29 Dezember 2010

Bosheit und Niedertracht (3)


die kleinliche Rache der Macht


Was bisher geschah:
Student Lennart steckt mitten in der Diskussion mit zwei dubiosen Typen, die ihm eben die Tür eingetreten haben und nun über öffentlichen Nahverkehr sprechen wollen. Es geht um Schwarzfahrten.



"Aber du könntest auch die Fahrten bezahlen, oder?"
"Das ist politisch! Das sollte kostenlos sein!"
Er hatte das Gefühl, dass er sie überzeugen könnte.
"Vielleicht hast du da recht. Nehmen wir lieber ein anderes Beispiel. Du rauchst Shit, obwohl das verboten ist."
"Was rauche ich?"
"Shit?"
"Ach, sie meinen Weed? Gras, ja?"
Mit Räucherwaren kannte er sich gut aus.
"Egal wie ihr dazu sagt. Jedenfalls ist es verboten."
"Na und? Ich tu doch niemandem weh. Wen stört das?
"Es ist verboten. Wenn es erlaubt wäre, könnten Steuern da drauf sein."
"Steuern auf Weed?"
Lennart saß regungslos auf seiner Couch. Vor ihm standen zwei bewaffnete Irre und nötigten ihm eine absurde Diskussion über Genussmittel auf.
"Na gut, wir versuchen es nochmal anders. Jurii, hast du das Gerät dabei?"
Offensichtlich hatte Jurii. Er nahm seinen Armeerucksack ab und zog nach einigem Wühlen einen schwarzen Kasten heraus. Der Kasten hatte ein Kabel mit Stecker, eine Steckdose und einen großen Regler.
"Das hier ist ein Transformator."
Lennart zuckte zusammen.
"Wollen sie mich foltern? Hilfe!"
Die Axt krachte noch einmal in eine der bereits zerstörten Boxen.
"Halt den Mund Lennart! Wir werden dich schon nicht foltern - wenn wir nicht müssen! Aber nur so lange, wie du uns nicht dazu zwingst! Also: Das hier macht schönen Strom, man kann es wunderbar regeln, von 150 bis 850 Volt, und es hat ein wenig Elektronik eingebaut. Wenn ein technisches Gerät an diesem Apparat hängt, brennt irgendwas da drin durch, und zwar bevor die Sicherungen reagieren."
"Wozu soll das gut sein?"
"Gut, dass du fragst - ich dachte schon, du fragst nie! Sieh mal, du hast da diesen wunderbaren Fernseher... ewig breit, Flachbild ... wovon bezahlst du sowas eigentlich? Ich kann mir sowas nicht leisten."
"Das ... das war ein Geschenk ..."
"So? Wer schenkt dir denn sowas?"
"Meine ... Eltern. Meine Mutter."
"Ja, natürlich, die Mama, so ist wahre Mutterliebe! Ein riesiger Flachbild-Fernseher! Hast du's jetzt endlich, Jurii?"
Lennart wollte die Situation entschärfen und versuchte ein Gespräch: "Meine Mutter hat mir den TV-Set" - er sprach es amerikanisch: Tie-Wie-Sett - "zum Einzug geschenkt, tolles Gerät, in die neue Wohnung!"
Mehr wollte ihm nicht einfallen.
"Ja, genau, die Mama! Sieh mal, jetzt haben wir ihn an den Transformator angeschlossen, wunderbares Gerät, sag ich dir! Man muss nur den Stecker vom Fernseher aus der Steckdose ziehen und an den Transformator anstecken..."
"Ja, und?"
"... und dann einschalten. Und dann dreht man den Regler langsam hoch..."
"Was soll das?"
Die Frage erübrigte sich. Nach einem dumpfen "Puff!" stieg schwarzer Rauch auf.
"Oh, Lennart! Ich glaube es brennt! Du musst pusten!"
"Was?" Lennart sprang auf und blies wie verrückt in die Kühlrippen an der Seite des Geräts. Nach einer Weile hörte die Rauchentwicklung auf.
Der kleinere Kerl erkannte seine Leistung an: "Ein Glück! Das hast du gut gemacht! Vielleicht wäre deine ganze Wohnung abgebrannt. Womöglich das ganze Haus!"
Lennart fiel hyperventiliert zurück auf die Couch. Er hatte die Nacht davor mit Freunden in einer Bar verbracht und nur wenig geschlafen. "Was wollen Sie denn von mir?" fragte er ermattet.
Der kleinere Kerl ging auf die Frage gar nicht ein. "Keine Sorge, da ist ja nur ein kleines Bauteil kaputt gegangen. Zum Glück. Nicht auszudenken, wenn der ganze Fernseher kaputt gegangen wäre."
"Ja."
"Ich meine: Wie hättest du das deiner Mama erklären sollen?"
"Ich weiß nicht..."
"Zum Glück braucht man nur ein kleines durchgebranntes Bauteil zu ersetzen."
"Ich seh gar nicht so viel fern. Ich lese oft einfach ein gutes Buch."
"Wovon solltest du einen neuen kaufen?"
"So einen kann ich mir nie im Leben kaufen..."
"Na dann muss ich mir ja keine Sorgen machen."
Die Axt landete in der Mattscheibe des bis dahin fast intakten Fernsehers.
"Seid ihr ... sind sie wahnsinnig?"
"Wer? Wir?"
"Ja!"
"Ob wir wahnsinnig sind? Hm ... och ... ich glaube ..."

1 Kommentar:

100 Goldfischli hat gesagt…

Leserin Nic fragte vorhin vorhin freundlich inquisitorisch an:
"Auf welcher Seite stehst du eigentlich?"

???

"Hm, jaaa ... ich ... weiß nicht ...?"

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