05 Dezember 2009

Autofahrt (2)

Neulich bei einer 20-minütigen Autofahrt haben wir die schwerwiegenden Themen der Menschheit erschöpfend abgehandelt: Liebe, Tod, Kernenergie und Fußball. Dabei ging es auch um Journalismus und um seine Verbreitung dieser Themen. Freund T. aus B. machte die hellsichtige Bemerkung "Journalisten sollten einem die Welt erklären und nicht nur irgendwo abgeschriebene Meldungen kürzen und zusammenfassen".

Und dann die Gesellschaftskritik

Kürzlich war hier von dem Fußballtorwart die Rede, der sich selbst getötet hat, Robert Enke. Anschließend Trauerfeier mit 40.000 Gästen im Stadion. Zynischer Kommentar des Großen Bloguators™: „Wenn ich mich um 40.000 solche Freunde kümmern müsste hätte ich mich wahrscheinlich auch umgebracht...“ An sich empfinde ich sowas eher als Sensationsgier und Beleidigung der Familie des Verstorbenen.

Die meisten dieser Trauergäste verlieren allenfalls ein Gesicht auf dem Bildschirm. Dass der Torwart ihnen so ein großes Vorbild war, zu dem sie aufgesehen haben, kann man schon weniger glauben: Zu Torwarten wird nicht ganz so oft aufgesehen – auch wenn sie eigentlich genau so gute Menschen sind. Vielleicht sogar bessere.

Die vielen lieben Gäste werden da auch hin gegangen sein, weil es so schön schaurig ist und gleichzeitig authentisch: Da ist ein echter Mensch gestorben und da vorn trauert eine echte Familie, wann sieht man das schon mal? Im Fernsehen, da sind das ja immer nur Schauspieler.

Diese 40.000 Menschen in dem Stadion bemerken nicht den Unterschied zwischen echter Trauer und einer Bühnenshow mit Publikumsbeteiligung. Echte Trauer, wenn jemand einen persönlichen Verlust erlitten hat, Eltern, Gatte, Geschwister, oder gute Freunde im Famlilienkreis, und sich lange damit beschäftigen muss, um darüber hinweg zu kommen. „Show mit Publikum“ in Fällen wie Michael Jackson oder Lady Diana. Die wurden von Millionen als große Vorbilder angegeben. Bewundert wurde an ihnen der sichtbare Erfolg, aber ohne die Arbeit und die Verzweiflung, die dahinter steckte.

Gekannt hat sie mit Sicherheit keiner. Worin steckt da also der Verlust? Dass man vorläufig kein Symbol hat für
den Traum vom Superstar und der Prinzessin? Einen gänzlich aussichtslosen Traum.

Wir kamen dann zur Staatstrauer, wo auch viele Menschen um einen trauern, den sie nicht persönlich kannten. Das sieht auf den ersten Blick ähnlich aus, hat aber einen Unterschied in der Motivation. Staatstrauer wird angeordnet und hat ein Ziel: Der Staat soll zusammengehalten werden. Das ganze dient als Vehikel zu Identitätsstiftung. Die
Angehörigen müssen mitmachen, ob sie wollen oder nicht, ist für einen höheren Zweck. Und zeigt ihnen schließlich
auch noch einmal, wie wichtig ihr Verstorbener für den ganzen Staat war.

Staatstrauer ist funktional. War die Trauerfeier für den Torwart wahrscheinlich genauso.

Trotzdem.

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