11 Juni 2008

Musik und Tön


III. Staffel - Busfahrerelegie

2.2 Putativ und subjektiv

... die sache mit dem messerheini, sie erinnern sich, wa? Der hat mich erst mit messer bedroht und is denn doch lieber abjehaun...


In zwischen hatte die versicherung von dem jungen mich jefunden. An sich hätte dit andersrum loofen sollen - aber so rum jehts natürlich ooch. Die hatten dafür ihre gründe.

Versicherungen wolln ja nie jerne zahlen wenn se sollen. Dafür ham die wahrscheinlich sogar extra vordrucke, der sachbearbeiter hat denn immer seine routinemäßigen ausreden, warum er janz sicher glaubt, dass die nich zahlen müssen. muss jar nich stimmen, aber versuchen kann mans doch mal.

nur ab ner bestimmten summe wird die ihr interesse am nichzahlen richtig ernsthaft. denn setzen se ihre besten spitzenkräfte drauf an, damit se nich zahlen müssen. Die krankenversicherung von dem jungen hat sogar nen detektiv engagiert, nur meinetwegen, damit der mich findet. und der sollte am liebsten ooch gleich beweisen, dass ick dit war, also dass ick dran schuld hatte dass der kerl krank jeworden war, dit hätte denen jefallen. Wahrscheinlich habe ick mich ooch selber mit dem messer bedroht.

Die blutige hand von dem jungen war bei dem vorfall nämlich anscheinend in meine schublade jeraten bevor er jetürmt is: alle finger waren jebrochen, jeder drei oder vier mal. daher dit verklärte jesicht - dit tat wohl weh. anschließend hatte der noch ne infektion, weil er nich gleich zum arzt jegangen is, der feige idiot. am ende war die janze mysteriöse verletzung immerhin mehrerere operationen und drei monate krankenhaus wert.

„jeschieht ihm recht, dem knallkopp!" dachte ick mir. Mitjefühl is meine große stärke.

aber mit monaten im krankenhaus war die sache plötzlich teuer jeworden und nu musste ja irgendwer schuld sein, am besten eener, der nich bei derselben versicherung is.

der detektiv hat sich erstmal jar nich vorjestellt und nur scheinheilich jefragt ob ick da kürzlich mal eenen vorfall mit nem jugendlichen hatte.

„wozu wollnsen dit wissen?" frage ick so. und denn isser rausjerückt damit: „ich arbeite im auftrag der versicherung (*name tut hier nichts zur sache) und wir untersuchen den unfall des jungen mannes." dit war schon mal jelogen, unfall, die dachten an wat janz anderes. Hühnerauge sei wachsam!

„welchen unfall?" frage ick, und denn stellt sich raus, dass der junge mann leider vergessen hat, dit messer zu erwähnen, als er seine versicherung den hergang beschreiben musste. stattdessen hatte er behauptet, ick hätte ihn grundlos jeprügelt und aus bosheit seine hand in die schublade jeklemmt! so'n früchtchen! ick lasse den doch nich an meine wohnungsschlüssel!

nu dachte sich aber die versicherung janz folgerichtich, dass ick ja sicher jerne die krankenhausrechnung von dem armen jungen zahlen möchte. versicherungen denken wohl so: wenn sich schon eener bedrohen lässt, denn will der bestimmt ooch zahlen, falls et schief jeht. die hoffnung fand ick unbegründet - schließlich gings da um den wert von nem neuen mittelklassewagen. oder ne wirklich teure küche.

„danke, ick nehme lieber die küche!" wollte ick plädieren. brauchte ick aber nich, ick hatte ja dit protokoll von die polizei, und dazu fünfzehn zeugen, die für mich sind. dachte ick.

die fahrgäste ham dit messer jesehen - und danach hatte jeder anjestrengt woanders hin jekiekt. klar, vielleicht passiert ja jar nüscht, wenn da eener mit nem messer steht und brüllt, vielleicht is dit ja nur ne unterhaltung unter freunden. also erzählte jeder wat anderes. wenichstens hatte jeder den linus mit dem messer rumfuchteln sehen und fingerabdrücke waren ooch drauf.

