30 August 2008

Fragezeichen

An sich hab ich es gerne, wenn ich bei Auseinandersetzungen weiß, wer der Böse ist: Zum Beispiel der, der angefangen hat. Wahrscheinlich braucht der Mensch das, zur moralischen Entlastung, oder wofür auch immer. Ein halbwegs gesunder Mensch in Mitteleuropa ergreift dabei meist die Partei des Schwächeren - sofern der sich nicht als allzu dämlich oder unsympathisch präsentiert.

Zur Zeit schwelt ja diese Auseinandersetzung in Georgien. Das klingt zunächst mal nach "weit weg", betrifft uns in Deutschland aber dadurch, dass es direkt um die Erdölversorgung geht: Russland ist am Konflikt beteiligt und von Russland weiß man, dass es nicht nur Gas und Öl verkauft, sondern auch den Hahn zudreht, wenn ihm irgendwas nicht genehm ist. Gute alte zaristische Sitten. Von so jemandem ist man ungern abhängig.

In den Georgienkonflikt hat sich Russland eingemischt, Süd-Ossetien annektiert (russische Sprachregelung: "anerkannt" - in Form der Ausgabe russischer Pässe) und Georgien verwüstet, um auch um allen anderen zu zeigen, wo der Hammer hängt. Außerdem ist Russland jetzt näher dran an einer für Europa lebenswichtigen Pipeline.

Aber wer ist daran jetzt schuld? Der Schlächter Putin, der in Tschetschenien mit Stalins Methoden für Ruhe gesorgt hat? Oder der duchgedrehte georgische Präsident Saakaschwili (resp. seine Regierung), der in einem unbeobacheten Moment einen Überfall auf die abtrünnige Provinz durchführen ließ? Oder die bösen Südosseten, die sich von Georgien loslösen wollten? Oder die Amerikaner, die Saakaschwili mit Hilfe geheimnisvoller NGOs an die Macht brachten, wie einige Verschwörungstheoretiker behaupten. Oder Stalins Politik von "teile und herrsche" die ganz verschiedene Völker in gemeinsame Republiken zwang? Oder doch eher die Zaren, die den ganzen Kaukasus besetzen ließen?

Nicht, dass es irgendwas ändern würde am Zustand der Welt, aber: Irgendjemand muss doch schuld sein! Kann mir bitte jemand sagen, wer?

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