29 Dezember 2009

Chronik der Kürbiskriege (36)

Geld und Gold (2)

Dass die Idee des Geldes sich nur sehr schwer durchsetzen konnte hatte auch noch andere Gründe. Solche, die nicht allein in der mangelnden Phantasie der Kürbisindianer lagen. Sie hatten nämlich genug Phantasie, um sich Fehlentwicklungen vorzustellen. In dieser Hinsicht waren sie sogar sehr phantasievolle Pessimisten.

"Und jetzt zu dir, Rauchender Haufen!"

Dass er in der Falle saß, war Rauchender Haufen schon die ganze Zeit klar. Aber seinem Häuptling konnte er nicht entkommen. Der war noch nachtragender als der Berglöwe - obwohl der diesen Namen wohl aus einem anderen Grund gewählt hatte.

"Ich hab doch gar nichts gemacht!"

"Genau. Außer den gierigen Abschaum hierher geführt."

"Ich habe die nicht geführt. Die sind mir so gefolgt."

"Und du hast nichts gemerkt, oder?"

"Nein, ich habe wirklich nichts gemerkt. Ehrlich!"

"Zehn Leute schleichen dir drei Monde lang nach und du merkst nichts? Was für ein Indianer bist du eigentlich?"

"Ich konnte doch nicht wissen, was die wollten."

"Die wollten wissen, woher du das Gold holst!"

"Jetzt weiß ich das auch. Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass..."

"Was? Dass die sich für dein Gold interessieren weil es so wertvoll ist?"

"Ja."

"Und du bist auch nicht dort hin gereist, weil die Leute dort gradezu verrückt nach dem glänzenden Zeug sind? Ich zitiere deine Worte: Verrückt!"

"Nein. Doch. Ich..."

"Was hast du dir dabei gedacht? Los! Sag es! Sonst vergesse ich mich!"

"Gar nichts. Ich dachte, die hätten zufällig den selben Weg."

"Drei Monde lang! Den selben Weg!?!"

"Naja?"

"Über verschneite Pässe und durch eiskalte Flüsse und dann noch durch den Klapperschlangencanyon?"

"Na, wenn man auf Reisen ist, dann..."

"Zehn Leute, die immer schön Abstand halten?"

"… du bist ja nie auf Reisen …"

"Du bist doch sonst immer so neugierig. Da hast du nicht nachgesehen?"

"Nein … ich … die waren so grimmig."

"Du hast sie getroffen?"

"Naja, ganz zu Anfang. Da habe ich sie gefragt, ob wir zusammen reisen wollen. Und das fanden sie erst ganz prima. Und dann wurden sie plötzlich unfreundlich."

"Wann? Wann genau? Los, sag es!"

"Ich glaube, als ich ihnen erzählt habe, dass wir der größte Stamm in der Gegend sind und immer zusammenhalten. Da wollten sie nicht mehr mit mir zusammen reisen und haben mich fort geschickt."

"Was glaubst du eigentlich, warum wir vor den anderen immer mit unseren Geistergeschichten prahlen?"

"Wegen … der … Geister?"

"Hast du hier schon mal einen Geist getroffen?"

"Nur die Ahnen."

"Außer den Ahnen meine ich: Einen richtig bösen Geist, vor dem man sich fürchten muss, wie in unseren Geister-Geschichten."

"Ich dachte, das ist ein Märchen?"

"Ge-nau, du Schlaumeier! Und weißt du, was das Märchen noch macht?"

"Keine Ahnung? Dass uns nicht langweilig wird? Darum erzählen wir doch Geschichten."

"Die Geistergeschichten halten uns neugierige Fremde vom Hals, du Trottel!"

"Tun sie gar nicht."

"Oh doch! Die meisten fürchten sich so sehr vor unseren Geistergeschichten, dass sie uns in Ruhe lassen und erst gar nicht hier her kommen."

"Aber diese Männer sind doch trotzdem gekommen?"

"Weil du ihnen erzählt hast, dass das alles Märchen sind, du Versager! Wie vielen hast du das noch erzählt? Wie vielen? Sag es mir!"

"Die anderen …"

"Welche anderen?"

"… die anderen denen ich das erzählt habe..."

"Du hast das noch anderen erzählt? Weißt du eigentlich, was ein Geheimnis ist?"

"Ja. Aber die anderen wollten das nicht glauben. Deshalb sind anscheinend nur zehn gekommen."

"Nur zehn?"

"Ja, die anderen haben nicht geglaubt, dass das nur Märchen sind. Die sind so ungebildet da unten."