unterstützung krichte ick janz überraschend von meine firma. dit is dit „große berliner nahverkehrsunternehmen". und ausnahmsweise nich nur vom betriebsrat, sondern richtig von die chefs: meine firma wollte zur abwechslung mal een exempel statuieren. die ham dit doch nich jerne, wenn ihre kutscher alle paar tage mit messern bedroht werden.

die ham für mich nen besonders wertvollen anwalt aufjetan und denn kams zum prozess. ick und die firma hatten den messerheini anjezeigt, unbekannterweise. und dem seine versicherung hielt „es für möglich" dass ick „in putativnotwehr überreagiert und dem versicherungsnehmer unnötig schaden zugefügt" habe.

wenn mir eener n messer unter die nase hält, kann man über „unnötich" schon mal streiten, finde ick.

aber die ham deswegen dit früchtchen im strafprozess sogar noch beraten und mich „höchst vorsorglich" ooch anjezeigt. wenn ick mitschuldich jewesen wäre, hätten se anschließend im zivilprozess dit geld von mir haben wollen, wat dit krankenhaus jekostet hat. hätte ja klappen können. versuch wars wert.

„... der zeuge hat dann vermutlich die hand des angeklagten in putativnotwehr in die schublade gesteckt und diese mehrmals mit großer kraft zugestoßen..."

ne putative schublade als notwehrwaffe, wa?

„wat? blödsinn!" ick muss mich ja nich selbst belasten und die beweise waren doch irgendwie eindeutich. „jing ja allet so schnell - also ick kann mich da nich dran erinnern, wat ick jemacht habe. aber an dit lange spitze messer unter meine nase kann ick mich erinnern. der kleene verbrecher wollte wahrscheinlich bloß die scheine in meine schublade greifen und denn isser jestolpert..." sowat muss man glaubwürdich vortragen.

„Er hätte doch sicher nicht mit der Messerhand in die Schublade gegriffen sondern mit der freien Hand!"

„Na sie scheinen sich mit sowat ja jut auszukennen, herr anwalt..."

„putativnotwehr!"

hätte jeheißen: ick muss zahlen.

„früher sachte man zu sowat einfach 'raub'. nur is der bengel selbst dafür zu blöde und dit tut seine versicherung leid. nu hat er sich die langfinger jebrochen und jetzt soll ick dit jewesen sein." verbale notwehr nennt man sowat heute.

„...der zeuge hat den jungen mann bereits früher misshandelt..."

„jar nich wahr!" sollte er erst mal beweisen, seine freunde warn ja eher nich so zuverlässig. konnte er also nich. und außerdem war dit jar nich richtig misshandelt: 'n satz warme ohren für so ne jemeine zecke is erziehung und keene misshandlung.

der richter sah dit im grunde so wie ick und meine firma: „die beweislage ist eindeutig und deckt sich weitgehend mit den schilderungen des zeugen" (icke). von unnötige jewalt war keene rede mehr. den linus ham se aber ooch bloß zu 3 wochenenden sozialem einsatz verurteilt, weil seine kaputte hand überhaupt erst noch verheilen musste. 3 Wochenenden aufm ponyhof oder so, „weil er bislang unbescholten war".

quatsch, den hamse bloß bis dahin nich erwischt, war ja damals erst vierzehn. meine firma hat ihm aber noch hausverbot erteilt, dit konnte sie, weil er nu ja kriminell war.

die versicherung hat denn von der zivilen klage gegen mich lieber abjesehen, die hätten se nämlich verlieren können. aber wat ick so höre wollen se sich nach der messersache nu an die eltern von der kanaille halten. na denn wünsche ick viel vergnügen!

an sich is bei dem prozess nich allzuviel rausjekomm. immerhin habe ick jetzt wenigstens die adresse von der kleinen zecke - er allerdings ooch meine.

jedenfalls: zum busfahren brauch er sich die nächsten jahre nich blicken zu lassen. Und fahrrad macht ihm mit der kaputten hand bestimmt viel freude.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

ich mag deine berliner schnauze! mehr! mehr!meeeeeeeeeeeeeeeeehr!

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