22 Dezember 2008

Teile Vorurteile

- eine folgerichtige Geschichte -

ein Gerücht, aus der Erinnerung, und nicht besonders sorgfältig recherchiert

In Japan gibt es eine Bahn, die einen Berg hinauf fährt.
Weil der Berg steil ist, verläuft der Weg in Serpentinen.
Weil dort wenig Platz ist - Japan - gibt es an den Wendepunkten keine Kurven. Statt dessen fährt der Zug auf ein totes Gleis, eine Weiche wird umgelegt und er fährt in der Gegenrichtung wieder los, weiter den Berg hinauf. Der Zug hat daher zwei Führerstände, an jedem Ende einen.

Aus Sicherheitsgründen - Japan - müssen immer beide Führerstände mit einem Lokführer besetzt sein. Damit man ihn erkennt, und als Zeichen seiner Position, trägt der Lokführer eine schicke Uniform, gebügelt, mit Mütze und weißen Handschuhen.

Weil in Japan Hierarchien wichtig sind, gibt es einen ersten Lokführer und einen zweiten. Der erste Lokführer hat die Aufgabe, den Zug in Fahrtrichtung zu führen. Der zweite Lokführer sitzt im anderen Führerstand, am jeweiligen Zugende, zur Sicherheit. Dort hat er im Regelfall nichts anderes zu tun, als die entschwindende Landschaft aufmerksam zu betrachten.

Weil in Japan Hierarchien wirklich wichtig sind, wird an jeder Kehre gewechselt: Der erste Lokführer hat nämlich die Aufgabe, den Zug immer in Fahrtrichtung zu führen. Daher der Wechsel: Beim Halt steigt jeder der beiden Lokführer aus und geht zum anderen Führerstand am ihm zustehenden Zugende. Dann fährt der Zug weiter bis zur nächsten Kehre. Dort erfolgt der nächste Wechsel.

Weil im zuverlässigen Japan Posten möglichst lebenslang besetzt werden, kann es so vorkommen, dass jemand nahezu sein ganzes Leben lang als zweiter Lokführer rückwärts fährt. Und zwar so lange, bis der Posten des ersten Lokführers frei wird und er aufrückt.

Bis da hin kann er nur aufmerksam der Landschaft beim Entschwinden zusehen und hoffen, dass wenigstens einmal etwas aufregendes passiert.



So weit das Gerücht über die Verhältnisse in Japan. Ich war noch nie dort.

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