28 Dezember 2009

Chronik der Kürbiskriege (35)

Geld und Gold (1)

Die Erfindung des Geldes wollte sich unter den Gesellschaften der indigenen Eingeborenen der kürbistragenden Gebiete nur schwer durchsetzen. Das lag einerseits einfach daran, dass abstrakte Werte ihnen insgesamt sehr fremd waren. Oder anders ausgedrückt: Daran, dass sie sehr praktisch dachten.

"Wo treibst du dich die ganze Zeit herum, Rauchender Haufen? Seit Ewigkeiten klopfe ich an deine Tür!"

Die Tür war diesmal keine Erfindung von Rauchender Haufen, aber als erster im Dorf hatte er sich eine nachgebaut. Mit genau solchen Einfällen trieb er seinen Häuptling zur Weißglut. Er wusste das, konnte aber nicht gegen seine Natur an.

"Sieh mal was ich gefunden habe!"

"Was denn?"

"Na sieh doch!"

"Schon wieder dieses Zeug! Was willst du denn damit?"

"Sieh doch, wie schön das jetzt schon glänzt!"

"Na und? Dafür ist es nichts wert."

"Anderswo schon."

"Aber hier nicht."

"Immer bist du so kleinlich!"

"Man kann es nicht essen. Man kann es nicht pflanzen. Man kann es nicht vermehren. Es taugt nicht als Medizin. Und für Werkzeug ist es zu weich."

"Aber man kann es schmelzen..."

"Na und? Kannst du mit Talg auch."

"… und man kann wunderschönen Schmuck daraus machen."

"Was spricht denn gegen Schmuck aus Tierknochen
, wie wir alle sie tragen? Aus Geweihen? Aus Adlerkrallen und Federn? Der Herr braucht wohl wieder was besonderes?"

"Naja. Aber es lässt sich ganz leicht bearbeiten."

"Auch nicht leichter als Knochen. Geweihe. Krallen und Federn."

"Aber man braucht es doch nur aufzusammeln."

"Und dafür stehst du stundenlang im eiskalten Wasser vom Bach. Und dann bringst du dieses Säckchen mit den winzigen Klümpchen mit."

"Aber diesmal ist das Säckchen faustgroß! Gold nennen sie das."

"Pah! Gold. Eine Sache die nichts wert ist braucht keinen Namen."

"Aber ich habe nur vorgestern, gestern und heute gebraucht um dieses Säckchen zu füllen. Dabei ist es angeblich so selten."

"In der Zeit hättest du dein Feld drei mal umgegraben."

"Anderswo ist das ganz viel wert, habe ich gehört."

"Wieso glaubst du solchen Blödsinn? Wieso soll das anderswo mehr wert sein als bei uns?"

"Na, weil das so selten ist?"

"Was hat das eine mit dem anderen zu tun?"

"Sachen, die selten sind, sind immer wertvoll!"

"Quatsch! Sternschnuppen sind auch selten. Sind sie deswegen wertvoll?"

"Sternschnuppen kannst du aber nicht anfassen!"

"Krankheiten sind auch selten, sind sie deswegen besonders wertvoll?"

"Krankheiten willst du aber nicht anfassen!"

"Zwillinge sind auch selten. Deswegen sind sie nicht wertvoller als Einzelkinder."

"Da wo die Sonne im Zenith steht sollen sie ganz verrückt sein nach diesem Zeug."

"Mag schon sein. Nur dass die Reise da hin drei Monde dauert. Und zurück läufst du nochmal drei Monde. Und was machst du, wenn sie sich da unten für dein Zeug nicht interessieren?"

"Dann komme ich halt so zurück und habe was von der Welt gesehen."

"So so. Und wovon willst du unterwegs leben?"

"Ich nehme ein Tier mit, oder zwei."

"Und von dem schneidest du dir eine Scheibe ab, wenn du Hunger kriegst."

"Naja. Nein. Ich tausche es, gegen was anderes wertvolles."

"Und das wäre?"

"Na, sagen wir, einen Schinken?"

"Dann kannst du auch gleich einen Schinken mitnehmen."

"Aber ich habe grade keinen Schinken."

"Aber verreisen wollen..."

"Ich kann unterwegs jagen gehen."

"Da werden sich die anderen Indianer freuen."

"Wieso, die bleiben doch hier?"

"Ich meine die, denen die Jagdgründe unterwegs gehören."

"Ach so, die."

"Genau. Die."

"Na, ich kann ja vorher fragen, die werden doch so ein kleines Karnickel entbehren können, oder einen Vogel vielleicht."

"Und wenn du sie vorher nicht triffst, aber trotzdem Hunger kriegst?"

"Dann frage ich sie eben hinterher."

"Die werden sich freuen: Wenn du sie mit dem Vogel aus ihrem Jagdgrund in der Hand fragst, ob du einen Vogel erlegen darfst. Womöglich ist der Vogel heilig. Oder selten. Und wertvoll. Und du hast den toten Vogel in der Hand und sprichst noch nicht mal ihre Sprache. Und dann fragst du sie, ob du vielleicht ihren wertvollen heiligen Vogel hättest jagen dürfen, ja?"

"Du bist ein Miesmacher."

"Und wenn da keine Vögel kommen auf deinem Weg?"

"Die Missionare leben auch von irgendwas unterwegs."

"Die hungern ja auch gern. Und schnorren sich durch. Und was willst du überhaupt da, wo die Sonne im Zenith steht, drei Monde von hier entfernt?"

"Na, ich tausche das Gold gegen irgendwas anderes wertvolles."

"Aber dann hast du keins mehr?"

"Ich kann ja hier neues suchen."

"Und was sollte so wertvoll sein, dass du es eintauschen würdest?"

"Naja, vielleicht … ein Schinken?"

"So. Ein Schinken. Wo dein ... Gold … so wertvoll ist."

"Vielleicht drei Schinken."

"Drei Schinken kannst du nicht tragen."

"Oder … vielleicht … so ein prächtiges Kleid?"

"Fehlt dir hier irgendwas?"

"Wieso?"

"Fehlt dir hier irgendwas, das du zum Leben brauchst?"

"Wieso? Nein. Wieso?"

"Und warum willst du dann ewig weit laufen, in eine Gegend, die du nicht kennst, und Sachen eintauschen, die du nicht brauchst?"

"Du bist ein Miesmacher. Gleich morgen ziehe ich los. Nein, übermorgen. Morgen mache ich das Säckchen noch voll."

"Dir ist nicht zu helfen. Aber wenn irgendwas schief geht: Wir helfen dir nicht, wie sonst immer. Da unten hören wir dich nicht..."

"Trotzdem!"

"… ist vielleicht auch ganz gut so."

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