hat ein 300m-Hochhaus eine gewisse Grundfläche, die voraussichtlich immer so groß ist, dass je Etage mehrere Büro- oder Wohneinheiten daraus werden. Wie sich die mehreren Mietparteien jeder Etage über die Drehung einigen, dürfte sehr interessant werden und wahrscheinlich sogar die Schrei-Shows im Unterschichtenfernsehen in den Schatten stellen. Da möchte man gern Mäuschen sein.

Und die Grundfläche spielt beim Hochhaus allgemein eine entscheidende Rolle, im Sport sagt man dazu "Leistungsbegrenzender Faktor": Bei Hochhäusern lässt sich trotz aller technischen Fortschritte immer nur eine gewisse Schlankheit erzielen, meint: Das Verhältnis von Breite zu Höhe. Auf das Haus wirken mehrere seitliche Kräfte ein, einerseits Windlast, und andererseits muss in vielen Gegenden mit Erdbeben gerechnet werden. Außerdem beispielsweise Längendehnung durch Sonne/Schatten. Wer genau hinsieht: Viele neuere Hochhäuser haben eine Pyramidenstruktur, d.h. sie sind an der Basis deutlich breiter als an der Spitze.

Und dann kommt noch die vertikale Erschließung hinzu - das wird gerne unterschätzt. Man will ja schnell auf sein Stockwerk kommen und nicht eine Stunde nur mit Warten und Aufzugfahren im Haus zubringen. Bei den WorldTradeCenter-Türmen waren im Erdgeschoss mehr als ein Drittel der Grundfläche nur Aufzugschächte, nach oben dann aber weniger.

Aus diesen Gründen war im Hochhausbau für lange Zeit bei ca. 400m Schluss. Aus diesen Gründen liegen auch meist tragende Bauteile ganz außen, in der Fassade.

Wenden wir diese Erkenntnisse auf die rotierenden Türme an - hier die Webseite. An der Außenfassade lässt sich wegen der Rotation kein tragendes Bauteil anbringen. Was trägt, kann demnach nur der Erschließungskern sein, um den sich die Etagen drehen. Der Kern ist aber sehr viel schmaler als die Außenhülle. Im Video ist ein eleganter, schmaler Tum dargestellt, der einem zeitgemäßen Hochhaus ähnelt, auch in der Schlankheit. Nur, dass eben der Kern nur ein Drittel der Dicke hat. Bei einem niedrigen Gebäude durchaus denkbar - aber bei 313m irgendwie unwahrscheinlich.

Das ganze wird noch als umweltfreundliches Projekt verkauft. Durch Windräder zwischen den Etagen soll der benötigte Strom für die Rotation selbst erzeugt und überschüssiger Strom sogar ins Netz von Dubai eingespeist werden.

Da darf man gespannt sein: Schon in den Hochhäusern der USA entsteht der höchste Energieverbrauch im Sommer, nämlich durch Kühllast. Das wird in Dubai nicht anders sein. Es gibt sogar einen Aufzug, mit dem man seinen Ferrari ins oberste Stockwerk bringen kann. Dass die Propeller mehr Energie produzieren, als für Drehung UND Klimaanlagen erforderlich ist, darf bezweifelt werden.

Jedenfalls scheinen alle diese Probleme gelöst zu sein, demnächst ist Baubeginn.

Aber am Golf fragt ja anscheinend niemand nach dem Sinn, Hauptsache man hat den längsten, oder den gebogensten oder den abgedrehtesten.

1 Kommentar:

c.s. hat gesagt…

schick! das nennt man dann wohl architekten-jenga. ich frage mich gerade was älter ist, die idee der drehenden häuser, die titelmusik oder die neigung zu übermäßigem alkoholkonsum.
egal, hauptsache es dreht sich.

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