20 Mai 2010

Zahlungsmoral (18)

eine fast nicht erfundene Geschichte


Was bisher geschah:
Unser ehemaliger Auftraggeber, ein unbegabter Architekt, hat unsere Arbeit nicht bezahlt, weil ihn die Ausgabe reute. Wir zahlen ihm das jetzt heim und sind nicht zimperlich. Seine Kreditwürdigkeit ist inzwischen nicht mehr die beste und seine sogenannte Büroorganisation wird allmählich porös. Zur Zeit sieht es so aus als würde er einen eingeschlagenen Weg zu Ende gehen müssen. Das wird bitter.


...

„Er wird schon wissen, was er tut, er ist ja erwachsen.“ Jeder, dem dieser Satz durch den Kopf geht, ahnt aber auch, dass der Betreffende selbstverständlich nicht weiß, was er da tut. Ich hatte noch etwas mehr Grund zum Beleidigtsein, weil der Chef anschlie­ßend von mir verlangte, von dem haarsträubenden Unfug, den er eben verzapft hatte, auch noch ein Protokoll anzufertigen.

Aus falsch verstandener Loyalität zu meinem Arbeitgeber wies ich in dem Protokoll ausdrücklich darauf hin, dass die abwegige Idee vom Bauherrn stammte und ultimativ bestellt worden war. Menschen wie meinem Chef wiederum ist das ganze Konzept von Loyalität fremd, sie erwarten sie nicht von den Mitarbeitern, weil sie selbst nie loyal sind. Im fertigen Protokoll brachte mein Chef noch einige Änderungen an, die seinen Beitrag in noch leuchten­derem Licht erscheinen ließen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war das eigentlich eine viel subtilere und effektivere Methode des Mobbings als die Sache mit dem abgeschlossenen Chefzimmer.

Aber! Für mich war es nur beleidigend, das Büro hingegen konnte es irgendwann teuer zu stehen kommen, wenn der sicher zu erwartende Bauschaden endlich eintreten würde. Als Architekt hat man dafür eine Versicherung, die wegen der Größe der möglichen Schäden sehr kostspielig ist. Wird sie wirklich einmal in Anspruch genommen, entfällt der Schadensfreiheitsrabatt und die Prämie verdoppelt sich noch einmal. Trotzdem lassen sich Versicherungen ab einer bestimmten Höhe nur ungern in Anspruch nehmen und haben einen vorhersehbaren Reflex: „WIR müssen jedenfalls nicht zahlen!" Wenn nun ein Schaden in merklicher Höhe eingetreten ist, kann man ihn trotz des abgeschlossenen Versicherungsvertrages am besten entweder gleich aus der eigenen Tasche bezahlen oder man hat den Ärger nun mit seiner eigenen Versicherungsgesellschaft statt mit dem Bauherrn.

So weit der Vorlauf. Bei meinem Grabungsarbeiten auf dem Server kam mir diese Vorgeschichte wieder in den Sinn. Ich suchte das Protokoll heraus und änderte es nachträglich ein wenig. In dieser Form hätte es meinem Ex-Chef sicher noch mehr gefallen: Ich hatte die Sache jetzt als seine alleinige Idee dargestellt – was es ja auch irgendwie war. Sicherheitshalber versandte ich es in dieser neuen Form noch einmal an den Bauherrn, so dass der auch über den entsprechenden Beweis verfügte. Dort würde er einfach reflexhaft abgeheftet - bis zur weiteren Verwendung.

Bisher ist der Bauschaden noch nicht eingetreten, aber ich bin mir fast sicher, dass er in den nächsten ein oder zwei Jahren sichtbar wird. Die Bauherren werden sich an meinem Chef schadlos halten, der Chef wird einen Disput mit seinem Versicherungs­unter­nehmen beginnen und in jedem Fall verlieren: Wenn die Versicherung zahlen muss, steigt die Prämie und damit die Bürokosten, der Gewinn sinkt. Und wenn sie nicht zahlt, muss er selbst für den Schaden aufkommen. Auf jeden Fall ist er eine ganze Weile mit einer unangenehmen Angelegenheit beschäftigt anstatt mit sinnvoller Arbeit und vor allem: Das schöne Geld ist weg.



... to be fortcontinued in kürze ... hier:  Zahlungsmoral (19)

2 Kommentare:

Gabi hat gesagt…

Die kriminelle Energie der Rächer steht der kriminellen Energie des Bauherren in nichts nach.
Eine sehr spannende Geschichte. Trotz der nicht legalen Rache liegen die Sympathien eindeutig bei den Rächern, zumindest geht es mir so.

100 Goldfischli hat gesagt…

... von "legal" hatte ich nie was gesagt ... glaube ich.

... und Robin Hood wäre sicher auch weniger erfolgreich gewesen, wenn er sich an die herrschenden Gesetze gehalten hätte. Ja. So etwa.

"Legal" ist das, was im Gesetz steht und "gerecht" ist irgendwas anderes. Ein Nebenwiderspruch, den man aushalten muss. Kann. Und hier geht es doch ausschließlich um Gerechtigkeit :-)

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