"Nur zehn! Und die Tante von Adlerklaue ist jetzt tot, und der Bruder von Dampfender Pfannkuchen auch! Weil Deine Freunde nach dem Weg gefragt haben und sie zu Tode gefoltert haben, als die nicht reden wollten."

"Die waren nicht meine Freunde."

"Ach? Nicht?"

"Ich habe das doch nicht gewollt."

"Wir hätten beinahe einen Krieg mit den Nachbarn am Hals! Einen richtigen Krieg, mit richtigem Blut, nicht nur eine Kürbisprügelei. Die Nachbarn wussten jedenfalls sofort, warum die zehn Männer gekommen sind."

"Wenn ich das vorher gewusst hätte."

"Wenn du das vorher gewusst hättest wärst du erst gar nicht losgelaufen."

"Ja."

"Ich konnte Adlerklaue und Dampfender Pfannkuchen nur besänftigen, weil ich ihnen die Häute der zehn Mörder demütig überreicht habe. Fertig gegerbt. Demütig!"

"Ja."

"Und da musste ich mich noch für die Löcher entschuldigen, die beim Kampf rein gekommen waren. ICH! Dabei ist das nur passiert, weil die sich so verzweifelt gewehrt haben. Dieses feige Pack."

"Ja."

"War das erste mal, dass ich einen Menschen gehäutet habe. Gruselige Wünsche haben unsere Nachbarn. So kannte ich die gar nicht. Da weiß ich nicht, vor wem ich mich mehr fürchten soll."

"Vor wem?"

"Vor deinem Mörderpack oder vor Adlerklaue und Dampfender Pfannkuchen."

"Konntest du sie nicht lebendig abliefern?"

"Damit einer von denen ausbüchst und zu Hause erzählt, wo dein ganzes Gold herkommt? Bist du noch zu retten? Was denkst du denn? Dann kommen beim nächsten mal noch mehr von diesen Barbaren. Und ich habe schon vier Handvoll Kriegerinnen und Krieger gebraucht, um diese paar elenden Räuber erlegen. Ich bin froh, dass unsere Brüder und Schwestern überhaupt mitgemacht haben. Hätten sie ja nicht müssen. Was willst du übrigens mit denen machen?"

"Mit wem?"

"Na unsere Stammesbrüder, die alle geholfen haben, diese Pest wieder loszuwerden, die du da angeschleppt hast. Du wirst dich bedanken müssen."

"Ich?"

"Du."

"Ich weiß nicht..."

"Das war schließlich gefährlich."

"… was soll ich denn da…"

"Und hätte leicht ins Auge gehen können."

"… was kann ich denn machen…?"

"Und es war eklig. Menschen häuten."

"Eklig?"

"Tiere häutet man voll Ehrfurcht, weil man sie essen will, oder anziehen. Man verneigt sich vor ihren Ahnen und bittet sie um Verzeihung. Aber dieses gierige Gesindel... vor wem soll ich mich da verneigen? Also: Was willst du machen mit den Schwestern und Brüdern?"

"Was tun die anderen denn in so einem Fall?"

"Die haben solche Probleme nicht."

"Nicht?"

"Nie."

"Nie?"

"Nie! Morgen gehst du zu den Fynfzehnkilohant'l und bietest ihnen für ihr Bier alles an, was du hast."

"Ich?"

"Allerdings!"

"Aber die nehmen gar nicht alles. Die schlachten nicht gerne."

"Wenn sie die Tiere nicht selbst schlachten wollen bleibst du so lange da bis sie zufrieden sind."

"Aber... dann habe ich gar nichts mehr."

"Ist mir egal. Ich komme mit. Du bietest ihnen alles an, was du hast. Und du kommst mit genug Bier für die vier Handvoll Stammesbrüder zurück."

"Muss ich?"

"Allerdings! Und du bringst ausreichend Bier für ihre Familien mit."

"Aber..."

"… und genug Bier für alle ihre Freunde!"

"Aber so viele Vorräte habe ich gar nicht. Und Tiere auch nicht."

"Und wenn du dein ganzes restliches Leben dafür bei den Fynfzehnkilohant'l arbeiten musst! Immerhin lebst du noch!"

"Aber..."

"Keine Widerrede! Noch ein Wort und ich zieh dir auch das Fell ab und spanne deine jämmerliche Haut auf einen Rahmen! Ich habe grade Übung damit!"

"Ja."

"Versuch nicht, dich zu drücken! Ich komme mit!"

"Ja."

"… und dann sind wir dich hoffentlich erstmal wieder für eine Weile los."

"Ja."

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