25 Mai 2010

Zahlungsmoral (23)

eine fast nicht erfundene Geschichte


Was bisher geschah:
Unser ehemaliger Auftraggeber, ein unbegabter Architekt, hat unsere Arbeit nicht bezahlt, weil ihn die Ausgabe reute. Wir zahlen ihm das jetzt heim und sind nicht zimperlich. Auf unerklärliche Weise geht seitdem nicht nur im Büro sondern auch in der Ehe vieles schief.


...

Jetzt, nach zwei Jahren, hat sich mein Ex-Chef mit den Niederungen des ernsthaften Lebens vertraut gemacht. Er hat sich ein kleines gebrauchtes Auto gekauft. Seine Frau wohnt immer noch im Villenviertel, was mich vermuten lässt, dass er für das Haus nach wie vor zahlt.

Angeblich läuft das Büro mit den verbliebenen Mitarbeitern wieder einigermaßen. Die Aufträge sind inzwischen kleiner - die ehemaligen Großbauherren fühlten sich nicht mehr zuvorkommend genug behandelt, ihnen fehlte wahrscheinlich einfach die gewohnte Großspurigkeit. Sie ließen den Geschäftskontakt bei erster Gelegenheit auslaufen. Mein Ex-Chef läuft dem Honorar aus diesen Aufträgen hinterher und argumentiert dabei genau so, wie ich damals argumentiert habe. Und mit demselben Erfolg. Ohne Anwalt geht nichts. Und mit Anwalt nicht viel, wer das Geld hat sitzt halt am längeren Hebel.

Ich habe inzwischen neue regelmäßige Auftraggeber gefunden, die überraschend seriös sind. Das stimmt mich zwar immer ein bisschen misstrauisch, aber bisher funktioniert die Sache. Wenn ich denen manchmal von den Bedingungen auf unserem Arbeitsmarkt erzähle sehen sie mich mit großen Augen an und wollen es nicht glauben.

Ich halte mir zugute, das ich meinem Ex-Chef ohne körperliche Gewalt den Weg in ein moralisch einwandfreies Leben gewiesen habe: Er zahlt jetzt seine Steuern, bewegt sich ökologisch sinnvoll durch die Stadt, backt deutlich kleinere Brötchen und kommt hoffentlich nicht so bald auf die Idee, wieder einen Mitarbeiter vorsätzlich über den Tisch zu ziehen. Sicher bin ich mir da aber nicht.


FIN




Es gibt auch andere Auftraggeber. Nun, nicht sehr anders, aber ein wenig. Wer die Geschichte mit dem auftraggebenden Architekten bis zum Ende gelesen hat und daher vermutlich interessant fand, der findet hier einen Extended Mix: Geiz - eine Geschichte für sich

4 Kommentare:

100 Goldfischli hat gesagt…

Wollt Ihr erst ein wenig raten oder soll ich so sagen? Also: Was daran erfunden ist.

Kleiner, aber deprimierender Tipp: Nicht viel.

Sören hat gesagt…

Ich glaub die Sache mit der Scheidung ist erfunden - auch das er dann nen Kleinwagen fährt - das wäre ja geradezu sozialistisch in den Zeiten der SUV + AutofürFrau + MiniFürTochter MaximalAutomotiv-Familien.

Auch der letzte Absatz ist bestimmt erfunden: der macht sicher so weiter wie bisher. Dafür verwette ich meinen monatlichen Snickers-Konsum!

Anonym hat gesagt…

omg - wie Wahr ist das denn???

Jedes Einzelne mit meinen jungen Lenken schon erlebt und es ist die eigene Schockstarre der Hilflosigkeit, die einen wütend macht.

Man sollte viel schneller das sagen, was einem durch den kopf schiesst. Es kann nicht falscher sein.

Vielen Dank für die komprimierte Vorführung :)

100 Goldfischli hat gesagt…

So leid es mir tut, das sagen zu müssen: Aber wer diese Geschichten kennt, wird auch früher oder später die übrigen kennenlernen. Fast nichts dazu erfunden.

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