In dieser kleinen Reihe werden moderne Formen des weltanschaulichen Eifers vorgestellt, der Mail-Missionar, der DAU-Verhöhner und der Apostrophenwächter als Beispiel für Fanatiker der Gegenwart: Hohn- und Erniedrigungsprediger im Internet.
C. Der Apostrophenwächter
Noch häufiger als den DAU-Verhöhner und den E-Mail-Missionar trifft man den Apostrophenwächter. Er ist Betreiber einer Webseite, in welcher falsch gesetzte Apostrophen schadenfroh ausgestellt und herablassend kommentiert werden.
Für die meisten Menschen ist Sprache ein Mittel zur Verständigung. Nicht so für die Apostrophenwächter: Für sie ist Sprache ein Mittel, um andere Leute klein zu machen. Es ist nicht so, dass sie selbst dadurch größer erscheinen würden - nicht einmal im direkten Vergleich. Aber sie versuchen es, und es sind nicht einmal wenige. Und wen treffen wir in dieser illustren Runde wieder? Genau: Bastian Sick.
Fast jeder, der schon ein paar Jahre auf der Welt ist, hat bemerkt, dass Sprache sich ständig wandelt. Wörter, die vor zehn Jahren das ultimative Schockpotential hatten, sind inzwischen in den selbstverständlichen Sprachgebrauch übernommen. Oder auch vollständig verschwunden. Geil!
Heute kann man sich leicht einen Vorstandsvorsitzenden im Maßanzug vorstellen, der bei der Präsentation vor den Kollegen etwas "Geil!" findet. Aber "affentittengeil"? Kann sich da noch jemand dran erinnern? "Geil" steht übrigens im Duden. Immer schon. Allerdings hat sich seine Bedeutung mehrfach sehr geändert.
Soviel zur natürlichen Entwicklung von Sprache.
Seit einigen Jahren nun wandert der englische Apostroph nach Deutschland ein. Das wäre an sich nichts besonders bemerkenswertes, in einer Epoche, wo man rund um die Uhr mit englischsprachiger Populärmusik beschallt wird, und wo Werber ihre allgegenwärtigen Beiträge zum Leben in schlimmem englischem Kauderwelsch absondern.
Im Deutschen gab es auch schon lange davor Apostrophen - sie saßen nur an anderer Stelle. Und naturgemäß gibt es einige Leute, die beides verwechseln. Das passiert häufig dort, wo nicht so fließend Englisch gesprochen wird. Nein, ich meine nicht nur die Werbeagenturen! Sondern, sagen wir mal, die deutschen Grund- und Mittelschulen, und die Landstriche mit Russisch als erster Fremdsprache. Jedenfalls: Manchmal findet so eine Verwechslung ihren Weg bis auf ein Schild, oder in ein Zeitungsinserat, öffentlich sichtbar. Das ist die Stunde das Apostrophenwächters - er tritt nun entschlossen auf den Plan und prangert an!
Besonders gern tut er das im Internet, aber auch anderswo, wo er nicht mit allzu großer Gegenwehr rechnen muss, sondern ausschließlich mit dem Lob Gleichgesinnter. Apostrophenwächter verstehen sich untereinander.
Wobei der Apostrophenfrevler auch gar nicht zu fundiertem Widerspruch geneigt oder in der Lage wäre, er hat ein eher pragmatisches Verhältnis zur Sprache: Er wendet sie an, wenn er sie braucht. Ob jetzt englischer Genitiv, Pluralapostroph oder gänzliche grammatische Neuschöpfung - Hauptsache, er wird verstanden.
Zudem ist er gutwillig: Um nur alles richtig zu machen, setzt er lieber einen Apostroph mehr als einen zu wenig.
Damit ist er das ideale Ziel für den Apostrophenwächter. Dem geht es um die Einhaltung von Regeln, nicht um Kommunikation. Und weil er sich für den legitimen Richter hält, kann er "guten Willen" schon gar nicht gelten lassen - wo es doch Regeln gibt. Zum besseren Verständnis wird der falsch gesetzte Apostroph in der Regel als Deppenapostroph bezeichnet, damit man auch weiß, wo der Feind steht.
Die Möglichkeit der Denunziation bei den Behörden bleibt dem Apostrophenwächter derzeit leider versagt: Die heilige Inquisition musste ihre Tätigkeit ebenso aufgeben wie die Stasi. Ein Fehler eröffnet dem Apostrophenwächter daher nur noch die Möglichkeit, die Betreffenden lächerlich zu machen: Er versteht trotz mangelhafter Schreibung durchaus, was da gemeint ist - dass die Niederschrift nicht so genau den Regeln folgt, findet er unerträglich. ER, der Apostrophenwächter, könnte das nämlich besser! Deshalb formuliert er lautstarke Anklagen, in denen der Dogmatiker um Mitgefühl bettelt und die Solidarität der Gebildeten fordert für seine moralisch überlegene Position.
Wie die anderen religiösen Eiferer ist auch der Apostrophenwächter ein Mensch mit schlichter Auffassungsgabe und kleinem Ego. Seinen begründeten Minderwertigkeitskomplex kompensiert er durch verständnisheischende Überheblichkeit. Über die tatsächliche Anzahl dieser bedauernswerten Würstchen kann man nur spekulieren.
Beispiele gefällig? Hier:
- "Kapostropheum" Stellvertreter für viele
- und seine Kumpels
- idealtypischer Apostrophenwachtturm, hält sich für →"Kategorie: Sprachwissenschaft", kann aber beispielhafte Beschreibung nicht von Definition unterscheiden.
Dass wir in diesem Kreis schon wieder auf Bastian Sick getroffen sind, ist sicher nur Zufall.
3 Kommentare:
bitte auch eine Tirade über die ständig-auf-Rechtschreibung-und-Grammatik-Aufmerksamkeit-Lenker
by the way:
"schlimmem englischem Kauderwelsch" ist nicht korrekt, sondern vielmehr müßte es "schmlimmem englischen Kauderwelsch" heißen
und in "die Stunde das Apostrophenwächters", des statt das
so, nun genug der Aumerksamkeitlenkung,
Grüße, Moritz
Oooh, "schmlimmem", da habe ich doch gleich den nächsten Fehler entdeckt: zu viel m.
Schön, daß immer wieder neue Fehler auftauchen, auf die man aufmerksam machen kann!
Grüße, Moritz
Ähm, die "ständig-auf-Rechtschreibung-und-Grammatik- Aufmerksamkeit-Lenker"
Fehlt da nicht ein s?
Ich finde, "schmlimmem" spricht sich nicht so gut. Deshalb habe ichs ohne vier m geschrieben.
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