04 Dezember 2009

Autofahrt (1)

Neulich bei einer 20-minütigen Autofahrt haben wir die schwerwiegenden Themen der Menschheit erschöpfend abgehandelt:
Liebe, Tod, Kernenergie und Fußball.
Dabei ging es auch um Journalismus und um seine Verbreitung dieser Themen. Freund T. aus B. machte die hellsichtige Bemerkung
"Journalisten sollten einem die Welt erklären und nicht nur irgendwo abgeschriebene Meldungen kürzen und zusammenfassen".


Zuerst die Medienkritik

Das begann mit der hiesigen Sportkolumne namens Soft-News: In deutschen Medien ist wahrscheinlich zwanzigmal so viel über den vermeintlichen Wettskandal berichtet worden wie über den neuen Störfall und den alten GAU in Harrisburg. Das wiederum ist Interesse all der Leute, die ihre ohnehin schon überzogenen Reaktorlaufzeiten gerade wieder verlängern lassen wollen:
“Da kann ja gar nichts passieren! Das ist doch alles sooo sicher!“
Wie sicher es wirklich ist, hat Harrisburg zuerst gezeigt, danach Tschernobyl. Und erst vor kurzem stellte sich heraus, dass in dem vermeintlichen Endlager Asse wirklich keines der Sicherheitsversprechen jemals eingehalten wurde. Dass man abgesehen von komplizierten geologischen Fragen noch nicht einmal zu einer geordneten Verwaltung und Überwachung der angelieferten Abfälle in der Lage war und heute leider gar nicht sagen kann, was da unten wirklich so alles liegt.

Diese Erkenntnisse sind so frisch – da können sich womöglich sogar die jüngeren noch dran erinnern. Klar, dass man die echten Katastrophen lieber nicht erwähnt haben möchte:
„Ach sieh mal, Du musst doch nicht immer über Kernenergie schreiben. Davon verstehst Du doch auch gar nichts, überlass das mal lieber den Experten. Schreib doch lieber über was interessantes, vielleicht über Fußball, oder Wetten oder so. Möchtest Du zur Recherche vielleicht einmal nach China fliegen?“
Wer regelmäßig Zeitung liest, kann sich einen Bleistift daneben legen und die in den Artikeln erwähnten Zahlen zusammenrechnen. Dabei wird er erstaunlich oft die Feststellung machen, dass die Zahlen gar nicht zusammenpassen. Alle genannten Prozente zusammen ergeben selten hundert, sondern meist nur einen Bruchteil davon oder auch schon mal vierhundert Prozent. Was wahrscheinlich ein sicheres Kriterium dafür ist, dass der Schreiber nicht nur keine Ahnung vom Thema hat, sondern auch keine Lust, seinen gesunden Menschenverstand anzuwenden.

Zwei Nullen sind kein Unendlich: oo.

Vielleicht liegt es auch an dieser verbreiteten journalistischen Rechenschwäche, dass seit Wochen in der Berichterstattung über Fußballwetten die Zahl von über 200 manipulierten Spielen genannt wird. Gebetsmühlenartig: „Eu-ro-pa-weit! Über 200 Spiele!“ - bezogen auf die Zeit seit Jahresbeginn, also 11 Monate.

200 Spiele. Wie viele Fußballspiele finden in all diesen Ligen wohl an einem Wochenende statt – europaweit, zusammengerechnet? Nur geraten: Fünfhundert? Wir nehmen wieder den bereitliegenden Bleistift und multiplizieren mit vier Wochenenden und 11 Monaten.

Skandal!




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